Salvinis Intrige gegen Asselborn
Der Eklat bei der EU-Innenministerkonferenz zum Thema Migration letzten Freitag in Wien ist kein Ruhmesblatt für die österreichische Vorsitzführung. Sowohl die Nachrichtenagentur AFP als auch Spiegel Online berichteten am Wochenende über einen schwerer Vertrauensbruch, der einmalig in der Geschichte der EU wäre: Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn vermutet, dass er von Italiens Innenminister Matteo Salvini, dem Chef der rechtspopulistischen Lega, gezielt in eine Falle gelockt wurde. Dafür spricht, dass Salvini von Mitarbitern den stürmischen Verlauf der Sitzung filmen ließ und später auf Facebook und Twitter veröffentlichte.
Streit über „neue Sklaven“
Während Asselborn der Ansicht sei, Migration sei für das überalterte Europa aus demografischen Gründen nötig, unterstütze seine Regierung junge Italiener dabei, wieder mehr Kinder zu bekommen, sagt Salvini in dem Video. Dies sei besser, als „neue Sklaven“nach Europa zu holen. „Das geht zu weit“, empört sich Asselborn. Der Lega-Chef spricht unbeeindruckt weiter: „Wenn Sie in Luxemburg mehr Migration brauchen – ich für meinen Teil bevorzuge es, Italien den Italienern vorzubehalten.“Danach unterbricht Asselborn den Italiener mit scharfen Worten: „In Luxemburg haben wir zehntausende Italiener, mein Herr!“Sie seien auf der Suche nach Arbeit gekommen, „damit Sie in Italien Geld für Ihre Kinder haben“, sagt Asselborn – und fügt ein „Sch... noch mal“hinzu.
Laut Spiegel Online sagte Asselborn am Samstag dazu: Als Salvini in Wien von „neuen Sklaven“gesprochen habe, habe es ihm gereicht. „Alle anderen haben betreten zu Boden geschaut, aber ich konnte das einfach nicht so stehen lassen.“Er stehe zu allem, was er gesagt habe. Asselborn warf Salvini vor, „die Methoden und Töne der Faschisten der 30er Jahre“zu verwenden. Hinter der Veröffentlichung des Videos vermute er eine „kalkulierte Provokation“. Nun ist es keine Seltenheit, dass es bei EU-Treffen ordentlich kracht. Neu hingegen ist, dass ein teilnehmender Minister den Verlauf mitfilmen lässt, um einen unliebsamen Kollegen öffentlich zu blamieren.
Das eigentliche Motiv für Salvinis mutmaßliche Intrige sei eine Altlast aus der Zeit seines Vorgängers Umberto Bossi, berichten italienische Medien. Demnach habe der Ex-LegaChef 49 Millionen Euro an öffentlichen Zuschüssen abgezweigt und illegal ins Ausland verschoben. Vor wenigen Tagen bestätigte ein Höchstgericht ein Urteil, wonach die Lega das Geld an den Staat zurückzahlen müsse. Die Behörden in Luxemburg, wo ein Teil des Geldes vermutet wird, waren bei der Aufklärung behilflich. Dass Salvini dem Luxemburger Asselborn nun verächtlich vorwarf, er sei „Repräsentant eines Steuerparadieses“, entbehrt nicht einer gewissen Komik.
Kanzler Kurz schweigt zum Eklat
Bezeichnend ist das Verhalten der österreichischen Regierung, die derzeit den EU-Vorsitz innehat. Ein Sprecher wies darauf hin, dass Asselborn mit seiner Eigenart, Redner ständig zu unterbrechen, den Eklat selber herbeigeführt habe. Die Erklärung ist einfach: Die Hälfte der Wiener Koalition, die rechtspopulistische FPÖ, sieht sich mit Salvini im gleichen Lager. Auch Österreichs konservativer Kanzler Sebastian Kurz tendiert, ungeachtet seiner neutralen Position als derzeitiger EU-Ratsvorsitzender, zur Abschottungspolitik. Doch der Eklat wirft die Frage auf, ob Österreich in der Lage ist, vertrauliche Informationen aus Ratssitzungen zu schützen. Kurz schweigt dazu, wie immer in heiklen Fällen. Sein Sprecher verschanzt sich hinter der Floskel, für informelle Sitzungen gebe die EU keine Regeln vor.