Ipf- und Jagst-Zeitung

Schlechtes Versteck: Amphetamin steckt in Kaugummido­se

Polizei kontrollie­rt Festivalbe­sucher bei Crailsheim auf Drogen – Drei Führersche­ine werden direkt eingezogen

- Von Michael Häußler

- Kontrolle im Akkord, während die Sonne auf den Parkplatz der Arena Ilshofen (Landkreis Schwäbisch Hall) sticht. Während Schäferhun­d Quanto jault und sich durch den Inhalt eines Kleinbusse­s wühlt, muss ein Mann auf einer Linie entlanggeh­en. Linker Fuß mit der Hacke an die Spitze des rechten Fußes – und so weiter. Dazwischen durchsuche­n Polizisten mehrere Fahrzeuge. Da rollt schon das nächste Auto in die improvisie­rte Kontrollst­elle.

Doch auch ohne den fünfjährig­en Drogenspür­hund finden die Beamten in einem anderen Camper, wonach sie vermeintli­ch suchen. Eine Polizistin öffnet eine Kaugummido­se. Darin steckt ein kleines Tütchen mit Pulver. Für eine Anzeige reichen die 0,05 Gramm Amphetamin aus. Der junge Mann, der den Bus fuhr, wirkt nervös, sein Gesicht ist wie versteiner­t – erwischt, mit weitreiche­nden Folgen.

„An anderen Tagen wäre uns der sicher durchgeflu­tscht“, sagt einer der Beamten, während er mit Einweghand­schuhen eine Matratze aus dem Kleinbus räumt. Doch nicht an diesem Nachmittag. Das Polizeiprä­sidium Aalen kontrollie­rt das gesamte Wochenende an zwei Stellen zwischen Crailsheim und Schwäbisch Hall Besucher des Jungle-Beat-Festivals und deren Autos.

Großkontro­lle soll sich herumsprec­hen

Bereits zum sechsten Mal feiern rund 4500 Elektromus­ikfans bei Crailsheim. „In den vergangene­n Jahren hatten wir deswegen Probleme mit Drogen im Straßenver­kehr“, sagt Polizeiobe­rkommissar Alexander Feindt. Die Großkontro­llen über das gesamte Festivalwo­chenende sei eine Präventiva­ufgabe. „Wir wollen für Sicherheit sorgen. Die Leute sollen erst gar nicht zugedröhnt fahren“, sagt er weiter. Sie erhoffen sich rege Mund-zu-Mund-Propaganda.

Um das festzustel­len, müssen verhaltens­auffällige Fahrer erstmal in die Ilshofener Arena – um Wasser zu lassen. Ein Schnelltes­t gibt einen ersten Anhaltspun­kt. „Das ist freiwillig“, erklärt Feindt. Aber: Wer verweigert, muss nach Kirchberg zum Revier. Dort wartet ein Arzt für die schnelle Blutentnah­me. Dieser komme auch dann zum Einsatz, wenn der Schnelltes­t einen positiven Wert ausspuckt. Und da Pipi nicht so weh tut, weil man dafür für gewöhnlich keine Nadel braucht, gehen meist gut gelaunte Fahrer mit den Beamten in Richtung Halle. Schlechte Stimmung will größtentei­ls nicht aufkommen – die meisten sind bereits im Wochenendu­nd Festivalmo­dus.

In dem wäre sicherlich auch der Besitzer der Kaugummido­se gern. Doch sein Tütchen mit dem Amphetamin ist weg – ihm bleibt nur die Standpauke eines Polizisten, der nebenbei mit seinen Kollegen den gesamten Bus ausräumt. Die Zeit, seinen Ärger auszudrück­en, nimmt er sich. Vor allem, nachdem der Mann seinen Beruf erwähnt: Erzieher. „Das geht überhaupt nicht. Und so jemand betreut unsere Kinder“, schimpft er. „Ich sage nichts dazu“, erwidert der Mann, sein Gesicht bleibt ausdrucksl­os.

Fahrer werden auf Drogenkons­um getestet

Genauso wie sein Schnelldro­gentest. Der Erzieher ist sauber und kann weiter. „Wir kontrollie­ren nur die Fahrer. Der Konsum ist in Deutschlan­d nicht verboten, nur der Besitz“, so Polizeiobe­rkommissar Feindt. Und natürlich das Fahren unter Einfluss von Drogen oder Alkohol. Beifahrer bleiben von Urinkontro­lle oder Blutentnah­me verschont. Doch auch ein negativer Test muss nicht folgenlos bleiben. Drei Führersche­ine wurden direkt eingezogen. 82 Anzeigen gehen raus, davon 45 wegen Besitzes von Betäubungs­mitteln. 31 Fahrer werden zudem angezeigt, weil sie unter Drogeneinf­luss Auto gefahren sind.

Auf den Erzieher wartet ebenfalls eine Strafanzei­ge. „Er könnte sogar ein Berufsverb­ot bekommen“, sagt Polizeiobe­rmeister Hannes Schwab. Das allerdings entscheide die Staatsanwa­ltschaft. In seinem Fall gehe es darum, dass er mit Kindern und Jugendlich­en arbeite. Im Fall einer Gruppe aus England kommt ein anderer Umstand zum Tragen.

Eigentlich sogar mehrere. Zum einen riecht der gesamte tiefer gelegte Kleinbus nach Marihuana. Zum anderen haben die Insassen keinen Wohnsitz in Deutschlan­d. Es soll ihr Glück sein. Rund fünf Gramm Cannabis finden die Beamten – allerdings mit Hilfe. Zwar nehmen die Polizisten den gesamten Bus auseinande­r, das Mariuhana händigt ihnen einer aus der Gruppe aber freiwillig aus. Und mit ihm zwei sogenannte Crusher: Mühlen, um die Blüten zu zerkleiner­n.

Dann ist der ungestüme Schäferhun­d Quanto nochmal dran. Er springt durch die offene Luke des Busses – raus, rein, hin und her. Der Hundeführe­r muss ihn immer wieder an noch zu beschnüffe­lnde Stellen führen. Vor dem Fahrzeug haben die Polizeibea­mten allen Inhalt großzügig ausgebreit­et. Da darf Quanto jetzt auch noch durch. Mit seiner in einem Maulkorb steckenden Schnauze wühlt er sich durch Taschen und Klamotten. Dann schlägt er Alarm.

Bekiffte Gruppe beobachtet Durchsuchu­ng entspannt

„Durchsuch’ den Rucksack lieber nochmals gründlich“, sagt einer der Polizisten zu einem Kollegen. „Sicher ist sicher.“Doch drin ist nichts mehr – zumindest nichts von Interesse. Seine Nase, sie hat den Spürhund nicht betrogen. Im Rucksack waren die Blüten, die bereits einen Bus weitergewa­ndert sind. „Die Drogen kommen zum Landeskrim­inalamt nach Stuttgart“, erzählt Schwab. Zur zentralen Rauschgift­lagerung.

Entspannt beobachten die Engländer im Kreis sitzend ihren Bus, die verstreute­n Sachen und den sich hindurchpf­lügenden Quanto. Der Fahrer ist nüchtern. Die Gruppe kann einräumen. „Der Staatsanwa­lt muss jetzt entscheide­n, was hier noch passiert“, sagt Schwab. Dieser könne sofort eine Geldstrafe verhängen – weil die Insassen keine deutsche Adresse haben – oder einstellen. Letzteres sei eher wahrschein­lich. „Das ist zumindest die Erfahrung“, so der Polizist. Ärgerlich? „Die Entscheidu­ng trifft die Justiz.“Schlimmer wäre es, wie er sagt, wenn einer von ihnen gefahren wäre.

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FOTOS: MICHAEL HÄUSSLER Der fünfjährig­e Schäferhun­d Quanto geht energisch durch die Gepäckstüc­ke der Festivalbe­sucher. Ein Maulkorb verhindert, dass er vor lauter Tatendrang das Eigentum der Reisenden zerbeißt. Bei einem Rucksack schlägt er Alarm.
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Für eine Gruppe aus England geht die Reise ohne Cannabis weiter.

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