Ab jetzt nur noch Freizeit
Ordnungsamtsleiter Harry Irtenkauf geht in den Ruhestand.
- Das Büro ist doch nicht ganz leer geworden, wie auch, schließlich hört die Arbeit ja nicht auf, nur weil die Pensionierung ansteht. Heute ist Harry Irtenkaufs letzter Tag im Rathaus Ellwangen. 27 Jahre hat er das Ordnungsamt geleitet, 41 Jahre war er bei der Stadt Ellwangen. Jetzt ist Schluss.
Wäre der perfekte Leiter eines Ordnungsamts einer, der möglichst viel regeln und überwachen möchte, wäre Harry Irtenkauf eine Fehlbesetzung. Von Vorschriften, die sich nicht kontrollieren lassen, hält er nichts. Geht’s nach ihm, sollte nicht mehr geregelt werden als unbedingt nötig. Das hat er auch so manchem Gemeinderat klargemacht – und sich meist durchgesetzt.
Er sei Pragmatiker, sagt Irtenkauf. Und einer, der den Menschen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe begegnen möchte. Das war 1978, als er nach Studium und Wehrdienst zur Stadtverwaltung kam, noch nicht selbstverständlich. Da kamen die Besucher noch in devoter Haltung aufs Amt, als Antragsteller.
Heute fehlt oft das Unrechtsbewusstsein
Das habe sich grundlegend geändert. Heute sei das Ordnungsamt eine Dienstleistungs- und Servicebehörde mit vielen Aufgaben als Ortspolizeibehörde, Straßenverkehrsbehörde, Bußgeldstelle, Bürgerbüro, Standesamt, Ausländerwesen, Wohngeldstelle, Rentenstelle und die Bereiche Gewerbe und Gaststätten sowie Waffen und Sprengstoff.
Nicht nur das ist anders. Wer früher einen Fehler gemacht hat, ist dafür gerade gestanden. Dieses Unrechtsbewusstsein fehle heute oft, die Anspruchshaltung sei dafür größer geworden, findet Irtenkauf. Dann braucht er ein dickes Fell und Geduld. Und muss manchmal auch die Zähne zusammenbeißen. Die Menschen sollen das Gefühl haben, sie seien in guten Händen. Und dazu gehört für Irtenkauf auch, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.
Ins Ordnungsamt wollte Harry Irtenkauf von Anfang an. 1978 hat er sich bei der Stadt dort auf eine Stelle als Sachgebietsleiter beworben. Lange geblieben ist er dort nicht, schon acht Monate später hat ihn OB Karl Wöhr zu seinem persönlichen Referenten gemacht. Das blieb er auch unter Stefan Schultes, der zweite von vier Oberbürgermeistern in seinem Berufsleben. Von Schultes habe er viel gelernt, sagt Irtenkauf, und dass er sich einen besseren Chef nicht hätte wünschen können. Die Wertschätzung war gegenseitig, unter Schultes wurde er 1992 zum Leiter des Ordnungsamts befördert.
Besonders im Gedächtnis geblieben sind Irtenkauf die Großveranstaltungen, angefangen vom ersten Public Viewing 2006 zur FußballWM über die Demos von Jungen Nationalen 2006 bis hin zum Landesnarrentreffen 2008 bis zum Bundespferdefestival 2014 oder zuletzt der AfD-Demo samt buntem Fest im vergangenen September. Solche Veranstaltungen sind immer ein Kraftakt und gehen nur glatt, wenn Ordnungsamt und Polizei Hand in Hand arbeiten und auch die Rettungskräfte mit im Boot sind. Die Sicherheitskonzepte hat Irtenkauf immer selbst ausgearbeitet und nicht nach außen vergeben. Darauf ist er stolz und darauf, dass immer alles geklappt hat wie am Schnürchen.
Wobei der Aufwand für die Sicherheit heute viel größer ist. Das liegt auch an den sozialen Medien, über die sich Gruppen schnell verständigen können, um eine Veranstaltung zu stören. Darauf muss man vorbereitet sein, sagt Irtenkauf. Auch das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ist größer geworden.
Eine Zäsur war die Love Parade 2010 in Duisburg, bei der 21 Menschen starben und über 600 verletzt wurden. Seither haben sich die Auflagen für große Veranstaltungen deutlich verschärft. Dass man den Weihnachtsmarkt mit Betonpollern schützen muss, hätte sich vor 40 Jahren niemand träumen lassen. Da wirkt die Weltpolitik mit ihren Terrorangriffen auch im kleinen Ellwangen nach.
Auch wenn es an manchen Stellen Sinn macht, die Reglementierungswut sieht Irtenkauf kritisch. Die Vorschriften werden immer umfassender, die Ausführungsbestimmungen zahlreicher: „Das hat ein Ausmaß angenommen, da fragt man sich schon, ob das sein muss.“Da spricht der Pragmatiker, der sich wünschen würde, dass diejenigen, die die Vorschriften erlassen, sich öfter mal über die Umsetzung Gedanken machen würden. Klar ist aber auch, wenn die Regel da ist, wird sie umgesetzt, wenn auch manchmal mit knirschenden Zähnen. „Ich habe nie die Pfade des Rechts verlassen“, sagt Irtenkauf. Aber er hat versucht, zumindest in Ellwangen allzu viele Regulierungen zu vermeiden. „Was sein muss, ja, aber nicht mehr.“
Und jetzt viele Reisen und viele Heavy-Metal-Konzerte
Wobei er betont, dass er seine Schiene nur fahren konnte, weil er eine supertolle Truppe hatte, immer loyal und kompetent. Und weil er zwar der Mann für Recht und Ordnung ist, aber kein Law-and-Order-Typ. Die Truppe wird ihm fehlen, wenn er im Ruhestand ist. Das andere weniger. Dazu hat er zu viel vor. Er freut sich auf die Reisen mit seiner Frau. Und auf das Inselhopping mit dem Rucksack in Indonesien und auf den Philippinen mit seinen Söhnen. Und darauf, dass er mehr Zeit hat für HeavyMetal-Konzerte und Festivals. „Da gehe ich hin, bis sie mich mit dem Rollator reinfahren. Das ist für mich Entspannung.“
Die hat er ab Montag. Um die Akten auf dem Tisch wird sich dann sein Nachfolger Thomas Steidle kümmern. Die rote Liege fürs tägliche Mittagsschläfle im Büro erbt er aber nicht. Die nimmt Irtenkauf mit. Mittagschlaf tut einem Heavy-MetalFan des Weltmeisterjahrgangs 1954 auch im Ruhestand gut.