Zehn-Punkte-Plan zum Hürdenabbau
Wie Flüchtlinge von heute Deutschlands Fachkräfte von morgen werden sollen
- Es ist eine seltene Allianz. Industrie- und Handelskammertag (DIHK), das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, OECD, präsentieren in Berlin gemeinsam einen ZehnPunkte-Aktionsplan für Arbeitgeber und Flüchtlinge, Staat und Zivilgesellschaft. Kernanliegen: Hürden für die Beschäftigung von Flüchtlingen abbauen.
„Es ist im Interesse der gewerblichen Wirtschaft, hier Fortschritte zu machen“, sagt der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des DIHT, Achim Dercks. Deutschland kämpfe mit einem fast flächendeckenden Fachkräftemangel zum Beispiel in der Bauwirtschaft, in Gesundheit und Pflege, in der Gastronomie und der Kindererziehung. „Es ist Zeit, um aus Geflüchteten von heute die Fachkräfte von morgen zu machen.“Derzeit sind rund 25 000 Geflüchtete in Ausbildung. Integration lasse sich aber nicht allein bewältigen, man brauche Netzwerke, so Dercks.
Kritische Phase
Zu diesem Ergebnis kommt auch der Zehn-Punkte-Aktionsplan, den Thomas Liebig, Ökonom der OECD in der Abteilung Internationale Migration, vorstellte. Punkt eins des Plans ist mehr Unterstützung, um sich im Dickicht der gesetzlichen Regelungen zurechtzufinden. Flüchtlinge selbst müssten wissen, was sie dürfen, und der Arbeitgeber müsse Klarheit haben, ob sich die Investition lohnt. Derzeit sei eine kritische Phase erreicht. Die anfängliche Euphorie sei verflogen, aber die eigentliche Herausforderung stelle sich jetzt, da die Flüchtlinge langsam arbeitsmarktfähig würden, so Liebig.
Manche Maßnahmen, so warnt Dominik Bartsch, Repräsentant des UNHCR, zielten auch an den Flüchtlingen vorbei, deren Beteiligung sei deshalb wichtig. Der Aktionsplan fordert Sprachkenntnisse und frühe Kontakte zur Arbeitswelt. Die größte Herausforderung aber sei es, Arbeitgeber und Arbeitskräfte so zusammenzubringen, dass es passt. Denn auch wenn Arbeitgeber manchmal aus sozialer Verantwortung einen Flüchtling einstellen, so brauche es langfristig doch mehr wirtschaftliche Argumente. Ansätze dazu sind da. Immerhin haben 80 Prozent der Befragten positive Erfahrungen mit Flüchtlingen gemacht, sie als besonders motiviert erlebt. Wichtig für die Vermittlung ist: „Die Akteure vor Ort müssen an einem Tisch sitzen“, so Stefan Hardege vom DIHK. Der Spracherwerb aus den Integrationskursen reiche oft nicht aus, berufsbegleitende Sprachkurse seinen wichtig, die aber nicht allzu weit entfernt vom Betrieb stattfinden dürfen.
Integration gelingt am besten über die Nachbarschaft, wenn der Nachbar zum Grillen einlädt, und natürlich über den Arbeitsplatz. Dazu müssten aber auch die deutschen Mitarbeiter vorbereitet und ihnen erklärt werden, warum ihr Unternehmen Flüchtlinge beschäftigen will, heißt es im Plan.
Marlene Thiele hat als Projektleiterin von „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“1700 Firmen in ihrem Netzwerk. Die hat sie befragt, und die beiden größten Klagen der Wirtschaft sind: Mangelnde Planungssicherheit und zu viel Bürokratie. Die Planungs- und Rechtssicherheit wird in Deutschland laut Studie ernster genommen als in anderen Ländern. Und manche mittlere und kleine Unternehmer sind der Verzweiflung nahe, wenn sie sich mit dem Asylrecht im Detail auseinandersetzen müssen.