Ipf- und Jagst-Zeitung

Stunk in der Röntgenstr­aße

Anliegerbe­triebe wehren sich gegen Pläne der Stadt, daraus eine Sackgasse mit „Wendehamme­r“zu machen

- Von Eckard Scheiderer

- In der Röntgenstr­aße im Aalener Industrieg­ebiet stehen die Zeichen auf Sturm: Einige der Anliegerbe­triebe dort wehren sich gegen Pläne der Stadt, einen Teil der Straße als öffentlich­e Verkehrsfl­äche aufzugeben und der Firma ISO-Chemie für eine mögliche Betriebser­weiterung quasi als innerbetri­ebliche Straße zu überlassen. Als Gegenleist­ung soll ISO-Chemie einen sogenannte­n „Wendehamme­r“in der Röntgenstr­aße errichten, die damit zur Sackgasse werden würde mit nur noch einer Zufahrt, nämlich über die westliche Einmündung in die RobertBosc­h-Straße. Die Nachbarn fürchten dadurch erhebliche Nachteile für ihre eigenen Unternehme­n und werfen der Stadt vor, mit ihrer Planung einzig dem Wunsch von ISO-Chemie zu folgen.

Was an diesem Donnerstag gleich zweimal zur Vorberatun­g auf der Tagesordnu­ng des Ausschusse­s für Umwelt und Stadtentwi­cklung des Gemeindera­ts steht, erzürnt etliche Anlieger in der Röntgenstr­aße schon länger: Zum einen will die Stadt mit ISO-Chemie, Hersteller von Schaumstof­fprodukten zur Gebäudeabd­ichtung, einen Erschließu­ngsvertrag über den Umbau der Röntgenstr­aße abschließe­n, zum anderen ein Bebauungsp­lanverfahr­en zur Aufgabe eines Teils der Röntgenstr­aße als öffentlich­e Verkehrsfl­äche in Gang setzen.

Eine seit Jahrzehnte­n im Gewerbegeb­iet Aalen-West ansässige Firma, so schreibt die Stadt in der Vorlage für den Gemeindera­t, habe „dringenden kurzfristi­gen sowie auch mittelfris­tigen Erweiterun­gsbedarf am vorhandene­n Standort“. Ziel sei die Herstellun­g eines in sich geschlosse­nen und zusammenhä­ngenden Werksgelän­des „zur Optimierun­g der Betriebsab­läufe sowie zum Schutz des Firmen-Know-hows“. Außerdem diene diese Standortsi­cherung auch der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplä­tzen.

Hintergrun­d: Die Firma ISO-Chemie, die sich am östlichen Beginn der Röntgenstr­aße – hinter dem Technische­n Hilfswerk und jenem Kreisverke­hr, von dem die Carl-Zeiss- und die Robert-Bosch-Straße ausgehen – befindet, ist sowohl im Besitz des ehemaligen Jedele-Geländes gegenüber als auch südlich an der Röntgenstr­aße angrenzend­er Grundstück­e.

„Chaos wird vorprogram­miert“

Für einen Teil der anderen Anlieger – allesamt, wie sie sagen, auf Andienungs­und Schwerlast­verkehr angewiesen – geht das, was die Stadt jetzt umsetzen will, gar nicht. Da werde eine „völlig abstruse Konstrukti­on“aufgebaut und „mit Ansage und mit Steuergeld­ern“werde das Chaos vorprogram­miert, sind sich Charlotte Helzle (Firma Hema Electronic), Rolf und Friedrich Gregg (Spedition Gregg), Friedrich Klein (Aage Leichtbaut­eile) und Michael Schneider für die Besitzerfa­milie des Vorgängeru­nternehmen­s des jetzigen Futtermitt­elbetriebs Biomin einig. Inzwischen haben sie teilweise anwaltlich­en Beistand hinzugezog­en und sind entschloss­en, gegen die Pläne für die Röntgenstr­aße verwaltung­srechtlich bis zur letzten Gerichtsin­stanz zu kämpfen.

Was die Betriebs- und Grundstück­sbesitzer so auf die Palme bringt, würde aus der Röntgenstr­aße eine Sackgasse mit „Wendehamme­r“werden, sind mehrere Dinge: Weil die Lieferramp­en und Andienungs­bereiche ihrer Firmen alle ostwärts ausgericht­et seien, müsste jeder Sattelzug über die Robert-Bosch- und die Röntgenstr­aße zuerst durch den „Wendehamme­r“fahren, um die Firmengelä­nde in der richtigen Richtung erreichen zu können. 100 000 völlig unnötige Kilometer im Jahr, wie Klein einmal grob hochgerech­net hat. Und in der ohnehin engen und mit Autos und Lastwagen schon jetzt oftmals „dichten“Straße ein Unding, wie sie sagen. Außerdem seien die Steigungen in der Robert-Bosch- und der Röntgenstr­aße – letztere vom städtische­n Räumdienst in der hintersten Priorität eingestuft – für Sattelzüge und andere schwere Lkw im Winter schon jetzt ein Problem. Bei Eis und Schnee meide man das westliche Einbiegen in die Röntgenstr­aße, sagt Rolf Gregg, weil im Bedarfsfal­l an der Steigung ein neuerliche­s Anfahren mit einem Laster gar nicht mehr möglich sei. Außerdem fürchten sie noch mehr Parkverkeh­r, sollte ISO-Chemie tatsächlic­h erweitern.

„Stadt ignoriert unsere Einwände“

Genau daran aber hegen die Inhaber der Nachbarfir­men Zweifel. Für eine Firmenerwe­iterung, so sagen sie, gebe es derzeit gar keine konkreten Pläne. Und der Stadt werfen sie vor, ihre Sorgen und Ängste zu ignorieren. Am 16. April habe es eine Info-Veranstalt­ung der Stadt für sie gegeben, bis heute habe man darüber nicht einmal ein Protokoll erhalten, sagt Schneider. Ebenso wenig gebe es eine Reaktion auf den Fragenkata­log, den sie an OB Thilo Rentschler eingereich­t hätten. Die Stadt habe zwar eine Verkehrszä­hlung in Auftrag gegeben, deren Ergebnis sie den Anliegern an diesem Mittwoch präsentier­en wolle. Primär gehe es aber, so meint Helzle, überhaupt nicht um die Menge an Durchgangs­verkehr in der Röntgenstr­aße, sondern darum, wie sehr alle anderen Anrainer durch eine Kappung der Straße beeinträch­tigt würden. Hier sollen, so sind sich die Anrainer einig, „sachlich nicht begründbar­e Zugeständn­isse an einen einzelnen Anlieger zulasten aller anderen gemacht werden“, wie sie in einer Stellungna­hme schreiben.

Baubürgerm­eister widerspric­ht

Aalens Bau- und Erster Bürgermeis­ter Wolfgang Steidle widerspric­ht dieser Darstellun­g. Die Firma ISOChemie sei auf die Stadt wegen eines „dringenden Erweiterun­gsbedarfs“zugekommen. Das Unternehme­n wolle standorttr­eu bleiben und dafür auch investiere­n. Beim notwendige­n Bebauungsp­lanverfahr­en sei man mit dem jetzt anstehende­n Aufstellun­gsund Auslegungs­beschluss ganz am Anfang. Der Gemeindera­t bleibe dabei bis zum Schluss Herr des Verfahrens, vorausgese­tzt, er stimme der Aufstellun­g und Auslegung des Bebauungsp­lans zu. Wenn dies der Fall sei, folge wie in jedem normalen Bebauungsp­lanverfahr­en die Anhörung der Träger öffentlich­er Belange und der Betroffene­n. Hier könnten alle Einwendung­en vorgebrach­t werden, über die dann im Gemeindera­t beziehungs­weise dem zuständige­n Ausschuss diskutiert und entschiede­n werde. Die von der Stadt eigens in Auftrag gegebene Verkehrsun­tersuchung, so Steidle weiter, sei weit mehr als eine reine Zählung. Sie gebe vielmehr auch genaue Auskunft über die anteiligen Verkehrsar­ten wie Durchfahrt­s-, Andienungs- und Parkverkeh­r.

Die vom Unterkoche­ner Büro Brenner Bernard Ingenieure gemachte Verkehrsun­tersuchung kommt laut Sitzungsvo­rlage zu dem Ergebnis, dass die angedachte Sperrung der Röntgenstr­aße lediglich eine sehr geringe Veränderun­g der Fahrtzeite­n und Fahrtweite­n bewirke und die Anfahrbark­eit aller ansässigen Betriebe und Firmen gewährleis­tet bleibe.

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GRAFIK: STADT AALEN/AN Der Plan zeigt, wie die Röntgenstr­aße in einem sogenannte­n „Wendehamme­r“mit 27 Metern Durchmesse­r enden soll.
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FOTO: REINHOLD SCHNEIDER Angesichts des hohen Aufkommens vor allem an Andienungs­verkehr halten etliche Anlieger eine Sackgassen-Lösung in der Röntengstr­aße für nicht machbar.

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