Hausarztzentrierte Versorgung setzt Maßstäbe
Verantwortliche ziehen nach zehn Jahren eine Erfolgsbilanz
- Vor zehn Jahren ist mit der Vertragsunterzeichnung der Partner AOK Baden-Württemberg, Hausärzteverband und MEDI-Verbund Baden-Württemberg der Startschuss für das Hausarztprogramm der AOK und die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) im Südwesten gefallen. So sperrig der Begriff, so erfolgreich die Umsetzung. Die AOK war Vorreiter und hat Pionierarbeit geleistet. Gewinner sind die Patienten. Auch niedergelassene Ärzte profitieren von dieser Alternative zur Regelversorgung.
2008 habe die AOK Baden-Württemberg hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten müssen, erinnert sich Josef- Bühler, Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg: „Zweifel und Skepsis überwogen.“Heute sprechen die Zahlen für sich: 152 Allgemeinmediziner und Internisten sowie 14 Kinder- und Jugendmediziner nehmen in Ostwürttemberg an der HZV teil. Im Ostalbkreis sind es 106 Allgemeinmediziner und Internisten sowie zehn Kinder- und Jugendärzte. Im Altkreis Aalen sind es 74, in der Raumschaft Ellwangen 19, davon 12 in der Stadt Ellwangen. Rund zwei Drittel der niedergelassenen Hausärzte machen beim AOK-Hausarztprogramm mit. Sie betreuen im Schnitt 330 im Programm eingeschriebene Patienten. Das sind rund 62 000 AOK-Versicherte, von denen etwa 29 000 am aufbauenden AOKFacharztprogramm teilnehmen. Insgesamt ist es mehr als ein Drittel von aktuell rund 170 000 Versicherten.
Ein Mann der ersten Stunde ist Dr. Claus Karle, Allgemeinmediziner in Jagstzell und Facharzt für Chirurgie, Proktologie, Venenheilkunde, Osteopathie und manuelle Medizin.
Klare Strukturen, mehr Zeit für Patienten
Karle praktiziert seit 23 Jahren. Zu seinem Team gehören zwei Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis, sogenannte „VERAHs“, erfahrene medizinische Fachangestellte, die sich über eine hochqualifizierte Weiterbildung fortgebildet haben: „Die Kompetenzerweiterung motiviert meine Mitarbeiterinnen, trägt zur schnelleren und besseren Versorgung meiner Patienten bei und entlastet mich.“Qualitätsmanagement wird groß geschrieben. Regelmäßige Teambesprechungen sind selbstverständlich. Jedes Vierteljahr sucht Karle im ärztlichen Qualitätszirkel den Austausch mit Kollegen. Landesweit gibt es 302 dieser Zirkel, Teilnahme ist Pflicht. Eine Kommission gewährleistet praxisnahe und von der Pharmaindustrie unabhängige Inhalte. „Man muss etwas können und sich etwas zutrauen“, umreißt Karle den hohen Anspruch, den die HZV an Mediziner stellt.
Die Vorteile für Patienten liegen auf der Hand: sie werden nur von einer Stelle, vom Hausarzt, durch die Untiefen des deutschen Gesundheitssystems gelotst. Unter-, Überoder Fehlversorgungen werden ebenso vermieden wie Doppeluntersuchungen und unnötige Krankenhauseinweisungen. Das entlastet die Krankenkassen. Termine werden schneller vergeben: „In meiner Praxis oft noch am gleichen Tag“, so Karle. Klare Strukturen bringen mehr Zeit für Patienten – weg von der Fünf-Minuten-Spritzen-Medizin hin zum Gespräch: „Die HZV ermöglicht erst ein patientenzentrierte Versorgung“, so Karle. Weiterer Pluspunkt:„Für die Patienten ist die HZV günstiger als die Regelversorgung“, so Josef Bühler. Viele rabattierte Medikamente sind zuzahlungsfrei. Für Kinder und Jugendliche vom 12. bis 17. Lebensjahr übernimmt die AOK die Kosten auch für nicht rezeptpflichtige Medikamente.
Graeter: „Manche Praxis hätte sonst nicht überlebt“
Mit der Einschreibung ins HZV-Programm verpflichten sich Patienten, mindestens ein Jahr beim Hausarzt ihrer Wahl zu bleiben und nur mit Überweisung zum Facharzt zu gehen. Dort erhalten sie in der Regel innerhalb von zwei Wochen einen Termin. Der Hausarzt kann unbegrenzt AOK-Versicherte als Patienten aufnehmen. Pro Patient und Quartal erhält er eine pauschale Vergütung, ob der Patient ihn aufsucht oder nicht. Das entlastet finanziell: „Manche Praxis hätte sonst nicht überlebt“, sagt Rainer Graeter, Vorsitzender der Kreisärzteschaft Aalen-Ellwangen und Sprecher des MEDI-Verbunds Ostalb. Bei der Suche nach Praxisnachfolgern ist das Vergütungssystem ein klarer Wettbewerbsvorteil: die HZV wirkt dem Aussterben der Spezies Hausarzt entgegen.
Einfach. Besser. Versorgt. Im Südwesten hat sich die alternative Regelversorgung als deutlich effizienteres Versorgungskonzept und Erfolgsmodell der Zukunft etabliert. Ein Musterbeispiel, das Schule machen sollte.