Vorwurf der „Trickserei“bei Gemeinschaftsschulen
Lehrerverbände kritisieren, dass Schüler aus Nachbarorten bei Einrichtung von Oberstufen eingerechnet werden
- Drei Lehrerverbände wehren sich gegen die Einrichtung neuer Oberstufen an Gemeinschaftsschulen. Diese werden vom Kultusministerium genehmigt, wenn die entsprechenden Kriterien erfüllt sind (siehe Kasten). Ein wichtiges Kriterium ist die zu erwartende Schülerzahl. In die Prognose hierfür dürfen keine Realschüler von Nachbargemeinden eingerechnet werden, fordern der Philologenverband, der die Gymnasiallehrer vertritt, sowie der Berufsschul- und der Realschullehrerverband (RLV). Die RLV-Vorsitzende Karin Broszat nannte dies in einer gemeinsamen Mitteilung vom Montag „Trickserei“.
Erste Oberstufen starten
Konstanz und Tübingen machen den Anfang: In beiden Städten wird vom kommenden Schuljahr an in je einer Gemeinschaftsschule eine Oberstufe eingerichtet. Andere Gemeinschaftsschulen liebäugeln auch damit. Die Schulen sehen dies als Weiterentwicklung, gerade für kleinere Gemeinden wie Salem (Bodenseekreis) ist es ein wichtiger Standortfaktor. Die Schüler, die sich für den Weg zum Abitur an Gemeinschaftsschulen entscheiden, fehlen allerdings den allgemeinbildenden, vornehmlich aber den beruflichen Gymnasien. So sprechen die drei Lehrerverbände nun auch von „Zahlenakrobatik“, wenn für die Genehmigung einer Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule auch Schüler von umliegenden Gemeinden einbezogen werden.
Salems Kämmerer Michael Lissner, der für die Schulen im Ort zuständig ist, widerspricht dem TricksereiVorwurf. „Für uns ist klar: Es gibt Prognosekriterien, die nicht wir aufgestellt haben, sondern das Kultusministerium.“Seine Gemeinschaftsschule wird im Text der Lehrerverbände explizit genannt – Salem will eine Oberstufe im Frühjahr 2019 beantragen. Die drei Lehrerverbände sind dagegen. „Die Oberstufen der beruflichen Schulen und allgemeinbildenden Gymnasien in der Region um Salem und Friedrichshafen sowie andernorts in Baden-Württemberg sind bestens ausgestattet und bieten den befähigten Realschulabsolventen alle Möglichkeiten, die Hochschulreife zu erlangen“, heißt es in dem Text.
Matthias Wagner-Uhl, Vorsitzender des Vereins für Gemeinschaftsschulen, sieht in dem Papier ein von Eigeninteresse geleitetes „Ritual, in den Wochen der Anmeldung für die weiterführende Schule zum Halali auf die Gemeinschaftsschule zu blasen“. Am Mittwoch und Donnerstag sind die Eltern von Viertklässlern landesweit dazu aufgerufen, ihre Kinder an der weiterführenden Schule anzumelden. „Mit der Unterstellung von ,Trickserei‘ schießen einige Lehrerverbände nun weiter denn je über das Ziel hinaus“, so Wagner-Uhl. Ähnlich äußert sich SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Als ehemaliger Kultusminister betont er: „Natürlich werden – wie bei allen weiterführenden Schularten – auch Schülerströme aus umliegenden Ortschaften berücksichtigt, wenn es um eine sinnvolle Weiterentwicklung der regionalen Bildungslandschaft und stabile Standorte geht.“
Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) kritisiert den Vorwurf der Trickserei. „Die Schulaufsicht prüft die mögliche Einrichtung anhand abgestimmter Prognosekriterien, um stabile Schülerzahlen zu erreichen.“Ob diese Kriterien die Realität widerspiegelten, könne erst später überprüft werden.