Hohe Strafen für illegales Autorennen
Lange war die Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen München und Zürich nur ein Konzept, jetzt schaufeln die Bagger
(sz) - Bis Mitte Oktober 2017 wäre das Vergehen nur eine Ordnungswidrigkeit gewesen. Am Mittwoch wurden in Augsburg zwei Männer, die sich am Tag nach Inkrafttreten des Gesetzes ein illegales Autorennen auf der B 17 geliefert hatten, zu Geldstrafen von 1500 und 2000 Euro verurteilt. Ihren Führerschein dürfen beide erst nach sieben Monaten neu beantragen.
- Vor dem Türkheimer Bahnhofsgebäude, dort, wo sonst die Regionalbahn zwischen Buchloe und Leutkirch einrollt, klafft ein riesiges, metertiefes Loch. Mittendrin steht ein Bagger, der immer mehr Erde abgräbt. Hier soll eine Unterführung entstehen. Wo die Fahrgäste bisher über die Gleise steigen mussten, wird künftig eine Rampe dafür sorgen, dass jeder Zug barrierefrei erreicht werden kann. Eigentlich ist die Unterführung aber nur ein Nebenprodukt.
„Die längste Baustelle Bayerns“, nennt die Bahn selbst das, woran hier gearbeitet wird. Die Strecke zwischen Buchloe und Leutkirch, später bis hinunter nach Lindau über Kißlegg und Hergatz, soll mit Oberleitungen ausgestattet und erneuert werden. Das geschieht im Rahmen der Elektrifizierung der Strecke zwischen den Metropolen München und Zürich – die Maßnahme soll die Fahrtzeit bis 2020 von rund viereinhalb auf dreieinhalb Stunden verkürzen. Ein Vorhaben, das schon 1972 erstmals angedacht war und jetzt mit der Abarbeitung aller Teilabschnitte Realität werden soll.
Der erste Spatenstich zur Teilstrecke Buchloe-Memmingen-Leutkirch erfolgte am 23. März, im September soll alles fertig sein. Bahnprojektleiter Matthias Neumaier zieht in Türkheim eine Halbzeitbilanz: „Mit dem Fortschritt der Bauarbeiten sind wir gut im Zeitplan.“Bisher seien 45 Kilometer neue Schienen verlegt worden, auf 50 Kilometer stünden neue Oberleitungsmasten, beispielsweise auf dem Abschnitt zwischen Aichstetten und Tannheim.
Am Türkheimer Bahnhof ist davon noch nicht viel zu sehen. Insgesamt ein halbes Dutzend Bagger brechen Gleisbett um Gleisbett auf, riesige Betonschwellen werden auf den alten Gleisen zwischengelagert. Während sie wiederverwendet werden, haben die alten Gleise ihre Schuldigkeit getan. Nach und nach sollen sie ersetzt werden, an ihre Stelle kommen „bogenschnelle“Gleise mit Neigetechnik, auf denen sich die Züge wie Motorradfahrer in die Kurve legen können. 160 statt wie bisher 100 Kilometer pro Stunde können die Züge auf diesen Schienen erreichen.
Solange daran gearbeitet wird, geht auf der Strecke selbst nichts. Fahrgäste aus Leutkirch, Kißlegg oder Wangen, die nach München oder Augsburg und zurück wollen, müssen noch bis September mit dem Schienenersatzverkehr vorliebnehmen. Überregionaler Verkehr wird über die Strecke Buchloe-KemptenLindau umgeleitet, die von den Bauarbeiten unberührt bleibt.
Während der Bahnsteig in Türkheim mit heruntergelassenen Fensterläden und verschlossenen Türen wie ein Geisterbahnhof wirkt, sind die Bushaltestellen davor umso besser besucht. Zwei Rentnerinnen warten auf den einfahrenden Bus Richtung Memmingen. „Der Ersatzverkehr funktioniert ganz gut bisher. Wir sind aber auch Rentnerinnen und haben viel Zeit“, sagt eine der beiden lachend, bevor sie in den Bus steigt. Ein junger Mann auf dem Weg zur Arbeit ist mit dem Ersatzverkehr auch zufrieden. „Es funktioniert schon, auch wenn es mit den Zügen mehr Möglichkeiten gab.“An die Adresse der Bahn richtet er aber auch tadelnde Worte: „Der Ausbau war längst überfällig. Es tut sich was, aber viel zu spät.“Dass die Bahn den geplanten Zeitraum bis 10. September 2018 einhalten kann, glaubt er nicht.
„Es sollte zu schaffen sein“, widerspricht Projektleiter Neumaier. Allerdings stehe man, was die tatsächlichen Baumaßnahmen angehe, auch nach der ersten Halbzeit noch eher am Anfang, gerade hier in Türkheim. „Ganz genau absehen kann man solche Dinge nie.“
Karl-Peter Naumann von der Fahrgastinitiative Pro-Bahn würde auf die Planungszeit ebenfalls „etwas drauflegen“. Insgesamt hält er den Schienenersatzverkehr für ein notwendiges Übel. „Es ist ja gut, dass sich endlich was tut. Bei solch einem Ausbau lässt es sich eben nicht verhindern, dass Strecken gesperrt werden.“Was ihn ärgert, ist vielmehr, dass der Streckenabschnitt zwischen Buchloe und Leutkirch auch künftig größtenteils eingleisig bleiben soll: „Der Ausbau ist minimalistisch. Eine Teilstrecke der Verbindung zwischen zwei solchen Metropolen auf einem Gleis laufen zu lassen, ist schon etwas merkwürdig.“Wenn auch Neuerungen wie die Neigetechnik eine gute Sache seien, „die Kapazitäten im schönen Allgäu bleiben knapp“.
Bahningenieur Neumaier hält auf der Baustelle dagegen: „Der Betrieb ist auch mit einem Gleis sicher abwickelbar.“Man erneuere nicht nur den Antrieb, sondern auch die Signalführung und die Gleise, wodurch schnellere Schaltungen und schnellerer Verkehr gewährleistet seien. Durch Maßnahmen wie die neue Gleisunterführung in Türkheim könnten Züge gleichzeitig aus zwei Richtungen sicher einfahren. „Auch das spart Zeit“, sagt Neumaier und blickt auf die vier abgetrennten Gleise in Türkheim, die bis zum Loch im Boden reichen. Bis die neue Technik im Einsatz ist, wird es aber noch dauern. Auch wenn die Arbeiten auf der Teilstrecke Buchloe-Leutkirch am 10. September planmäßig abgeschlossen sein sollten und auch der Abschnitt nach Hergatz-Lindau pünktlich am 12. November fertig wird: Elektrisch läuft der Betrieb erst Ende 2020.
Alle 70 Meter soll dann auf der gesamten Strecke zwischen München und Zürich ein Oberleitungsmast stehen. Zwischen München-Gestendorf und Lindau sind das rund 3560 Stück. Zwischen München und Geltendorf läuft der Betrieb jetzt schon elektrisch, zwischen Lindau und Zürich sind die Schweizer Kollegen zuständig.
Bis dahin gibt es aber noch viele „Hotspots wie Türkheim“, wie Projektleiter Matthias Neumaier sie nennt, zu bearbeiten. „Wir versuchen, so viel wie möglich gleichzeitig zu erledigen“, sagt er. Wenn das klappt, wird aus dem großen Loch am Türkheimer Bahnhof innerhalb der nächsten zwei Monate eine barrierefreie Unterführung – und der Schienenersatzverkehr ist dann vorerst Geschichte.
„Der Ausbau war längst überfällig. Es tut sich was, aber viel zu spät.“ Ein junger Mann am Bahnhof Türkheim über die neue Bahnstrecke