Dieser BVB macht selbst dem Gegner Spaß
Wieso Atlético Madrids Trainer Diego Simeone nach einer 0:4-Klatsche Dortmund huldigt
(SID/dpa) - Den ausgelassenen Jubeltanz seiner Spieler vor der Südtribüne betrachtete Lucien Favre noch aus sicherer Entfernung. Doch nach der nächsten Gala seiner jungen Mannschaft gegen Atlético Madrid verfiel selbst der sonst so zurückhaltende Trainer in Euphorie. „Sie sind einfach gut. Sie spüren den Fußball“, lobte Borussia Dortmunds Coach seine Spieler nach dem 4:0 (1:0) gegen die Defensiv-Künstler des amtierenden Europa-LeagueSiegers. „Wir haben heute eine große Mannschaft geschlagen, das ist schon etwas“, sagte Favre.
Auch der gegnerische Trainer Diego Simeone war mächtig beeindruckt und zollte dem aufstrebenden Revierclub Respekt: „Die Dortmunder sind in einer tollen Phase, auf einem wunderbaren Weg. Hoffentlich können sie so weiterspielen, denn es macht Spaß, ihnen zuzusehen.“
Mario Götze brilliert
Und wie! Das im Vorfeld zur Reifeprüfung ausgerufene Spiel geriet zur Sternstunde. Zwar leistete der Champions-League-Finalist von 2014 und 2016 und amtierende Europa-League-Sieger bis zur 70. Minute erbitterte Gegenwehr, war der Dortmunder Angriffspower am Ende aber nicht gewachsen. „Besser hätten wir uns das nicht vorstellen können. Den Schwung wollen wir nun mitnehmen“, kommentierte der überraschend als Mittelstürmer eingesetzte – und nach schweren Monaten in allen Belangen brillierende – Mario Götze.
Sechs Siege mit 26 erzielten Toren in Serie, in zwölf Pflichtspielen immer noch ungeschlagen, in der Champions League mit neun Punkten und 8:0 Toren mit einer makellosen Bilanz – angesichts dieser beeindruckenden Zahlen und des bezaubernden Offensiv-Fußballs scheint Borussia Dortmund wieder auf dem besten Weg, zur Attraktion zu werden.
Der bärenstarke Mittelfeldspieler Axel Witsel, der dem Spiel immer mehr Struktur gibt, sprach von einer „großartigen Nacht“, Kapitän Marco Reus fand es einfach nur „sensationell“und „unfassbar“. Mit Ausnahme einer 20-minütigen Schwächephase zu Beginn der zweiten Halbzeit hatte der BVB Atlético um den völlig abgemeldeten Topstar Antoine Griezmann jederzeit im Griff, zudem lief die eigene Tormaschine wieder auf Hochtouren. Witsel (38.) sowie die eingewechselten Raphael Guerreiro (73., 89.) und Jadon Sancho (83.) besiegelten Atléticos höchste Niederlage im 391. Spiel unter Simeone.
Angesichts von acht Punkten Vorsprung auf Brügge und Monaco kann der BVB, der in dieser Saison bereits 16 Joker-Tore erzielt hat, bereits für das Achtelfinale planen. Mit einem weiteren Sieg im Rückspiel in Madrid (6. November) wäre das Ticket für die K.-o.-Phase vorzeitig gebucht. „Wenn wir das heute als Gradmesser nehmen, haben wir sicher noch ein bisschen was vor uns“, sagte Sebastian Kehl, der Leiter der Lizenzspielerabteilung.
In Dortmund fühlt man sich bereits an die goldenen Jahre der Ära Jürgen Klopp erinnert, doch trotz des enormen Selbstvertrauens hebt niemand ab. Es gebe keinen Grund, „auf die Jubelarien hereinzufallen“, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Das beherzigen auch die Profis. „Jetzt ist es ein Rausch. Aber diese Phase wird nicht die ganze Saison anhalten, da bin ich mir sicher“, sagte Reus. Mario Götze wies darauf hin, „dass wir in den entscheidenden Momenten das notwendige Quäntchen Glück haben“.
Doch immer Glück ist kein Zufall. Der BVB verschmilzt immer mehr zu einer Einheit. Defensiv kompakt, offensiv variabel – die Handschrift Favres wird immer deutlicher erkennbar. „Wir verstehen mehr und mehr, was der Trainer von uns verlangt“, sagte Reus.