Warten auf den Erbschein
Nach der Notariatsreform gibt es einen Bearbeitungsstau im Amtsgericht.
- Seit Jahresbeginn gibt es in Baden-Württemberg keine staatlichen Amts- und Bezirksnotare mehr. Ihre Aufgaben in Nachlassund Betreuungssachen haben die Amtsgerichte übernommen (wir berichteten mehrfach). Doch die neue Aufgabenverteilung führt auch in Ellwangen zu einem Bearbeitungsstau. Wer einen Erbschein oder eine Testamentseröffnung beantragen will, muss Geduld haben und sich auf eine Wartezeit von vier bis fünf Monaten einstellen.
„Das Baby ist geboren, aber es liegt noch im Brutkasten“, beschreibt Günther Mangold, langjähriger Verwaltungsleiter am Ellwanger Amtsgericht, plastisch die aktuelle Situation ein halbes Jahr nach der größten Reform des baden-württembergischen Justizwesens.
Feuersichere Tresore für Testamente und Verträge
Günther Mangold hatte als „Eingliederungsmanager“die logistische Hauptlast der „Jahrhundertreform“zu schultern und alle Hände voll zu tun. Er musste den Umzug ganzer Aktenberge organisieren, Geschäftsverteilungsund Vertretungspläne erstellen, alte und neue Mitarbeiterinnen schulen. Die Stichtagsregelung – bis 31. Dezember mussten die alten notarielle Strukturen zuverlässig funktionieren, zum 1. Januar übernahm das Amtsgericht – bereitete ihm manche schlaflose Nacht.
„Die Logistik hat wider Erwarten gut funktioniert“, sagt er im Rückblick auf turbulente Tage um Weihnachten. An Urlaub dachte niemand. Bereits ab September wurde das Gebäude Sebastian-Merkle-Straße 8, in dem das Ellwanger Bezirksnotariat untergebracht war, aufwendig umgebaut. Im Erdgeschoss wurden zwei 800 Kilo schwere Tresore installiert, um Testamente und Verträge sicher und brandgeschützt zu verwahren: „Sie sind inzwischen randvoll“, sagt Mangold. Das gilt auch für meterlange Regale. Weil es in Neresheim und Lauchheim keine Notare mehr gibt, mussten die Akten nach Ellwangen gebracht werden.
800 laufende Aktenmeter bei den Nachlässen
„Allen war klar, dass ein reibungsloser Übergang trotz aller Anstrengungen utopisch sein würde“, erinnert sich Mangold. „Der Mehraufwand war horrend, und schon im vierten Quartal 2017 gab es Bearbeitungsrückstände.“Erschwerend kam hinzu, dass pünktlich zum 1. Januar mit der EDV-Software des Amtsgerichts gearbeitet werden musste. Es gab keine Schnittstelle: „Jede Akte musste neu erfasst oder nacherfasst werden.“Elf Vollzeit- und Teilzeitmitarbeiterinnen wühlten sich mühsam durch handgeschriebene Listen und Karteikarten, denn jeder Amtsnotar hatte sein eigenes System bei der Aktenverwaltung.
Das Landesjustizministerium habe den Notstand erkannt, den allzu optimistischen Personalschlüssel nachgebessert und zum 1. April drei zusätzliche Teilzeitkräfte bewilligt – mit Erfolg: „Bei den Betreuungssachen sind die Rückstände aufgearbeitet. Alle sind komplett erfasst“, so Mangold.
Im Nachlassbereich wird das noch einige Zeit dauern. Der umfasst 800 laufende Aktenmeter. Der Arbeitsaufwand, Testamente und Erbverträge zu erfassen, zu registrieren, sinnvoll zu sortieren und zu bearbeiten, sei ungleich größer als bei den Betreuungen, verrät Mangold. Und Ellwangen sei trotz allem eine Insel der Glückseligen: „Das Amtsgericht Schwäbisch Gmünd könnte drei Stellen besetzen und findet niemanden dafür.“Sowohl Mangold als auch Amtsgerichtsdirektor Norbert Strecker sind des Lobes voll: „Die Mitarbeiterinnen haben Ideen, bringen sich ein und sind hochmotiviert.“
Positiv sei auch, dass die Bevölkerung großes Verständnis für die Engpässe habe: „Es gibt keine massiven Beschwerden“, berichten Mangold und Norbert Strecker. Doch Strecker hadert nach wie vor damit, dass seinem Wunsch, die Abteilung Nachlassgericht des Amtsgerichts im ehemaligen Ellwanger Gefängnis anzusiedeln, nicht entsprochen wurde: „Das wäre wegen der kurzen Wege ideal gewesen.“
Die nächste Herausforderung für das Amtsgericht Ellwangen ist bereits in vollem Gange: Die geplante Einführung der elektronischen Gerichtsakte. Alte Computer wurden bereits abgeholt, neue Rechner und Bildschirme installiert (wir berichteten). Die elektronische Gerichtsakte soll die Arbeit einfacher und effizienter machen. Mit Fahrstuhl und Außenrollläden an den Fenstern soll das Gebäude außerdem ertüchtigt werden. Die Arbeiten, die in der Sebastian-Merkle-Straße 8 bis Ende September abgeschlossen sein sollen, gehen also am Schönen Graben weiter. Das Amtsgericht bittet ausdrücklich darum, von telefonischen Anfragen zum Bearbeitungsstand der Verfahren abzusehen. Weitere Infos unter www.amtsgerichtellwangen.de