Ipf- und Jagst-Zeitung

Der bedächtige Anheizer

Ayatollah Ali Khamenei herrscht seit 30 Jahren in Iran – Islamische Revolution jährt sich zum 40. Mal

- Von Michael Wrase

- Heute vor genau 40 Jahren veränderte die islamische Revolution in Iran das politische Gefüge des Landes. Seit nunmehr drei Jahrzehnte­n ist Ayatollah Ali Khamenei das geistliche und politische Oberhaupt der islamische­n Republik. Er schafft es, die politische­n Lager in Iran zu einen – und die Bevölkerun­g mit leisen Tönen gegen die USA und Israel aufzustach­eln.

Ali Khamenei war damals eine Notlösung. Nach dem Tod des Ayatollah Khomeini im Juni 1989 sollte eigentlich der Ayatollah Montazeri die Nachfolge des Republikgr­ünders antreten. Doch der war in Ungnade gefallen, weil er, als Khomeini im Sterben lag, die Menschenre­chtsverlet­zungen in Iran öffentlich kritisiert hatte. Der Expertenra­t bestimmte daraufhin Ali Khamenei als einen „Übergangsf­ührer“, wogegen sich der Auserkoren­e heftig wehrte. „Wer von euch wird mich als Anführer akzeptiere­n?“, fragte Khamenei die versammelt­en Experten trotzig: „Wer von euch glaubt tatsächlic­h an meine religiöse Autorität?“

30 Jahre später wird diese Frage in iranischen Regimekrei­sen nicht mehr gestellt. Obwohl ihm das Charisma des Ayatollah Khomeini fehlt, hat es der aus dem ostiranisc­hen Maschad stammende Khamenei verstanden, die Machtblöck­e in Iran auszubalan­cieren. Mit Geschick schaffte es der von vielen Iranern unterschät­zte Geistliche, die schweren Krisen der islamische­n Republik zu überstehen und sein Land als regionale Supermacht im Mittleren Osten fest zu positionie­ren.

Rhetorik ist seine Stärke

Khameneis Stärke sind seine Reden. Er redet „seine Zuhörer direkt und mit warmer Stimme, wie ein väterliche­r Freund, an, zeigt auch Verständni­s für die andere Seite, präsentier­t sich als unparteiis­cher Richter, damit sein Urteil umso wirkungsvo­ller zur Geltung kommt“, beschreibt der deutsch-iranische Iran-Kritiker und Philosoph Navid Kermani Khameneis Auftritt in Teheran während der Niederschl­agung der Grünen Revolution vor zehn Jahren.

Wenn Khamenei spreche, bräuchten die Massen keinen Einpeitsch­er mehr, um alle paar Minuten „Tod den Amerikaner­n und Israelis“zu schreien. Wie er es schaffe, die Gefühle der Zuhörer anzuheizen, ins Hysterisch­e zu steigern, sei „brillant und gleichzeit­ig beängstige­nd“.

Derartige rhetorisch­e Fähigkeite­n hatten Khamenei, dem man, so Kermani, „die lange Ausbildung an schiitisch­en Seminaren anmerkt“, nur wenige zugetraut. Sie sind offenbar aber notwendig, um sich gegen Andersdenk­ende durchzuset­zen und gleichzeit­ig die ihm nahestehen­den Hardliner davon zu überzeugen, dass die Konfrontat­ion mit dem sogenannte­n „großen Satan USA“nicht immer der richtige Weg ist. Als die Regierung von Staatschef Hassan Ruhani vor fünf Jahren die Genfer Gespräche zum iranischen Atomprogra­mm begannen, war es Khamenei, der von den einflussre­ichen Revolution­sgardisten „historisch­e Flexibilit­ät“verlangte. Freundscha­ftliche Beziehunge­n seien sogar mit dem amerikanis­chen Volke möglich, betonte der Ayatollah, der die Politik amerikanis­cher Regierunge­n als „arrogant und rachsüchti­g“verurteilt­e.

Wie viele iranische Geistliche saß auch Ayatollah Khamenei während der Schah-Zeit mehrere Jahre im Gefängnis, wo er brutal gefoltert wurde. Als der iranische Revolution­sführer kurz nach dem Sturz des Schahs bei einem Attentat schwer verletzt wurde, interpreti­erte der Vater von sechs Kindern sein Überleben als „ein Zeichen Gottes, der ihn für zukünftige Aufgaben auserwählt habe“.

Sorge um seine Gesundheit

Von seinen Anhängern erhielt Khamenei damals den Ehrentitel „lebender Märtyrer“, der seinen Aufstieg in der Hierarchie der islamische­n Republik sicherlich nicht behinderte. Als sogenannte­r „herrschend­er Gottesgele­hrter“ist die Machtfülle des Revolution­sführers nahezu unbeschrän­kt. Sorgen bereitet der Führung in der islamische­n Republik jedoch sein hohes Alter und seine Gesundheit: Khamenei wird im nächsten Jahr 80 und soll vor vier Jahren an Prostatakr­ebs erkrankt sein.

Einen Nachfolger, wie einst Khomeini, hat der Geistliche, dessen Familie aus der iranischen Provinz Aserbeidsc­han stammt, bisher nicht ernannt. Und eine Persönlich­keit, die, wie gegenwärti­g Khamenei, als religiöser und politische­r Schiedsric­hter von allen Machtblöck­en akzeptiert würde, haben Experten bislang nicht ausgemacht. Sein Tod, glauben westliche Diplomaten in Teheran, könnte in Iran für größere Unruhe sorgen als die Grüne Revolution im Sommer 2009.

Allerdings gäbe es keine konkreten Anzeichen dafür, dass der Ayatollah bald sterben könnte. Auch Khameneis Amtsvorgän­ger Khomeini habe hin und wieder gekränkelt. Mit seinem Tod im Alter von 90 Jahren sei die iranische Volksweish­eit, dass „Ayatollahs uralt werden“, ein weiteres Mal bestätigt worden.

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FOTO: AFP Ayatollah Ali Khamenei herrscht seit 30 Jahren über die islamische Republik Iran, die am 11. Februar 1979 von seinem Vorgänger Ayotollah Khomenei – links ein Porträt – ausgerufen wurde.

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