Zähes Ringen um Bahntarifvertrag
GDL-Chef Claus Weselsky wirft den Arbeitgebern „Taktiererei“vor
- Auch nachdem fünf Tage lang verhandelt wurde und ein Warnstreik den Druck auf den Arbeitgeber Deutsche Bahn erhöht hat, war am Mittwochabend immer noch kein Ende des Tarifstreits in Sicht. Am Nachmittag hatten die Arbeitgeber einen neuen Einigungsvorschlag vorgelegt. Danach sollten die rund 160 000 Beschäftigten ab März nächsten Jahres, statt bis 2,5 Prozent mehr Lohn, 3,2 Prozent erhalten. Auch an anderen Stellen besserte die Bahn nach. Doch das neue Angebot hatte einen Haken. Es beinhaltete eine Laufzeit von 34 Monaten. Die Gewerkschaften wollten ursprünglich eine zweijährige Laufzeit.
Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, wies die Offerte deshalb zurück. Das Angebot entspreche unter dem Strich dem früheren. „Es ist Taktiererei, ein Verschieben von Zahlen“, sagte er im Südwestrundfunk. Die Bahn versuche lediglich über eine höhere Zahl – 3,2 Prozent statt 2,5 Prozent – bei der angebotenen ersten von zwei Stufen den Eindruck zu erzeugen, dies sei ein besseres Angebot. „Wenn man allerdings auf 34 Monate Laufzeit geht, dann kommt man zu dem Schluss, dass beide Angebote gleichwertig sind.“Zuvor hatte der GDL-Chef gesagt, der Arbeitgeber habe es in der Hand, ein verbessertes Angebot vorzulegen: „Sonst werden wir im Januar über weitere Schritte entscheiden.“
Weitere Zuspitzung
So blieb die Unsicherheit, ob sich die Reisenden auf neue Warnstreiks einstellen müssen. Die größere Eisenbahnund Verkehrsgewerkschaft (EVG) könnte Aktionen wie am vergangenen Montag wiederholen, wenn sie den Kompromissvorschlag ebenfalls zurückweist.
Dem weiteren Angebot der Bahn war eine weitere Zuspitzung des Konfliktes vorausgegangen. Die GDL hatte den Arbeitgebern ein Ultimatum für ein besseres Angebot gesetzt. Als die Frist dafür verstrichen war, erklärte Weselsky die Verhandlungen für gescheitert. Streikgefahr durch die GDL ist damit jedoch nicht verbunden, weil die kleinere Bahngewerkschaft ein Schlichtungsabkommen mit der Bahn abgeschlossen hat. In diesem Jahr ist ein Arbeitskampf damit praktisch ausgeschlossen.
Am Mittwochnachmittag legte die Bahn dann beiden Gewerkschaften ein verbessertes Angebot vor. Vor allem beim Lohn packte das Unternehmen für seine 160 000 Tarifbeschäftigten noch einmal kräftig etwas drauf. Doch die EVG prüfte den Vorschlag bis zum frühen Abend ergebnislos. Der Konflikt ist kompliziert, weil die Tarifverträge mit beiden Gewerkschaften wirkungsgleich sein sollen. Sonst müsste sie allen Beschäftigten stets die Bedingungen des besseren Abschlusses bieten, da sie nicht weiß, welcher Gewerkschaft einzelne Beschäftigte angehören. So verhandelte die Bahn gleichzeitig in Berlin und Eisenach.
Zeitgleich traf sich auch der Aufsichtsrat der Bahn zu seiner turnusgemäßen Sitzung. Dort ging es um den hohen Finanzbedarf der Bahn für Investitionen. Die fünfjährige Vorausplanung des Vorstands sieht zusätzliche fünf Milliarden Euro für neue Züge und eine bessere Infrastruktur vor. Zwei Milliarden Euro davon müssen schon im kommenden Jahr aufgebracht werden. Aus eigener Kraft schafft der Konzern dies nicht.
Aus Kreisen des Kontrollgremiums verlautete, dass Bahnchef Richard Lutz bis zur nächsten Sitzung im kommenden März Vorschläge für die Finanzierung vorlegen soll. Das Geld könnte beispielsweise aus einem Teilverkauf der britischen Tochter Arriva kommen. Neue Schulden kommen zunächst nicht infrage, da die Bahn die vorgeschriebene Obergrenze dafür schon vor Augen hat.