Vom Reiz scheinbar wertloser Materialien
Villa Rot zeigt mit „Formen der Natur“Ideen aus Künstlerhand
- Unser Umgang mit dem Planeten Erde ist ein Thema, das wissenschaftlich und ethisch derzeit stark debattiert wird: vom Artensterben über Ressourcenerschöpfung bis zu Umweltkatastrophen. Für Künstler waren Flora und Fauna schon immer eine wichtige Inspirationsquelle – und das gilt bis heute, wie die neue Ausstellung in der Villa Rot beweist. Unter dem Titel „Formen der Natur“werden rund 50 Arbeiten von zwölf Kunstschaffenden gezeigt, die ihre Ideen aus dem Fundus der Natur schöpfen.
Natur und Kultur sind zwei Begriffe, die sich im Grunde widersprechen. Da ist auf der einen Seite das wilde, zufällige Wachstum und auf der anderen Seite die menschliche Anstrengung, das Chaos zu strukturieren und begreifbar zu machen. Man denke nur an die Kulturlandschaft in Oberschwaben. In der westlichen Gesellschaft wurden erst mit der Arte Povera in den 1960er-Jahren „arme“Materialien wie Erde, Stroh oder Steine salonfähig. Mittlerweile haben sich organische Werkstoffe in der Kunst etabliert. Museumsleiter Marco Hompes hat für die neue Schau in der Villa Rot faszinierende Beispiele gefunden, die für die Vielfalt der Erscheinungen um uns herum stehen und den ästhetischen Reiz scheinbar wertloser Materialien visualisieren.
Spannendes Zusammenspiel
Bestes Beispiel sind die monochromen Tafeln von Alastair Mackie. Der britische Künstler hat Sepiaschulpen, die er am Strand in seiner Heimat Cornwall fand, geschliffen und in geometrische Formen gebracht. In strenger Reihung entsteht so ein spannendes Zusammenspiel von natürlichem Material und handwerklicher Präzision. Auch die Schweizerin Regine Ramseier hat ein Interesse daran, Dinge aus dem Naturkreislauf herauszulösen. Für ihre Laubläufer sammelt sie Samenkapseln, Blätter und Rispen, die sie in insektenähnliche Gebilde verwandelt, wobei jedes einen eigenen Charakter hat und wie ein lebendiges Wesen wirkt. 70 Prachtexemplare bevölkern in der Villa Rot einen Saal sowie den Übergang ins Treppenhaus. Ein Hingucker im Erdgeschoss ist auch der „Federtisch“von Bethan Huws. Sie hat unterschiedliche Vogelfedern auf einem Schreibtisch ordentlich aufgespießt und rückt so Schönheit und Vielfältigkeit der Natur in den Vordergrund. Zugleich weckt die Installation Erinnerungen an Tinte und Schreibfedern aus alten Zeiten.
Phantastische Neuschöpfungen
Im Obergeschoss geht es dann darum, Formen der Natur begreifbar zu machen. Da ist etwa Mirko Baselgias, der Naturmaterialien in künstlerische Medien umsetzt. So hat er Tannenzapfen naturgetreu in Bronze gegossen oder Momentaufnahmen von einer Platte gemacht, die Stück für Stück von Bienen mit Honigwaben überwuchert wird. Ähnlich geht auch Julia Schmölzer vor, die in Wolfegg bei Ravensburg und Karlsruhe lebt. Sie imitiert aber nicht reale Formen, sondern schafft Interpretationen natürlicher Phänomene. Für die Schau hat sie Pflanzen aus Feuchtgebieten in Keramik gebrannt. Ihre Gebilde sind phantastische Neuschöpfungen, die passend zum Lebensraum in einem Wasserbecken präsentiert werden.
Apropos. Passend zum Thema ist auch die Einzelausstellung „Vieh“in der Kunsthalle mit Werken von Maximilian Prüfer. Ausgangspunkt seiner Arbeiten sind natürliche Phänomene unserer Erde. Im Zentrum des Saales steht die Untersuchung von in der Natur vorkommenden Farben. Dazu hat er die Pigmente und Zeichnungen von Schmetterlingsflügeln auf dunklen Karton übertragen – jeweils Vorder- und Rückseite pro Blatt. Das wirkt sehr ästhetisch und stellt zugleich Fragen zu unserem rücksichtslosen Umgang mit der Natur. Denn Schmetterlinge sind wie viele andere Insekten vom Aussterben bedroht.
So feiert der Rundgang durchs Haus einerseits die Vielfalt von Flora und Fauna und thematisiert andererseits auch Fragen des Umweltschutzes und der Artenvielfalt. Eine Schau, die den Besucher verzaubert und zugleich zum Nachdenken anregt.
Die Ausstellung dauert bis 3. Juni, Öffnungszeiten: Mi.-Sa. 14-17 Uhr, So. 11-17 Uhr, weitere Infos auch zum Begleitprogramm unter: www.villa-rot.de