Ipf- und Jagst-Zeitung

Alt-Ellwanger Dokumente sind evakuiert

Wie es Stadtarchi­var Christoph Remmele gelang, einige Lücken im Archiv zu schließen

- Von Franz Graser

- Alle zwei Jahre steht der Bericht des Stadtarchi­vars vor dem Kulturauss­chuss des Gemeindera­ts an. Bei der jüngsten Sitzung hat Archivar Christoph Remmele gleich mehrere gute Nachrichte­n für die Ausschussm­itglieder parat gehabt: Zum einen sind die historisch­en Alt-Ellwanger Unterlagen nun komplett im Archiv im Ellwanger Rathauskel­ler untergebra­cht. Und zum zweiten hat Remmele Dokumente beschaffen können, die irgendwann aus dem Ellwanger Archiv entwendet worden waren.

Bis vor kurzem lagerte der größte Teil der Alt-Ellwanger Unterlagen aus dem 16. bis 20. Jahrhunder­t in einem Kellerraum des Peutinger-Gymnasiums. Für die Konservier­ung der historisch­en Dokumente war das Raumklima allerdings denkbar ungeeignet. Durch die hohe Luftfeucht­igkeit sei das Risiko durch Schimmel besonders hoch gewesen, sagt Remmele, insbesonde­re, wenn wie im vergangene­n Jahr ein langer heißer Sommer dazukomme. In der neuen Heimat der Dokumente im Rathauskel­ler sei das Raumklima dagegen „erfreulich gut“, erklärt Remmele. Das Klima werde dort auch digital überwacht.

Die Unterlagen für die Ellwanger Teilorte befinden sich dagegen nach wie vor in Kellerräum­en des PG. An einen Umzug in das Rathaus ist laut Remmele zumindest vorerst nicht zu denken, denn die Kapazitäte­n im dortigen Archivkell­er sind vollständi­g ausgeschöp­ft. Um die Archive von Pfahlheim, Röhlingen, Rindelbach und Schrezheim verlegen zu können, müsste zuerst der kleine Magazinrau­m im Rathaus entspreche­nd ertüchtigt werden. Die beiden Räume im PG, in denen die Archive der Teilorte derzeit untergebra­cht sind, seien zwar „weit weg von gut“, erläutert Remmele im Gespräch mit der „Ipf- und Jagst-Zeitung“. Allerdings drohe den Dokumenten derzeit keine akute Gefahr.

Kriminalak­te – ein unverhofft­er Fund

Gänzlich unverhofft konnte der Stadtarchi­var in den letzten beiden Jahren ein paar kleinere Lücken im Ellwanger Archivbest­and schließen. Auf Auktionen waren historisch­e Behördenbr­iefe zu günstigen Preisen angeboten worden. Bei einem dieser Briefe handelte es sich um einen Teil einer Kriminalak­te aus der Fürstprops­tzeit über einen Kirchenräu­ber, der Opferstöck­e aufgebroch­en hatte. Die Justizbehö­rde hatte die umliegende­n Gemeinden angeschrie­ben, ob der Täter auch dort auffällig geworden war. Als Remmele den Brief erwarb, erkannte er, dass das Dokument mit einer laufenden Archivnumm­er versehen war – und dass genau der Brief mit dieser Nummer im Bestand fehlte.

Daraus folgert der Archivar, dass der Brief irgendwann aus dem Ellwanger Archiv entwendet wurde. Er vermutet, dass dies in den 80er Jahren geschehen sein könnte, als ein reger Sammlermar­kt für solche Dokumente existierte. „Das hat Penunze gebracht“, so Remmele vor dem Gemeindera­tsausschus­s. Heute sei allerdings nicht mehr nachvollzi­ehbar, wer das Dokument in der Zwischenze­it an wen verkaufte.

Reisetageb­ücher aus den 1950ern

Aus neuerer Zeit stammen zwei Reisetageb­ücher von Klara Birkle, der Ehefrau des früheren Organisten Ignaz Birkle, die aus privater Hand erworben wurden. Sie beschreibt unter anderem die Pilgerfahr­t einer Ellwanger Reisegrupp­e nach Rom im Heiligen Jahr 1950 und einen mehrwöchig­en Aufenthalt in den USA in den Jahren 1951/52. Ebenfalls aus Privatbesi­tz stammt eine Dokumenten­sammlung einer Bürgerinit­iative, die sich gegen den Ausbau des Schönen Grabens im Zuge des damals geplanten Südrings engagierte.

Im Schnitt werden vom Stadtarchi­v etwa 3000 Akten pro Jahr ausgegeben. Obwohl es sich bei der Mehrzahl der Dokumente um Bauakten handelt, erreichen Remmele mitunter auch kuriose Anfragen. Aus dem vergangene­n Jahr ist ihm zum Beispiel die Frage in Erinnerung, wann in Ellwangen erstmals ein Christbaum auf dem Marktplatz aufgestell­t wurde. Dies sei am 24. Dezember 1949 der Fall gewesen. Zwei Jahre später habe es bereits einen Gemeindera­tsbeschlus­s zu dem „traditione­llen“Christbaum

„Mit einem Wort: Platz“, wünscht sich Stadtarchi­var Christoph Remmele.

gegeben. „So schnell entstehen Traditione­n“, sagt der Archivar süffisant.

2017 hatte ihn ein Abtsgmünde­r Heimatfors­cher gebeten, Bronzetafe­ln zu entziffern, die auf dem Turm der Michaelski­rche entdeckt worden waren. Bei den Tafeln hatte es sich um Erinnerung­stafeln an eine Frau gehandelt, die im Jahr 1430 gestorben war.

„Da soll noch jemand sagen, dass die Archivarbe­it trocken oder staubig sei“, kommentier­te Oberbürger­meister Karl Hilsenbek den Bericht des Archivars. Wolfgang Seckler (Freie Bürger) ergänzte, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass das Archiv in guten Händen sei. Herbert Hieber (SPD) freute sich über das Engagement Remmeles und erkundigte sich, wie der Gemeindera­t die Arbeit des Archivars weiter unterstütz­en könne. „Mit einem Wort: Platz“, antwortete Remmele lakonisch.

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FOTO: GRALLA Stadtarchi­var Christoph Remmele im September 2015 mit einem Brief von 1696. Kürzlich hat er dem Kulturauss­chuss des Gemeindera­ts über seine Arbeit berichtet.

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