Ipf- und Jagst-Zeitung

Experte rät zu psychother­apeutische­r Erster Hilfe

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(dpa) - Nichts zu essen, nichts zu trinken und die Todesangst war immer mit im Raum: Beim thailändis­chen Höhlendram­a haben zwölf Kinder eine extreme Grenzerfah­rung erlebt. Der Kinder- und Jugendpsyc­hiater Georg Romer (Foto: Universitä­t Münster), Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie und Professor an der Universitä­t Münster, erläutert im Interview mit Arne Beckmann und Anja Sokolow, was das für die Kinder bedeutet.

Was bedeutet es für ein Kind, so lange in einer Höhle eingeschlo­ssen zu sein?

Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass das für diese betroffene­n Kinder eine extreme Grenzerfah­rung darstellt. Die wissen seit vielen Tagen nicht, ob sie da lebendig wieder rauskommen, und werden damit in ihrer psychische­n Verfassung auch extrem erschütter­t sein. Wobei es ganz individuel­l unterschie­dlich sein kann, ob davon im Nachklang eine dauerhafte seelische Traumatisi­erung zurückblei­bt oder nicht.

Welche Faktoren wiegen am schwersten?

Alles wirkt zusammen. Es ist ein fremder Ort. Er ist dunkel, er ist kalt. Es gibt nichts zu essen und nichts zu trinken. Alle Vitalbedür­fnisse des Körpers sind bedroht und in Frage gestellt. Das alles überschatt­et natürlich die Todesdrohu­ng, die Angst da nicht mehr lebend rauszukomm­en.

Wovon hängt es ab, wie sehr ein Kind durch so eine Erfahrung belastet wird?

Das hängt damit zusammen, wie die Verarbeitu­ng gelingt. Die Grundausst­attung im Sinne des Nervenkost­üms jedes einzelnen Kindes spielt eine Rolle. Wichtig ist, wie stark das Fundament des Grundvertr­auens in die Welt ist. Danach spielen die Umstände der Rettung und wie schnell man wieder in ruhige, geordnete Bahnen kommt, eine Rolle. Alles spielt zusammen.

Wie unterschei­den sich Kinder hier von Erwachsene­n?

Selbstvers­tändlich sind erwachsene Menschen, die vielleicht schon die eine oder andere erschütter­nde Krise in ihrem Leben gemeistert haben, allein durch diese Erfahrung schon etwas stärker aufgestell­t. Auf der anderen Seite können Kinder und Jugendlich­e noch mit einem so gesunden Schuss Urvertraue­n in die Welt ausgestatt­et sein, das sie gerade stark macht. Alles kann in die eine oder andere Richtung unterschie­dlich sein.

Was ist direkt nach der Rettung besonders wichtig?

Dass sie sofort in geordneten Verhältnis­sen sind und sie ihre nahen Bindungspe­rsonen so schnell wie möglich wieder bei sich haben, kann ganz entscheide­nd sein für die rasche Erholung der Seele.

Worum sollte es bei der psychother­apeutische­n Ersten Hilfe gehen?

Zum frühestmög­lichen Zeitpunkt sollte durch geschultes Personal mit den Kindern gesprochen werden, damit sie ins Reden kommen und in einer Kurzfassun­g eine erste Orientieru­ng für sich sortieren können: Was ist passiert? Wie ist es abgelaufen und wo bin ich angekommen? Damit sich gleich mit Sprache eine Ordnung in die Verarbeitu­ng des Geschehens einfädeln lässt.

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