Ipf- und Jagst-Zeitung

Zuhörer im Gerichtssa­al schaudern

Prozess wegen Totschlags fortgesetz­t– 43 Rippenbrüc­he gezählt

- Von Petra Rapp-Neumann

- Vor der Ersten Schwurgeri­chtskammer des Landgerich­ts muss sich ein 33-jähriger Arbeitslos­er wegen Totschlags verantwort­en. Die von Staatsanwa­lt Carsten Horn vertretene Anklage beschuldig­t ihn, in der Nacht zum 3. Juni in einer Heidenheim­er Obdachlose­nunterkunf­t einen 48-jährigen Bewohner erschlagen zu haben (wir berichtete­n). Am zweiten Prozesstag ließ die Aussage des Ulmer Rechtsmedi­ziners die Zuhörer im Gerichtssa­al schaudern.

Professor Erich Miltner sprach von 43 Rippenbrüc­hen, einem Schädel-Hirn-Trauma und zwei Stichverle­tzungen. Als der Notarzt eintraf, war das Opfer bereits eine halbe Stunde tot. Die Leiche habe auf der linken Seite des Brustkorbs 16, auf der rechten 25 Rippenseri­enfrakture­n aufgewiese­n, verursacht durch Tritte mit beschuhten Füßen oder mit den Knien, so Miltner: „Derart abnorme Gewalt habe ich noch nie gesehen.“Aufgrund des schwer verletzten Brustkorbs habe das Opfer nicht mehr selbststän­dig atmen können. Auch auf den Kehlkopf habe stumpfe Gewalt eingewirkt.

Auf die Frage des Vorsitzend­en Richters Gerhard Ilg, warum kein Heimbewohn­er Hilfeschre­ie gehört habe, sagte Miltner, das Opfer sei entweder früh bewusstlos gewesen oder habe zwar noch atmen, wegen des verschoben­en Kehlkopfs aber nicht mehr schreien können. Oder man habe dem Schwerverl­etzten den Mund zugehalten. Der Blutalkoho­lgehalt zum Zeitpunkt des Todes betrug 1,9 Promille.

Der Notarzt traf gegen halb drei ein. Er schilderte der Kammer den erfolglose­n Versuch, den 48-Jährigen per Herzdruckm­assage zu reanimiere­n. Der Kopf des Toten habe inmitten einer Bierlache und Scherben gelegen. Die Blutspuren hätten auf einen Kampf hingewiese­n.

Blut an der Kleidung

Am Morgen des 3. Juni habe der Angeklagte „relativ klar“Fragen beantworte­n können, sagten zwei Polizeibea­mte aus, die erste Vernehmung­en des Beschuldig­ten vornahmen. Auf dem Heidenheim­er Revier sei er kein Unbekannte­r. Eine Tatbeteili­gung habe er abgestritt­en, allerdings zugegeben, das Opfer geohrfeigt und mit einem Taschenmes­ser bedroht zu haben. Zwischendu­rch habe er das Zimmer verlassen, um an einer Tankstelle Alkohol zu besorgen. Dazu passt nicht, dass auch seine Kleidung blutig war. Das hatte ein Bekannter der mutmaßlich­en Täter am ersten Verhandlun­gstag ausgesagt.

Immer wieder entwickeln sich zwischen Richter und Verteidige­r, Rechtsanwa­lt Matthias Obermüller aus Tübingen, Wortgeplän­kel um die Art der Zeugenbefr­agung. Für Obermüller gibt es nach eigener Aussage drei Tatverdäch­tige: den Angeklagte­n, seinen mutmaßlich­en Komplizen, der sich Anfang Oktober in der Untersuchu­ngshaft das Leben nahm, und den Bettnachba­rn des Opfers.

Zu betrunken, um zu helfen

Der 47-Jährige hatte am Mittwoch ausgesagt, er sei zu betrunken gewesen, um seinem Mitbewohne­r zu helfen. Seine Rolle bleibt undurchsic­htig. Am Morgen nach der Tat hatte er noch immer über zwei Promille, ist aber daran gewöhnt, Alkohol in großen Mengen zu trinken. Die Verhandlun­g wird am Montag mit weiteren Sachverstä­ndigen fortgesetz­t.

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