Im Kampf für seine Ökosteuer ändert Macron die Methode
Genau 33 Minuten hat Emmanuel Macron gebraucht, bevor er die beiden Wörter aussprach, die derzeit in Frankreich in aller Munde sind: „Gilets jaunes.“Die gelben Westen, die seit zehn Tagen teilweise gewaltsam gegen den Kaufkraftverlust demonstrieren, waren die unsichtbaren Anwesenden im Zelt vor dem Élysée-Palast, in dem der französische Präsident am Dienstag seine Energiepolitik erläuterte.
Vor Umweltorganisationen, Gewerkschaftsvertretern und Regionalpolitikern ging es dabei weniger um Kernkraft und Kilowatt als darum, den Kampf gegen den Klimawandel sozial verträglich zu machen. „Ich will nicht, dass die Energiewende die Ungleichheiten zwischen den Regionen verstärkt“, versicherte Macron. Seine Ökosteuer auf Benzin und Diesel, die die Energiewende mit finanzieren soll, trifft vor allem die aufs Auto angewiesene Landbevölkerung.
Seit zehn Tagen blockieren deshalb Franzosen in Rettungswesten im ganzen Land den Verkehr. Ein harter Kern randalierte am Samstag auf den Pariser Champs-Élysées und forderte den Rücktritt des Präsidenten. „Ich habe die Wut gehört“, versicherte der in Umfragen inzwischen extrem unbeliebte Macron. Zumindest ein Teil der Botschaft der Demonstranten ist beim Staatschef angekommen. Nämlich dass seine Regierung nicht auf die Probleme der Franzosen eingeht, denen durch Steuern und Abgaben nicht mehr genug zum Leben bleibt.
„Die Antworten, die wir geben, sind zu abstrakt“, räumte der 40-Jährige ein. Daher will er nun seine Methode ändern und mit Bürgermeistern, Gewerkschaften und Vertretern der Zivilgesellschaft nach Lösungen suchen. Also mit genau jenen, die er vor Monaten noch vor den Kopf gestoßen hatte. Der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, begrüßte den Kurswechsel zwar, kommentierte aber bitter: „Die Notwendigkeit der Absprache mit Gewerkschaften, Arbeitgebern, Vereinen und Lokalpolitikern wird unterstrichen, als ob man sich plötzlich der Rolle bewusst würde, die diese Zwischeninstanzen spielen.“
Macron hatte vor allem die Gewerkschaften brüskiert, indem er sie bei wichtigen Entscheidungen wie der Arbeitsmarktreform zwar anhörte, aber seine Vorstellungen umsetzte.
Versöhnung ist fraglich
Ob alle Beteiligten die ausgestreckte Hand des Präsidenten annehmen, ist noch fraglich. „Damit man sich an einen Tisch setzt, muss es vorher eine Geste geben“, sagte der Präsident der Region Normandie, Hervé Morin, nach Macrons Rede. Zusammen mit elf Regionalpräsidenten hatte er den Staatschef aufgefordert, die ab 1. Januar geplante Ökosteuer auszusetzen. „Die Bewegung der Gelben Westen ist der lebende Ausdruck des sozialen und territorialen Bruchs in unserem Land“, mahnten die Chefs der Regionen in der Zeitung „Opinion“.
Macron hält dennoch an der Ökosteuer zum vorgesehenen Zeitpunkt fest und stellte stattdessen in Aussicht, dass sie dem Rohölpreis angepasst werden soll: Bei einem hohen Ölpreis soll sie sinken, bei einem niedrigen steigen. Die Belastungen für die Menschen auf dem Land sollen so abgemildert werden. Er wolle „nicht die Meinung ändern, nicht die Wahrheit ändern, nicht die Richtung ändern“, versicherte Macron.
Bei der Opposition stieß seine einstündige Rede auf einhellige Ablehnung. Auch die Gelbe Westen, die von drei Vierteln der Franzosen unterstützt werden, waren mit Macrons Ansprache unzufrieden.