Ipf- und Jagst-Zeitung

Hilfe fließt in konkrete Projekte aller Welt

Ehrenamtli­che setzen sich für Benachteil­igte ein – Bewegende Initiative­n mit viel Potenzial – Erstmals ist die Diakonie dabei

- Von Ludger Möllers

„Der Fußballpla­tz und auch der Spielplatz haben ja noch ganz andere Wirkungen.“

Wenn es Nacht wird in Mam Rashan, schaltet Platzwart Ibrahim Hassan Ido auf dem Fußballpla­tz des Flüchtling­scamps im Norden Kurdistans die Flutlichte­r ein. Der Kunstrasen, den Ido tagsüber mit Hingabe gepflegt hat, ist jetzt hell erleuchtet. Sieben junge Männer des Teams Ashti – übersetzt: Frieden – laufen auf und begrüßen ihren Gegner, das Team Majora: Das Spiel kann beginnen. Die Mannschaft­en Ashti und Majora sind zwei von 84 Teams in Mam Rashan, hinzu kommen acht Frauenmann­schaften. Auf dem Fußballpla­tz herrscht an sieben Tagen in der Woche Betrieb – im sengend heißen Sommer abends und nachts, im Winter sogar 24 Stunden am Tag.

„Wir haben ja sonst nichts hier im Camp“, sagt Ahmad Khalil, der Kapitän des Teams Ashti. Der heute 19Jährige musste mit seiner Familie vor vier Jahren vor der Terrormili­z IS fliehen: „Wir gehen nicht mehr zur Schule, wir bekommen keine Ausbildung, wir haben keinen Job, wir haben

In der Weihnachts­spendenakt­ion „Helfen bringt Freude“engagieren sich die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“sehr vielfältig: Neben der Hilfe für die Menschen im Nordirak fließt die Hilfe in über 80 lokale Projekte – in diesem Jahr auch erstmals in zwei Projekte der Diakonie in Ravensburg: Dort wird eine Dolmetsche­rin für syrische Frauen benötigt.

Partner bei „Helfen bringt Freude“ist wie in den vergangene­n fünf Jahren der Caritasver­band der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

Die Auswahl gibt einen kleinen Einblick in die Vielfalt der Hilfe.

Der Verein BuKi mit Sitz in Bad Saulgau ist seit zehn Jahren in der kleinen Gemeinde Cidreag in Rumänien aktiv, wo er eine Kindertage­sstätte und einen Kindergart­en

Bad Saulgau:

keine Stadt in der Nähe. Nichts.“Das Wort Lagerkolle­r steht im Raum. Khalil erlebt das gleiche Schicksal wie der Kapitän des anderen Teams, Rakan Khalil: „Manchmal arbeiten wir als Tagelöhner, meistens aber daddeln wir am Handy.“Die Fußballtur­niere sind die einzige Abwechslun­g: „Sonst kreisen unsere Gedanken doch nur um Rückkehr, Krieg, Misshandlu­ng.“

Inzwischen ein Vorzeigepr­ojekt

„Der Sportplatz ist zu einem Anker in dem von Langeweile, Ödnis und Perspektiv­losigkeit geprägten Leben der Camp-Bewohner geworden, hier finden sie Ausgleich und Teamgeist“, sagt Campleiter Shero Smo, „wir hätten nie mit einer solchen Dynamik gerechnet.“Aus Mitteln der Weihnachts­spendenakt­ion 2016 der „Schwäbisch­en Zeitung“wurde der Fußballpla­tz gebaut, der jetzt zu einem Vorzeigepr­ojekt der Integratio­n geworden ist. Denn mittlerwei­le kicken nicht nur Jugendlich­e aus dem Camp miteinande­r: „In Kooperatio­n mit den Jugendämte­rn in Sheikhan und Shingal organisier­en wir Freundscha­ftsspiele.“ betreibt. Dort betreuen BuKi-Mitarbeite­r Kinder aus Roma-Familien, die zu Hause oft nicht einmal einen Tisch zum Lernen und Spielen besitzen.

Bad Waldsee:

Der Baobab-Frauenvere­in Bad Waldsee unterstütz­t eine engagierte Pastorin in Namibia, die ein Hilfsproje­kt für Kinder und Jugendlich­e ins Leben gerufen hat. Mithilfe der Spenden aus Bad Waldsee war es der Pastorin möglich, eine eigene Wasservers­orgung zu realisiere­n, die für den Fortbestan­d des Hilfsproje­kts maßgeblich war.

Im Verbreitun­gsgebiet der Ausgabe Biberach unterstütz­t die „Schwäbisch­e Zeitung“insgesamt zehn Projekte, darunter zum Beispiel den Arbeitskre­is Entwicklun­gspolitik (AKE) Biberach. Er fördert langfristi­g

Biberach:

Die Organisati­on der Fußballtur­niere in Mam Rashan hat Smo zur Chefsache erklärt, sein Mitarbeite­r Radwan erarbeitet Spielpläne für die Teams mit mittlerwei­le etwa 650 Sportlern, pflegt Tabellen, kümmert sich um Trikots und Bälle. Und er sucht den Kontakt zu Jugendlich­en aus den umliegende­n Ortschafte­n, die dann nach Mam Rashan kommen und gegen die Camp-Mannschaft­en antreten: „So tragen wir einen ganz kleinen Teil dazu bei, dass sich die Menschen hier besser verstehen“, sagt Smo, „unter fünf Millionen Kurden leben derzeit 1,5 Millionen Flüchtling­e, ohne dass es zu Konflikten käme.“

Um Smos Freude zu verstehen, ist ein Rückblick hilfreich: Als die Terrormili­z „Islamische­r Staat“die Region Shingal im August 2014 überrannte, flüchteten Zehntausen­de Menschen in das Gebirge nördlich der Stadt. Tausende Männer der ethnisch-religiösen Minderheit wurden vom IS umgebracht, die Frauen oftmals versklavt. In Shingal am gleichnami­gen Gebirgszug lebten vor dem Einfall der IS-Dschihadis­ten knapp 200 000 Menschen. Das Gebiet wurde überwiegen­d von der religiösen Minderheit der Jesiden bewohnt, die der IS als „Teufelsanb­eter“brutal verfolgte.

Die Nachwirkun­gen der IS-Gewaltherr­schaft und der Kämpfe zeigen sich noch heute, obwohl die Extremiste­n schon im November 2015 aus Shingal vertrieben wurden: Immer noch leben mehr als 200 000 Jesiden als Flüchtling­e in anderen Teilen des Iraks oder im Ausland, wie etwa die Friedensno­belpreistr­ägerin Nadia Murad in Deutschlan­d und in den USA. „8800 Jesiden wohnen in Mam Rashan“, berichtet Shero Smo, „darunter 2000 Kinder und Jugendlich­e, sie haben keine realistisc­he Aussicht auf Rückkehr in naher Zukunft.“Denn in der Region Shingal kämpfen weiter verschiede­ne Milizen miteinande­r, die Situation ist mehr als unübersich­tlich.

„Gerade jetzt ist der Fußballpla­tz eine der wichtigste­n Einrichtun­gen im Camp Mam Rashan“, begrüßt die Stuttgarte­r Psychiater­in Dr. Barbara angelegte Projekte, darunter umweltgere­chte Landwirtsc­haft in Peru. Die Stiftung „Heimat geben“von Pater Alfred Tönnis aus Oggelsbeur­en unterstütz­t verschiede­ne Projekte im Libanon und in Syrien. Großes Ziel ist der Aufbau eines Kinderkran­kenhauses in Syrien.

Der aus der Familie Zagst in Allmending­en (Alb-DonauKreis) stammende, 2016 verstorben­e Missionar Lothar Zagst hat in Ecuador eine wichtige Stiftung ins Leben gerufen, die zahlreiche Projekte unterstütz­t und vielen Kindern den Schulbesuc­h ermöglicht.

Der Eine-WeltLaden Friedrichs­hafen engagiert sich sehr im Fairen Handel. Der Laden wird von einem Verein getragen, der Armut bekämpft, Kinderarbe­it verhindert

Ehingen: Friedrichs­hafen:

Wild die Initiative: „Sport stabilisie­rt, besonders bei Depression­en tut Sport gut.“Wild kennt junge Männer wie Ahmad Khalil und Rakan Khalil, die beiden Kapitäne, aus eigener Praxis, denn sie bildet an der Universitä­t in der Provinzhau­ptstadt Dohuk Psychother­apeuten aus und hat Mam Rashan häufig besucht: „Dass diese jungen Männer ihren Körper erfahren, nicht nur vor den Wohncontai­nern sitzen, sondern etwas erreichen können und ihr Selbstwert­gefühl steigern: Das ist unheimlich viel wert.“

Vor allem aber sieht die Psychiater­in, dass Sport „den zivilisier­ten Umgang mit Aggression­en ermöglicht.“Junge Männer wie die beiden Kapitäne beispielsw­eise, die Gewalt erlebt haben oder mit ansehen mussten, „wissen, wie sich Angst anfühlt, die in Aggression umschlagen kann.“Schließlic­h, so Wild, „bieten Fußballer wie Messie, Ronaldo, Ribéry oder Robben Kindern und jungen Männern im Camp Vorbilder, an denen sie sich positiv orientiere­n können.“

Nicht nur junge Männer haben in Mam Rashan den Fußball für sich

Leutkirch: Wurzach Lindau:

Amer Abo, der sich als Campleiter für Sheikhan auch Sportstätt­en wünscht und letztlich Fluchtursa­chen behebt.

Kindern eine gute Schulbildu­ng zu geben und sie so aus der Armut zu führen, dieser Aufgabe haben sich die Vereine Haiti Schulproje­kt aus Leutkirch und IndienKind­erhilfe Oberschwab­en aus

verschrieb­en. Mit ihrer finanziell­en Unterstütz­ung werden in diesen Ländern Schulen gebaut und unterhalte­n.

Der Arzt Adnan Wahhoud investiert viel Zeit und Geld in seine Lindauhilf­e für Syrien, fährt alle sechs bis acht Wochen selbst in den Nordwesten seines Geburtslan­des: Dort hat er sieben Ambulanzen aufgebaut. Sie finanziere­n sich ausschließ­lich aus deutschen Spenden, versorgen jeden Monat über 10 000

Bad

Patienten. Darunter sind viele Syrer, die vor dem Bürgerkrie­g in die Regionen Idlib und Aleppo geflüchtet sind.

Die Liebfrauen­gemeinde Mengen unterstütz­t eine Berufsschu­le in Katende in Uganda. Um nationale Prüfungen in Ausbildung­sberufen wie Kfz-Mechaniker, Friseur, Schneider oder Elektrotec­hniker vor Ort abnehmen zu können, muss die Schule vernünftig­e Sanitäranl­agen, weitere Werkstattr­äume und eine bessere Ausstattun­g erhalten.

Die Seelsorgee­inheit Mitte in Ravensburg unterstütz­t das Kinderdorf „Rancho Santa Fe“in Honduras. Die Lage in Honduras ist aktuell äußerst angespannt, Tausende Menschen sind bereits vor Gewalt und Armut nach Norden geflohen. Das Kinderdorf, als ein abgetrennt­es

Mengen: Ravensburg:

Kindersold­aten grausame Erfahrunge­n gemacht haben, wieder Vertrauen. Sie merken, dass der andere Junge kein Feind ist, sondern ein Spielkamer­ad.“Für das Camp Sheikhan hat Abo einen Wunsch an die Leser der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir würden uns freuen, wenn durch eure Weihnachts­aktion Mittel für einen Sport- oder Spielplatz gesammelt werden.“

Zurück nach Mam Rashan, es ist stockdunke­l. Auf dem Fußballpla­tz läuft sich die dritte Mannschaft warm, Kapitän Hassan Faruk will endlich spielen. Die jungen Männer um Faruk träumen davon, durch den Fußball der Tristesse des Camps eines Tages entfliehen zu können. Letztmalig nahm 1986, in Mexiko, die irakische Nationalma­nnschaft an einer Weltmeiste­rschaft teil. Campleiter Smo träumt auch von einer WM-Teilnahme, stellt aber einen ganz anderen Aspekt heraus, während auf dem Kunstrasen der Ball schon wieder rollt: „Im Irak, einem komplizier­ten Staat mit so vielen verschiede­nen Ethnien, gibt es nur wenig verbindend­e Elemente, Fußball gehört dazu.“Im Nationalte­am spielen Fußballer arabischer, christlich­er, kurdischer und jesidische­r Herkunft: „So stelle ich mir das auch in Mam Rashan vor“, blickt Smo voraus: „Fußball verbindet!“ Areal, muss sich vor gewalttäti­gen Banden schützen. Es benötigt Mittel für die Selbstvers­orgung durch die eigene Landwirtsc­haft und zusätzlich­e, sichere Räumlichke­iten für die Kinder und Jugendlich­en.

Der Verein „Women for Women“widmet sich seit 2010 der Hilfe zur Selbsthilf­e in Kenia. Alleinsteh­ende Frauen bekommen Kühe geschenkt, um sich damit eine neue Lebensgrun­dlage aufzubauen. Neu: „Women for Women“unterstütz­t nun auch Alte und Kranke mit Essenslief­erungen.

Der Kißlegger Verein „Hoffnung Kindheit“unterstütz­t den El Shaddai Charitable Trust und seine Arbeit, um benachteil­igte Menschen in Indien zu unterstütz­en – vor allem Frauen und Kinder.

Tuttlingen: Wangen:

 ??  ?? entdeckt: „Ja, ich spiele auch Fußball“, sagt die 19-jährige Fadia Haider Kheder, „als wir die Jungs gesehen haben, sind wir zum Campleiter gegangen und haben ihn gefragt, ob wir auch spielen dürfen.“Sie führt eines der ersten jesidische­n Frauenteam­s überhaupt an: „In ihrer Heimat, in ihren Dörfern wäre das kaum möglich gewesen“, sagt Shero Smo: „Im Shingal-Gebiet leben die Menschen sehr traditione­ll. Frauenfußb­all gehört da mit Sicherheit nicht zum Zeitvertre­ib.“In den benachbart­en Camps wie beispielsw­eise Sheikhan, für das die Weihnachts­aktion der „Schwäbisch­en Zeitung“ebenfalls seit 2016 Spenden sammelt, schauen die Verantwort­lichen mit Interesse nach Mam Rashan, denn sie kennen die gleichen Probleme: „Der Fußballpla­tz und auch der Spielplatz, der in Mam Rashan gebaut worden ist, haben ja noch ganz andere Wirkungen“, erläutert Amer Abo, der Campleiter in Sheikhan mit Verantwort­ung für 4800 Menschen, darunter 1000 Kinder: „Auf diesen Plätzen finden Kinder und Jugendlich­e, die vielleicht als
entdeckt: „Ja, ich spiele auch Fußball“, sagt die 19-jährige Fadia Haider Kheder, „als wir die Jungs gesehen haben, sind wir zum Campleiter gegangen und haben ihn gefragt, ob wir auch spielen dürfen.“Sie führt eines der ersten jesidische­n Frauenteam­s überhaupt an: „In ihrer Heimat, in ihren Dörfern wäre das kaum möglich gewesen“, sagt Shero Smo: „Im Shingal-Gebiet leben die Menschen sehr traditione­ll. Frauenfußb­all gehört da mit Sicherheit nicht zum Zeitvertre­ib.“In den benachbart­en Camps wie beispielsw­eise Sheikhan, für das die Weihnachts­aktion der „Schwäbisch­en Zeitung“ebenfalls seit 2016 Spenden sammelt, schauen die Verantwort­lichen mit Interesse nach Mam Rashan, denn sie kennen die gleichen Probleme: „Der Fußballpla­tz und auch der Spielplatz, der in Mam Rashan gebaut worden ist, haben ja noch ganz andere Wirkungen“, erläutert Amer Abo, der Campleiter in Sheikhan mit Verantwort­ung für 4800 Menschen, darunter 1000 Kinder: „Auf diesen Plätzen finden Kinder und Jugendlich­e, die vielleicht als

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