Cowboys müssen reiten
Chloé Zhaos Western „The Rider“erzählt eine wahre Geschichte jenseits von Hollywood
Dieses Westerndrama von Chloé Zhao erzählt die Geschichte eine Rodeoreiters, der nach einem Unfall eigentlich nicht mehr reiten dürfte – ein einfühlsamer, realistischer Film, der zwischen Pathos und Melancholie immer eine gute Balance hält.
Nie wieder reiten, nie wieder Rodeos. Es ist eine niederschmetternde Nachricht, die der junge Brady Blackburn von seiner Ärztin nach einem schweren Reitunfall erhält. Von nun an trägt er eine Stahlplatte im Kopf. Jeder neue Sturz kann tödlich sein. Niederschmetternd ist sie, weil Brady nicht einfach das Reiten liebt, sondern weil es sein Leben ist. Er ist Pferdetrainer und Rodeoreiter, nie wollte er etwas anderes machen – und könnte es auch nicht. Denn Brady ist ein Indianer und lebt in denkbar einfachen Verhältnissen in einem Indianerreservat im US-Bundesstaat South Dakota. Dort sind die Möglichkeiten, durch Arbeit aus den engen Lebensbedingungen des Reservats herauszukommen, sehr begrenzt.
Wie Brady aus dieser misslichen Lage herausfindet, wie er gegen alle Widerstände des Lebens – einen spielsüchtigen Vater und eine geistig behinderte Schwester – seinen ganz persönlichen Teil des amerikanischen Traums verwirklicht, das ist die Geschichte dieses überraschenden, bemerkenswerten und gar nicht so typisch amerikanischen Films.
„The Rider“ist ein Beispiel für die Renaissance des Western-Genres in den letzten Jahren. Gemeint sind damit weniger die klassischen Heldensagen von gebrochenen Siegern und ungebrochenen Verlieren, wie sie John Ford erzählt hat. Es sind eher die melancholischen Abgesänge auf das amerikanische Jahrhundert, die wir von Anthony Mann oder John Huston kennen. Deren Filme sind von einer zugleich sehr poetischen Melancholie durchzogen. Das gilt auch für „The Rider“, der versucht, Neues über das Verhältnis der Weißen und der amerikanischen Ureinwohner zu erzählen.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass „The Rider“von einer Frau gedreht wurde. Und dass diese Chloé Zhao heißt. Sie wurde in China geboren, hat aber einen großen Teil ihres Lebens in den USA verbracht. Zhao hat einen Film von großer stilistischer Konsequenz und visueller Wucht gedreht. Wie bei allen guten Western ist auch hier die Natur ein Hauptdarsteller, also die bergige, karge, wüstenähnliche Landschaft des amerikanischen Nordwestens, aber auch das prachtvolle Sonnenlicht. Offensichtlich kennt die Regisseurin auch die Filme von Terrence Malick und Robert Redford, Regisseuren also, die das Amerika der Gegenwart lieben, ohne deshalb mit der nötigen Kritik zu sparen.
Neben diese Poesie tritt aber – und das ist die zweite Stärke von „The Rider“– ein großer Realismus. Denn der Film wurde tatsächlich in einem Reservat in South Dakota gedreht. Hinzu kommt, dass die Geschichte auf Tatsachen beruht. Der Pferdetrainer und Rodeoreiter Brady Jandreau spielt sich selbst, wie seine Freunde und Familie ihre eigene Geschichte erzählen. Diese Authentizität gibt allem eine unprätentiöse, aufmerksame Wirklichkeitstreue. Nichts wirkt aufgesetzt und verkitscht, es ist nicht die Mär von Hollywood, nach der man alles erreichen kann, wenn man nur will. Sondern das wahre Leben. Immer wieder sieht man hier junge und ältere Männer mit zerschlissenen, kaputten, verkrüppelten Körpern. Fortwährend sind irgendwelche Gliedmaßen eingegipst.
Zum wahren Leben gehören aber auch die großartigen und faszinierenden Seiten der Rodeo-Szene. Auch Brady teilt diese Faszination und will sich trotz seiner Verletzungen nicht davon abbringen lassen. „Ich reite“, erklärt er seinem Vater kurz und bündig. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Gott jedem von uns einen Lebenssinn verliehen hat. Pferde müssen über die Prärie galoppieren. Und Cowboys müssen reiten.“
The Rider. Regie: Chloé Zhao. Mit Brady Jandreau, Tim Jandreau, Lilly Jandreau. USA 2017. 104 Minuten. FSK ab 12.