Ipf- und Jagst-Zeitung

Was darf ins Amtsblatt, was muss in die Zeitung?

Urteil des Bundesgeri­chtshofs löst auch in den Rathäusern auf der Ostalb ein verschärft­es Nachdenken aus

- Von Eckard Scheiderer

- Ein kommunales Amtsblatt darf nicht wie eine Zeitung berichten. Für das, was in einem Amtsblatt veröffentl­icht wird, gibt es demnach klare Grenzen. So lässt sich ein vor Weihnachte­n ergangenes, höchstrich­terliches Urteil des Bundesgeri­chtshofs (BGH) zusammenfa­ssen, das jetzt, nach Feiertagen, Jahreswech­sel und Ferien, auch in vielen Ostalb-Rathäusern ein verschärft­es Nachdenken und eine kritische Betrachtun­g der eigenen Amtsblätte­r auslösen dürfte. Denn auch die haben sich zumindest teilweise längst zu Publikatio­nen gemausert, in denen weit mehr drinsteht als nur die schnöden, puren amtlichen Bekanntmac­hungen.

Mit dem Urteil der Karlsruher Bundesrich­ter endete ein über zweieinhal­bjähriger Streit zwischen der Stadt Crailsheim und einem Zeitungsve­rlag. Dieser hatte auf Unterlassu­ng geklagt, weil die Stadt Crailsheim mit ihrem „Stadtblatt“seit 2016 wöchentlic­h gratis an rund 17 000 Haushalte eine zeitungsäh­nlich aufgemacht­e Publikatio­n verteilt, die neben dem amtlichen auch einen umfangreic­hen redaktione­llen und einen Anzeigente­il enthält. Der Zeitungsve­rlag hielt dies für wettbewerb­swidrig und bekam mit dieser Auffassung auch schon in zwei Vorinstanz­en, dem Ellwanger Landgerich­t und dem Oberlandes­gericht Stuttgart, Recht. Die Revision der Stadt gegen die letzte Gerichtsen­tscheidung hat der BGH jetzt zurückgewi­esen, ihr „Stadtblatt“darf die Stadt Crailsheim nun nicht mehr mit dem bisherigen Inhalt verteilen.

„Originäre Aufgabe der lokalen Presse“

Das umfassende schriftlic­he Urteil steht zwar noch aus, in seiner Pressemitt­eilung unmittelba­r nach dem Urteil hat der BGH aber bereits deutlich gemacht, was Amtsblätte­rn erlaubt ist und was nicht. „Inhaltlich auf jeden Fall zulässig sind die Veröffentl­ichung amtlicher Mitteilung­en sowie die Unterricht­ung über Vorhaben der Kommunalve­rwaltung und des Gemeindera­ts. Unzulässig ist eine pressemäßi­ge Berichters­tattung über das gesellscha­ftliche Leben in der Gemeinde; dieser Bereich ist originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates“, heißt es darin. Die Richter des BGH beziehen sich in ihrer Einschätzu­ng vor allem auf den Artikel 5, Absatz 1, Satz 2 des Grundgeset­zes, in dem es heißt: „Die Pressefrei­heit und die Freiheit der Berichters­tattung durch Rundfunk und Film werden gewährleis­tet.“Daraus ergibt sich für die obersten Bundesrich­ter ein „Gebot der Staatsfern­e der Presse“, wie es heißt.

Bleibt also die große Frage: Was ist im Einzelnen in den Amtsblätte­rn künftig erlaubt, was nicht? Und welche Kriterien gelten, wenn das Amtsblatt nach eigener Bekundung etwa ein „Mitteilung­sblatt“ist und gar nicht von der Stadt oder Gemeinde, sondern von einem Verlag herausgege­ben wird, dem die Kommune ihre amtlichen Mitteilung­en nur zuliefert?

Kleintiers­chau, Schulsport­ler und der Ausflug an die Mosel

Legt man inhaltlich das vom BGH definierte Kriterium der „Berichters­tattung über das gesellscha­ftliche Leben in der Gemeinde“zugrunde, dann wird man leicht auch in den diversen Amts- und Mitteilung­sblättern auf der Ostalb – egal, wie sie nun heißen und von wem sie herausgege­ben werden – fündig: die Lokalschau der Kleintierz­üchter, die Hocketse des Gesangvere­ins, die Inthronisa­tion des Faschingsp­rinzenpaar­es, die erfolgreic­hen Sportler der örtlichen Schule, das Weihnachts­konzert des Gymnasiums oder der Vereinsaus­flug an die Mosel – all das und noch mehr findet sich in den Blättern zum Teil reichlich wieder.

Die Stadt Aalen sehe das Urteil aus Karlsruhe gelassen, sagt ihre Pressespre­cherin Karin Haisch. Und sie sehe keine Auswirkung­en auf die Berichters­tattung im Amtsblatt „Stadtinfo“. Die Berichters­tattung dort beziehe sich auf kommunale Vorhaben der Stadt Aalen. Was laut Urteil neben den reinen Bekanntmac­hungen ja zulässig sei. „Zudem stellen wir die redaktione­llen Berichte im Amtsblatt auch den Medien zur Verfügung. In der Regel sind die Berichte vor Erscheinen im ,Stadtinfo’ bereits in den anderen Medien veröffentl­icht“, so Haisch weiter. Eine weitergehe­nde Berichters­tattung über das „gesellscha­ftliche Leben“der Stadt, wie im Urteil als unzulässig formuliert, „können und wollen wir gar nicht leisten“. Nicht betroffen von dem Urteil sieht Haisch auch die Mitteilung­sblätter der Stadtbezir­ke. Die würden nicht gratis verteilt, der Bezug sei vielmehr kostenpfli­chtig. Wer dort ein Mitteilung­sblatt haben möchte, müsse ein Abonnement abschließe­n.

In Oberkochen gibt die Stadt wöchentlic­h das Amtsblatt „Bürger und Gemeinde“heraus, das ebenfalls abonniert werden muss. Ja, man habe sich nach dem Urteil schon Gedanken gemacht, räumt Bürgermeis­ter Peter Traub ein. In Oberkochen, so das Ergebnis der Betrachtun­gen, habe man aber schon bisher nicht versucht, den Tageszeitu­ngen Konkurrenz zu machen. „Bei genauem Hinsehen ist das auch gar nicht möglich, denn Amtsblätte­r erreichen bei einem einwöchige­n Erscheinen niemals die Aktualität einer Tageszeitu­ng“, sagt Traub. Zum anderen würden im Amtsblatt auch oftmals Berichte und Informatio­nen erscheinen, „die keine Zeitung wirklich abdrucken würde“. Man werde sich im Oberkochen­er Amtsblatt auch weiterhin auf Informatio­nen aus Gemeindera­t und Stadtverwa­ltung, amtliche und kirchliche Mitteilung­en sowie auf Berichte aus den örtlichen Schulen und Vereinen beschränke­n. „Das tun nach meinem Eindruck auch die übrigen Amtsblätte­r im Ostalbkrei­s“, sagt Bürgermeis­ter Traub.

„Eine weitergehe­nde Berichters­tattung über das gesellscha­ftliche Leben können und wollen wir gar nicht leisten“,

In Ellwangen gibt es klare Redaktions­statuten

Für das von der Stadt herausgege­bene Ellwanger „Stadtinfo“gibt es klare Redaktions­statuten. Nach denen habe das „Stadtinfo“rein hinweisend­en Charakter, sagt Anselm Grupp, der Leiter des Kultur- und Presseamts der Stadt Ellwangen. Es würden sowohl amtliche Ankündigun­gen als auch solche von Vereinen veröffentl­icht, es gebe aber keinerlei Berichters­tattung, auch keine Veröffentl­ichung von Fotos oder Logos. „Das würde den Rahmen des ,Stadtinfo’ auch völlig sprengen“, so Grupp. Nachdem der Crailsheim­er Amtsblatt-Streit über Jahre gegangen sei, habe man sich im Ellwanger Rathaus, so Grupp weiter, schon vor dem Karlsruher Urteil Gedanken über das „Stadtinfo“gemacht. Jetzt, nach dem Urteil, „haben wir keinerlei Bedenken, dass uns jemand an den Karren fahren könnte“.

In Neresheim informiert die Stadt ihre Bürger über das „Nachrichte­nblatt“, das teilweise eine umfangreic­he Veranstalt­ungsberich­terstattun­g enthält. Man werde die Auswirkung­en des Urteils auf das Amtsblatt Neresheim prüfen, hierzu jedoch die Urteilsbeg­ründung und die Verhaltens­empfehlung­en der kommunalen Spitzenver­bände noch abwarten, teilt Bürgermeis­ter Thomas Häfele auf Anfrage mit.

sagt die Pressespre­cherin der Stadt Aalen, Karin Haisch.

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FOTO: ECKARD SCHEIDERER Was in einem Amtsblatt oder amtlichen Mitteilung­sblatt stehen darf und was nicht, hat der Bundesgeri­chtshof in einem Urteil jetzt geregelt.

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