Ipf- und Jagst-Zeitung

In seiner Heimat mit dem Tod bedroht

Der LEA-Bewohner Paul Nillong setzt sich für die Unabhängig­keit des englischsp­rachigen Teils von Kamerun ein

- Von Franz Graser

- Der 40-jährige Paul Nillong ist in seinem Heimatland Kamerun verfolgt und mit dem Tode bedroht. Als Aktivist setzt er sich für die Unabhängig­keit der englischsp­rachigen Gebiete im Süden und Westen des Landes ein. Er hofft, dass das Land unter dem Namen Ambazonien selbststän­dig werden kann. In Deutschlan­d hat er deshalb um Asyl gebeten. Derzeit wohnt der 40-Jährige in der Landeserst­aufnahmest­elle in Ellwangen.

Paul Nillong will auf die Menschenre­chtsverlet­zungen aufmerksam machen, mit denen die Regierung Kameruns auf die Unabhängig­keitsbestr­ebungen im Südwesten des Landes reagiert. Über den Kurznachri­chtendiens­t Twitter verbreitet er Nachrichte­n und Bilder aus seiner Heimat. Die Bilder, die er teilt, sind schwer zu ertragen: Tote Jugendlich­e, oft halb verbrannte Leichen. Unter anderem erzählt er von einem Massaker, bei dem die Regierungs­truppen in einem Dorf 40 junge Menschen ermordet haben. Mittlerwei­le seien die Soldaten dazu übergegang­en, ihre Opfer in Säcke zu stecken, sie mit Steinen zu beschweren und in Flüsse zu werfen, um sie zu ertränken. „Das ist Wahnsinn!“, ereifert er sich und spricht von Völkermord. Auch seine Familie sei in Gefahr, sagt Nillong. Seine drei Kinder können aus Angst vor Repressali­en nicht zur Schule gehen. Auch sein Stiefbrude­r sei zwischenze­itlich gefangenge­nommen worden. Die Regierungs­truppen hätten versucht, Nillongs Aufenthalt­sort von ihm zu erfahren.

Englischsp­rachige Bevölkerun­g systematis­ch ausgegrenz­t

Der 40-Jährige war als Verbindung­smann zwischen der Unabhängig­keitsbeweg­ung und der Bevölkerun­g in der Stadt Kumba im Süden der abtrünnige­n Landesteil­e tätig. Nillong beklagt, dass die Regierung und die französisc­hsprachige­n Eliten die englischsp­rachige Minderheit an den Rand drängen. Das betrifft etwa die Universitä­ten, an denen in der Regel auf Französisc­h unterricht­et wird, sowie das Rechtssyst­em: Die englischsp­rachigen Landesteil­e standen bis 1960 unter britischer Hoheit, bis sie dem Beitritt zu Kamerun zustimmten. Dort galt und gilt das angelsächs­ische Rechtssyst­em, das Common Law. Die Richter gehören in Kamerun jedoch zur französisc­hsprachige­n Elite und sind im französisc­hen Rechtssyst­em geschult. Das führt dazu, dass französisc­hsprachige Richter einer Verhandlun­g vorsitzen, die auf Englisch geführt wird. Die Richter verkünden dann das Urteil auf Französisc­h, das wieder ins Englische übersetzt werden muss.

Deshalb waren es die Lehrer und die Anwälte, die 2016 begannen, gegen die Ausgrenzun­g zu protestier­en. Die Zentralreg­ierung reagierte mit drakonisch­er Härte und Terror. Paul Nillong erzählt, dass die Regierungs­truppen mit scharfer Munition gegen Demonstran­ten vorgehen. So auch bei einem Protestmar­sch in der Stadt Kumba, an der er selbst teilnahm: „Direkt vor mir, vor meinen eigenen Augen, wurde jemand erschossen“, erinnert sich Nillong. Ihn selbst habe eine Kugel knapp verfehlt, die dann in das Dach eines Hauses eingeschla­gen sei.

„Das nächste Mal bringen wir dich um“

Im Dezember 2017 war er selbst inhaftiert. Er wurde jedoch wieder freigelass­en. Bei seiner Freilassun­g habe ihm der verantwort­liche Offizier gedroht: „Diesmal bist du entkommen. Nächstes Mal bringen wir dich um.“Daraufhin entschloss sich Nillong, nach Europa zu fliehen. Mit einem belgischen Visum kam er mit dem Flugzeug nach Brüssel. Dort angekommen, tauchte er zunächst unter, weil er in Belgien Verfolger vermutete: „Die Regierung hat angekündig­t, Agenten auf unsere Spur zu setzen.“Schließlic­h bat er in Deutschlan­d um Asyl.

Nillong ist Katholik. In einer Videobotsc­haft bat er Papst Franziskus, sich für ein Ende der Gewalt einzusetze­n. In dem Video sitzt er vor der blau-weißen Flagge Ambazonien­s mit der Friedensta­ube und verliest seine Erklärung. Stolz ist herauszuhö­ren, aber auch Verzweiflu­ng. Auch an die Bundesregi­erung hat er eine Forderung: „Stoppen Sie die Waffenlief­erungen an das Regime von Kamerun!“, sagt er. Glaubt er daran, dass das Land nach der Unabhängig­keit als Staat überleben könnte? Er nickt. „Ambazonien ist reich, wir haben Öl“, sagt er.

 ?? FOTO: FG ?? Der 40-jährige Paul Nillong breitet stolz die Flagge Ambazonien­s aus. Mit seinen französisc­hsprachige­n Landsleute­n in Kamerun hat er kein Problem: Beim Afrika-Fußballcup in der LEA stellte er sich für die Mannschaft Kameruns ins Tor.
FOTO: FG Der 40-jährige Paul Nillong breitet stolz die Flagge Ambazonien­s aus. Mit seinen französisc­hsprachige­n Landsleute­n in Kamerun hat er kein Problem: Beim Afrika-Fußballcup in der LEA stellte er sich für die Mannschaft Kameruns ins Tor.

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