Euphorie trägt mehr als spielerische Klasse
Egal ob der Heimtriumph der Franzosen bei der WM 1998 oder das Selbstvertrauen der DFB-Elf, nachdem man die brasilianischen Ball-Zauberer 2014 mit 7:1 wegputzte und zum Titel stürmte: es ist die Euphorie (innerhalb des Teams und auch Drumherum), die beflügelt und spielerische Defizite überdecken kann. Genau das ist gerade in Russland zu erleben. Während Deutschland mit Erdo-Gate beschäftigt ist, den Mexiko-Ballast zu überspielen versucht und auf dem Platz eher gehemmt umherschleicht (gegen taktisch super eingestellte Mexikaner, die durch ihren Escort-Skandal zusätzlich motiviert sind), spielt sich die Sbornaja in die Herzen der Fans. Und damit muss noch lange nicht Schluss sein. Durch die GalaAuftritte steht das Land hinter der Mannschaft und trägt sie. Kicken können sie heutzutage alle, wenn zudem die Taktik passt, ist es die Mentalität, die entscheidet. Und die kommt von außen. Zugegeben wären Spanien oder die CR7-Maschine harte Brocken, aber das war Bayern München für Eintracht Frankfurt im Pokal-Finale auch – der Ausgang ist bekannt. f.alex@schwaebische.de
Natürlich spielt sich Fußball größtenteils im Kopf ab. Genauso gesichert ist, dass sich Euphorie positiv auf die Leistung auswirkt. Wer spielt schon gerne wütend oder eingeschüchtert? Wenn das ganze Stadion pfeift? Und der Verbandspräsident mit der Peitsche in der Kabine wartet, um seiner Halbzeitansprache den nötigen Nachdruck zu verleihen? So ist es erklärbar, dass die russische Mannschaft – getragen von der positiven Stimmung im Land – mit zwei überzeugenden Siegen ins Turnier gestartet ist. Das mag auch an den Gegnern gelegen haben: dem sehr kleinen Fußballzwerg Saudi-Arabien und dem etwas größeren Fußballzwerg Ägypten. Soll deshalb aber bitte keiner auf die Idee kommen, der Weltranglisten-70. Russland sei ein ernsthafter Kandidat für den Weltmeistertitel. Im Achtelfinale wartet entweder Portugal oder Spanien. Damit dürfte die Geschichte für den Gastgeber erledigt sein. Die spielerische Klasse wird sich natürlich durchsetzen. Früher oder später. Zugegeben: In Russland halt etwas später.
Für die Sbornaja muss noch nicht Schluss sein. Im Achtelfinale dürfte die Geschichte erledigt sein.
m.panzram@schwaebische.de