USA weiter auf dem Rückzug
Präsident Trump kündigt Teilabzug aus Afghanistan an
(epd/her) - Nach dem kompletten Abzug der US-Truppen aus Syrien plant Präsident Donald Trump auch einen Teilabzug aus Afghanistan. Nach Medienberichten sollen im Frühjahr 2019 nur noch etwa 7000 US-Soldaten dort verbleiben. Die Entscheidung während der Friedensverhandlungen mit den Taliban kam für die Regierung in Kabul und die Nato unerwartet.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat derweil in Berlin den Rücktritt ihres US-Kollegen James Mattis bedauert und Aufklärung über den künftigen sicherheitspolitischen Kurs der US-Regierung gefordert. Jürgen Beyer, der Koordinator der Bundesregierung für transatlantische Beziehungen, wollte nicht ausschließen, dass Trump auch die US-Soldaten aus Deutschland und Europa abzieht. „Man weiß inzwischen ja nicht mehr, was noch kommt“, sagte der CDU-Politiker zur „Schwäbischen Zeitung“.
WASHINGTON - Früher konnte Donald Trump gar nicht laut genug schwärmen von seinem Lieblingsgeneral. Der Präsident wählt seine Minister bekanntlich auch danach aus, ob sie optisch zu ihrer Rolle in seinem Kabinett passen. James Mattis, ein Militär mit den Gesichtszügen eines Asketen, passte perfekt als Verteidigungsminister. „Wenn ich mal einen Film drehe, nehme ich Sie, General Mattis“, sagte Trump. Und dazu der Spitzname. Mad Dog, Verrückter Hund. Mad Dog, rief Trump seinen Anhängern anfangs zu, stehe für ein Amerika, mit dem sich bloß niemand anlegen sollte.
Mit seinem Rücktritt machte Mattis nun klar, dass ihn ein tiefer Graben von Trump trennte. Statt beim Abschied artig zu danken, wie es andere vor ihm getan hatten, schrieb er einen Brief. Der liest sich stellenweise wie eine Generalabrechnung mit dem „America first“eines Nationalisten, der am Sinn der Nato zweifelt, der Verbündete wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Kanadas Premierminister Justin Trudeau auf offener Bühne brüskiert, während er Sympathien für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, Chinas Staatschef Xi Jinping und Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un erkennen lässt.
Eine seiner Überzeugungen, schrieb Mattis, sei immer gewesen, dass die Stärke der USA untrennbar verbunden sei mit ihrem „einzigartigen und umfassenden System von Allianzen und Partnerschaften“. Zugleich dürften sie keine Zweideutigkeiten zulassen im Umgang mit Ländern wie China und Russland, die eine Welt nach ihrem autoritären Modell schaffen wollten. Trump, so Mattis, habe das Recht auf einen Verteidigungsminister, dessen Ansichten besser zu seinen eigenen passten. „Daher glaube ich, dass es richtig ist, meinen Posten zu räumen.“
Immer öfter hatte Mattis auf verlorenem Posten gestanden. Erst vor wenigen Tagen ignorierte der Präsident einen Personalvorschlag seines Verteidigungsministers. Das ist zwar sein gutes Recht, gleichwohl verstößt es aber gegen ungeschriebene Gesetze. Statt Mattis’ Favoriten, den Luftwaffenchef David Goldfein, zum Stabschef der Streitkräfte zu ernennen, entschied er sich für einen Armeegeneral namens Mark Milley.
Grundverschiedene Typen
Schließlich waren es die Debatten über die Zukunft der US-Truppen in Syrien und Afghanistan, die Mattis’ Entscheidung verfestigten. Von einem Rückzug aus dem Nordosten Syriens riet er ebenso energisch ab wie von Trumps Plan, 7000 der 14 000 am Hindukusch stationierten US-Soldaten nach Hause zu beordern. Beide Male zog er den Kürzeren. Bei seinem Rücktritt am Donnerstagabend, versuchte er gar nicht erst, inhaltliche Differenzen zu übertünchen.
Wenn man so will, ist es das Ende eines zweijährigen Missverständnisses. Angefangen beim Spitznamen. Das mit dem verrückten Hund hat Mattis nie gefallen, offenbar geht es zurück auf Aussagen aus seiner 40jährigen Karriere in Uniform. „Sei höflich, sei professionell, aber mach dich darauf gefasst, dass du jeden töten musst, dem du begegnest“, lautet einer seiner Sprüche. Nur war Mattis nie der Draufgänger, als den ihn Trump anfangs feierte. Treffender ist ein zweiter Spitzname, Warrior Monk, der Kriegermönch. Ein Leben lang blieb er ledig, in der Marineinfanterie brachte er es bis zum Viersternegeneral. In seiner Privatbibliothek, heißt es, stehen an die 7000 Bücher. Hier der Gelehrte der Strategie, dort ein Präsident, der alles besser zu wissen glaubt. Hier ein vorsichtiger Soldat, der weiß, was Krieg bedeutet, weil er selber in dreien gekämpft hatte, 1991 in Kuweit, später in Afghanistan und im Irak. Dort ein Präsident, der sich eine Fußerkrankung attestieren ließ, um die Einberufung zu umgehen und nicht nach Vietnam zu müssen.
Um nichts zu riskieren, ignorierte Mattis Anweisungen aus dem Weißen Haus. Der Reporter Bob Woodward hat in seinem Enthüllungsband „Fear“Anekdote für Anekdote geschildert, was sich hinter den Kulissen abspielte. Etwa im April 2017, als Mattis am Telefon den Auftrag erhielt, ein Mordkomplott gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten“, verlangte Trump, nachdem Assads Regierung erneut Chemiewaffen eingesetzt hatte. Mattis, schreibt Woodward, habe nicht widersprochen, einem Vertrauten hinterher jedoch zu verstehen gegeben: „Wir werden sehr viel überlegter vorgehen.“Und obwohl er selber scharfer Kritiker Teherans war, riet er dazu, am Atomabkommen mit Iran festzuhalten. In seinen Augen war es nicht perfekt, aber ein funktionierendes Instrument zur Rüstungskontrolle.
Mattis scheidet im Februar aus der Regierung aus. Damit stirbt auch die Illusion, dass eine Riege erfahrener Generäle Trump schon beibringen würde, dass Wahlkampf das eine ist und praktische Politik etwas anderes. Der eine war Mattis, der zweite Herbert Raymond McMaster, der dritte John Kelly. McMaster, gut ein Jahr lang Nationaler Sicherheitsberater, wurde im April entlassen. Kelly, zuletzt Stabschef, zieht sich Weihnachten zurück. Nun hat Mattis als Letzter das Handtuch geworfen. Die „Achse der Erwachsenen“, wie Kolumnisten das Trio nannten, ist nur noch eine ferne Erinnerung.