In seiner Heimat mit dem Tod bedroht
Der LEA-Bewohner Paul Nillong setzt sich für die Unabhängigkeit des englischsprachigen Teils von Kamerun ein
- Der 40-jährige Paul Nillong ist in seinem Heimatland Kamerun verfolgt und mit dem Tode bedroht. Als Aktivist setzt er sich für die Unabhängigkeit der englischsprachigen Gebiete im Süden und Westen des Landes ein. Er hofft, dass das Land unter dem Namen Ambazonien selbstständig werden kann. In Deutschland hat er deshalb um Asyl gebeten. Derzeit wohnt der 40-Jährige in der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen.
Paul Nillong will auf die Menschenrechtsverletzungen aufmerksam machen, mit denen die Regierung Kameruns auf die Unabhängigkeitsbestrebungen im Südwesten des Landes reagiert. Über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet er Nachrichten und Bilder aus seiner Heimat. Die Bilder, die er teilt, sind schwer zu ertragen: Tote Jugendliche, oft halb verbrannte Leichen. Unter anderem erzählt er von einem Massaker, bei dem die Regierungstruppen in einem Dorf 40 junge Menschen ermordet haben. Mittlerweile seien die Soldaten dazu übergegangen, ihre Opfer in Säcke zu stecken, sie mit Steinen zu beschweren und in Flüsse zu werfen, um sie zu ertränken. „Das ist Wahnsinn!“, ereifert er sich und spricht von Völkermord. Auch seine Familie sei in Gefahr, sagt Nillong. Seine drei Kinder können aus Angst vor Repressalien nicht zur Schule gehen. Auch sein Stiefbruder sei zwischenzeitlich gefangengenommen worden. Die Regierungstruppen hätten versucht, Nillongs Aufenthaltsort von ihm zu erfahren.
Englischsprachige Bevölkerung systematisch ausgegrenzt
Der 40-Jährige war als Verbindungsmann zwischen der Unabhängigkeitsbewegung und der Bevölkerung in der Stadt Kumba im Süden der abtrünnigen Landesteile tätig. Nillong beklagt, dass die Regierung und die französischsprachigen Eliten die englischsprachige Minderheit an den Rand drängen. Das betrifft etwa die Universitäten, an denen in der Regel auf Französisch unterrichtet wird, sowie das Rechtssystem: Die englischsprachigen Landesteile standen bis 1960 unter britischer Hoheit, bis sie dem Beitritt zu Kamerun zustimmten. Dort galt und gilt das angelsächsische Rechtssystem, das Common Law. Die Richter gehören in Kamerun jedoch zur französischsprachigen Elite und sind im französischen Rechtssystem geschult. Das führt dazu, dass französischsprachige Richter einer Verhandlung vorsitzen, die auf Englisch geführt wird. Die Richter verkünden dann das Urteil auf Französisch, das wieder ins Englische übersetzt werden muss.
Deshalb waren es die Lehrer und die Anwälte, die 2016 begannen, gegen die Ausgrenzung zu protestieren. Die Zentralregierung reagierte mit drakonischer Härte und Terror. Paul Nillong erzählt, dass die Regierungstruppen mit scharfer Munition gegen Demonstranten vorgehen. So auch bei einem Protestmarsch in der Stadt Kumba, an der er selbst teilnahm: „Direkt vor mir, vor meinen eigenen Augen, wurde jemand erschossen“, erinnert sich Nillong. Ihn selbst habe eine Kugel knapp verfehlt, die dann in das Dach eines Hauses eingeschlagen sei.
„Das nächste Mal bringen wir dich um“
Im Dezember 2017 war er selbst inhaftiert. Er wurde jedoch wieder freigelassen. Bei seiner Freilassung habe ihm der verantwortliche Offizier gedroht: „Diesmal bist du entkommen. Nächstes Mal bringen wir dich um.“Daraufhin entschloss sich Nillong, nach Europa zu fliehen. Mit einem belgischen Visum kam er mit dem Flugzeug nach Brüssel. Dort angekommen, tauchte er zunächst unter, weil er in Belgien Verfolger vermutete: „Die Regierung hat angekündigt, Agenten auf unsere Spur zu setzen.“Schließlich bat er in Deutschland um Asyl.
Nillong ist Katholik. In einer Videobotschaft bat er Papst Franziskus, sich für ein Ende der Gewalt einzusetzen. In dem Video sitzt er vor der blau-weißen Flagge Ambazoniens mit der Friedenstaube und verliest seine Erklärung. Stolz ist herauszuhören, aber auch Verzweiflung. Auch an die Bundesregierung hat er eine Forderung: „Stoppen Sie die Waffenlieferungen an das Regime von Kamerun!“, sagt er. Glaubt er daran, dass das Land nach der Unabhängigkeit als Staat überleben könnte? Er nickt. „Ambazonien ist reich, wir haben Öl“, sagt er.