Hoher Aufwand für den Datenschutz Neues Datenschutzrecht bedeutet Herausforderung für Stadt und Vereine.
Die neue Grundverordnung verlangt ein aufwendiges Management – Betroffen sind auch die Vereine
- Wer über 70 Jahre alt ist und bald einen runden Geburtstag feiert, bekommt ab jetzt Post von der Stadt. Denn ohne Einverständnis dürfen solche Namen und Daten nicht mehr im Stadtinfo veröffentlicht werden. Das ist ein Aspekt der neuen Datenschutz-Grundverordnung, die heute in Kraft tritt. Sie betrifft jeden, Bürger, Behörden, Firmen und die Vereine.
Auf der einen Seite können Bürger jetzt unter anderem Auskunft verlangen, was mit ihren Daten passiert, und haben ein Recht auf Löschung, wenn dem kein wichtiger Grund oder ein Gesetz entgegensteht. Auf der anderen Seite müssen Behörden, Firmen und Vereine genau dokumentieren, was sie mit den Daten machen. Sie dürfen auch nur so wenig Daten sammeln wie nötig.
Die Stadt erfasst eine ganze Reihe von Daten: Adressen, Geburtsdaten, Familienstand und manchmal auch die Konfession. Wer einen Bauantrag stellt, wegen einer Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld bezahlen muss oder sein Kind in der Schule oder im Kindergarten anmeldet, muss solche Angaben machen. Auch im Grundbuch stehen Name, Anschrift, Wohnort und Geburtsdatum.
„Ein Gesetz, das die Vereinsarbeit torpediert“
Wer diese Daten zu Gesicht bekommt oder mit ihnen arbeiten darf, muss geregelt sein und dokumentiert werden. Das gilt für die Stadt, aber auch für Vereine. Harald Eßig, Geschäftsführer vom Blasmusikverband Baden-Württemberg, ist kein Fan der Neuregelung: „Das ist ein Gesetz, das die Vereinsarbeit torpediert.“Die Aufzeichnungspflichten seien im Ehrenamt nicht mehr leistbar. Das Gesetz sei für Google und Facebook gemacht, jetzt werde es der ganzen Bevölkerung übergestülpt.
Ein Riesenaufwand, ärgert sich Eßig. Vereine müssen ein Verfahrensverzeichnis anlegen, wer wie mit den Daten umgeht und wie sichergestellt ist, dass Dritte keinen Zugriff haben. Ein anderes Problem sind die Homepages. Denn in deren Hintergrund laufen oft Auswertungsprogramme, von denen der Verein nicht unbedingt etwas weiß. Das muss aber dokumentiert werden: „Da freuen sich schon die Abmahnvereine. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein.“Eßig fürchtet, dass die Regelung manchen abschreckt, ein Ehrenamt zu übernehmen.
Bei der Stadt kümmert sich die Datenschutzbeauftragte Franziska Feil um das Thema. Für die technischen Aspekte ist zudem Andreas Weiser als IT-Sicherheitsexperte zuständig. Der Umgang mit den Daten ist in der Stadtverwaltung streng geregelt. Nicht jede Abteilung hat Zugriff auf alles. Es muss immer ein Sachzusammenhang vorhanden sein oder ein begründetes Interesse bestehen, sagt Feil. Ein DokumentenManagementsystem legt fest, wer Zugriff auf welche Akte bekommt. Auch Löschfristen müssen festgelegt werden.
Nach außen geht gar nichts. Als Beispiel nennt Feil den Grundbucheintrag. Einfach so im Rathaus vorbeizuspazieren und interessehalber einen Eintrag nachzuschlagen, geht nicht. Nicht einmal ein Kaufinteressent bekommt den Namen des Eigentümers eines Hauses oder eines Grundstücks. Ein Nachbar, der etwas zu klären hat, dagegen schon. Das Interesse muss berechtigt sein. Das wäre es erst, wenn ein Kaufvertrag vorliegt, sagt Feil.
Alles muss dokumentiert und geregelt werden
Dazu kommt die Dokumentationspflicht. Sie betrifft auch technische und organisatorische Maßnahmen, zum Beispiel den Server-Raum zu sichern, damit kein Unbefugter Zutritt hat. Im Standesamt steht deshalb ein Panzerschrank.
Das war aber schon vor der neuen Verordnung so geregelt, sagt Andreas Weiser. Nur dass er jetzt alles noch dokumentieren muss. Das geht nicht ohne Wissen, weshalb alle Mitarbeiter geschult wurden.
Der Aufwand ist gewaltig. Feil nennt als Beispiel die Auftragsverarbeitungsverträge mit Dienstleistern. So arbeite die Stadt beim Einwohnerwesen oder Online-Bewerbungen mit externen Rechenzentren oder Firmen zusammen. Auch Handwerksbetriebe, Putzfrauen oder Softwarefirmen müssen sich verpflichten, sich an die Datenschutz-Grundverordnung zu halten.
Während die Jubilare, die sich jede Woche im Stadtinfo wiederfinden, bisher einer Veröffentlichung widersprechen mussten, müssen sie ihr jetzt ausdrücklich zustimmen und werden deshalb angeschrieben, ob sie mit einer Veröffentlichung einverstanden ist.
Das klingt nach viel Arbeit und das ist es auch. In der Stadtverwaltung wurde deshalb eine neue Stelle geschaffen.
Keine Änderung gibt es dagegen bei der Veröffentlichung von Abiturienten oder anderen Schülerinnen und Schülern, die eine Prüfung bestanden haben. Die mussten nämlich bisher schon ihr Einverständnis zu einer Veröffentlichung in der Zeitung geben, ganz ohne neue Datenschutz-Grundverordnung, sagt ein Sprecher des staatlichen Schulamts Göppingen.