Rückkehr per Video
Die Sparkasse Bodensee schickt ihre Bankberater künftig mit Fernsehschalten in entfernte Filialen
Kleine Orte sind vom Filialsterben bei Banken und Sparkassen besonders betroffen. In sieben Filialen der Sparkasse Bodensee kehren die Kundenberater nun wieder zurück. Nicht persönlich, aber per Videokonferenz. Für kleine Orte könnte das die Antwort auf das Filialsterben sein – vorausgesetzt, die Kunden nehmen den Service an.
Autofahrer sehen das große, rote Sparkassenschild auf der Hauptstraße des Konstanzer Vororts Litzelstetten sofort. Die Filiale ist noch da. Doch der Schalterraum ist verschlossen. Überweisungen ausführen oder Daueraufträge ändern konnten die Kunden nur noch am Automaten. „Gerade ältere Menschen waren traurig, als die Filiale vor rund zwei Jahren geschlossen wurde“, sagt Heidi Geigges. Die Busfahrt bis zur nächsten Filiale nach Allmannsdorf sei für viele zu aufwendig gewesen. „Viele sind ja gehbehindert.“
Heidi Geigges weiß, wovon sie spricht. Bis vor einiger Zeit hat sie in einer Senioren Wohngruppe um die Ecke der Sparkasse gearbeitet. Jetzt ist sie eine der ersten Kundinnen, die sich die Live-Box ansehen. Mit Computern habe sie es nicht so. Doch die Bedienung der Live-Box meistert sie ohne Probleme. Kein Gefummel nach der Scheckkarte, keine Geheimzahl. Einfach nur den Knopf auf dem großen, schwarzen Display drücken und die Verbindung wird aufgebaut.
Nach ein paar Sekunden taucht ein freundliches Gesicht auf dem großen Bildschirm vor ihr auf. Es ist die Kundenberaterin Jasmin Speidel aus Friedrichshafen. Die beiden Frauen unterhalten sich kurz. Heidi Geigges ist zufrieden. „Hier können die älteren Leute hingehen, wenn sie mal Probleme haben“, sagt sie nach der Videoübertragung.
Christoph Müller, Vorstandsmitglied der Sparkasse Bodensee, und Ortsvorsteher Wolfgang Gensle sind erleichtert. Gespannt haben sie der Kundin am Mittwochnachmittag über die Schulter geschaut. Dann fragen sie die Beraterin, wie es am Morgen gelaufen ist. „Alles hat super geklappt“, berichtet Jasmin Speidel. Vor allem ältere Kunden seien vorbeigekommen. Probleme hatte niemand.
Schauspielunterricht für Banker
Die Situation ist auch für die Beraterinnen neu. Dass man den Kunden nicht persönlich gegenübersitzt, sei aber kein Problem. „Wir wurden ja extra geschult“, sagt Speidel. Mimik, Gestik, Blickkontakt – damit alles natürlich wirkt, hatten die Beraterinnen schon Wochen vorher Schauspielunterricht. Die Übertragungsqualität ist verblüffend und hat so gar nichts mit den wackeligen Videomindest konferenzen am Computer gemein. Dass Kunden ihre Bankgeschäfte per Videokonferenz erledigen können, ist nicht neu. Auch die Sparkasse bietet diesen Service an. Neu ist, dass in der Live-Box auch Serviceberatungen erledigt werden können, also Tätigkeiten, die man normalerweise am Bankschalter macht.
Denn anders als bei der Videoberatung von zu Hause oder aus dem Büro können in der Live-Box auch Unterlagen, Ausweise oder Rechnungen bearbeitet werden. Statt sie dem Berater über den Tresen zu schieben, werden sie einfach von einer Kamera eingelesen. „Das geht bei der Videoberatung nicht“, erklärt Müller.
Karte vergessen? Auch das ist kein Problem. Mit ein paar persönlichen Angaben können sich die Kunden zu- weich legitimieren, wie es im Sparkassensprech so schön heißt. Ganz ähnlich wie beim Telefonbanking, erklärt Müller. „Das ist so einfach, das würde sogar meine 72-jährige Mutter machen.“
Einziger Nachteil der Live-Box: Sie zahlt kein Geld aus. Abheben müssen die Kunden nach wie vor am Automaten. Doch damit habe heute kaum jemand mehr Schwierigkeiten, glaubt Müller. Überweisungen seien dagegen nicht jedermanns Sache. Wie auf Bestellung steht gerade ein genervter Kunde an dem Automaten. Fluchend beschwert er sich, was seiner Meinung nach alles nicht funktioniert.
In Zukunft kann der Mann seine Überweisungen bequem in der LiveBox einlesen lassen. Das Gerät hat aber noch einen entscheidenden Vorteil: „Sie haben einen Menschen, den sie alles fragen können. Nur dass er nicht hinterm Schalter sitzt, sondern in Friedrichshafen“, sagt Müller. „Wir haben keine Berater in Rumänien. Das sind alles unsere Mitarbeiter hier. Die sprechen alle Schwäbisch.“Hochdeutsch und Englisch geht natürlich auch. Und im Notfall können die Mitarbeiter erklären, wie der Geldautomat funktioniert.
„Unser Team besteht aus fünf Mädels“, erzählt Kundenberaterin Sina Braun. Ein spezieller Dienstplan sorge dafür, dass montags bis freitags jeweils von acht bis 20 Uhr zwei Videoplätze in Friedrichshafen besetzt sind. „Das ist mehr als wenn sie noch eine Ein-Mann-Filiale hätten“, sagt Müller. Mit weiteren Live-Boxen sollen dann nach Bedarf auch die Beratungsplätze in Friedrichshafen aufgestockt werden.
Die Sparkasse Bodensee übernimmt mit dem Angebot eine Vorreiterrolle. Vermutlich zählt sie deutschlandweit sogar zu den ersten Sparkassen mit diesem System. Zumindest wisse man von keiner anderen Filiale, die es hat, so Wolfgang Aich, Sprecher der Sparkasse Bodensee. Für Christoph Müller ist das Angebot ein echter Meilenstein. Nach dem Filialsterben der vergangenen Jahre kehrt der persönliche Berater wieder zurück – wenn auch nur auf dem Bildschirm.
Verändertes Kundenverhalten
Einer der Gründe für die Filialschließungen ist das veränderte Kundenverhalten. Viele Bankgeschäfte wie Daueraufträge, Adressänderungen, Überweisungen oder Kartenbeantragung erledigen Kunden heute am Telefon, im Internet oder über eine App per Handy. „Die meisten Kunden kommen daher nur noch einmal pro Jahr zum Beratungsgespräch in die Filiale“, sagt der Pressesprecher. Und selbst dafür brauche man die Filiale nicht unbedingt am Ort. Denn auf Wunsch kämen die Berater auch nach Hause. „Wenn am Vormittag dann nur noch drei Kunden in die Filiale kommen, trägt sich das nicht“, sagt Aich. „Die Kunden stimmen auch mit den Füßen ab.“
Die Bankenkrise hat die Entwicklung noch beschleunigt. Binnen fünf Jahren haben die Sparkassen in Baden-Württemberg fast 14 Prozent ihrer Filialen geschlossen. Auch bei den Volks- und Raiffeisenbanken geht die Zahl der Geschäftsstellen zurück. Die Sparkasse Bodensee hat 2014 elf Filialen in Selbstbedienungsstellen umgewandelt, weitere zusammengelegt und eine geschlossen, weil sie kaum mehr frequentiert wurden. 86 Stellen wurden in den vergangenen zwei Jahren abgebaut. Sozialverträglich, wie Müller betont.
Weitere Schließungen sind derzeit aber nicht geplant. Müller will den neuen Service ausdrücklich nicht als Filialschließungsprogramm verstanden wissen. Die Live-Box sei eine Dienstleistung, die man kostengünstig auch in der Fläche anbieten könne. Vorausgesetzt, die Kunden nehmen das Angebot an.
Ortsvorsteher Wolfgang Gensle ist optimistisch. Für Litzelstetten sei die Live-Box wunderbar – nicht nur, weil es wieder einen Ansprechpartner gibt, sondern auch wegen der längeren Öffnungszeiten. Nach der Filialschließung habe man es zwar mit einem Sparkassen-Bus probiert, der sei aber nicht angenommen worden. Rein technisch war der Bus zwar mit allen Schikanen ausgerüstet, aber er war nur zweimal pro Woche für wenige Stunden vor Ort. Kam man zu spät, war die Sparkasse weg.