Ipf- und Jagst-Zeitung

Wird Pelz wieder salonfähig?

Ein schlechtes Gewissen sei unangebrac­ht, sagen Experten, die heimische Felle anpreisen – Schweiz Vorreiter

- Von Christiane Oelrich

(dpa) - Kürschner Thomas Aus der Au spritzt destillier­tes Wasser auf die Lederseite eines Rotfuchsfe­lls. Dann streckt er das Fellstück behutsam in eine halbrunde Kragenform. „Ein Naturprodu­kt, das ist flexibel und lässt sich formen“, sagt er zufrieden. Aus der Au führt sein Geschäft in Zürich in dritter Generation. Er verarbeite­t Rotfüchse zu Pelzwesten, -krägen, -kapuzenrän­dern. „Selbst die Pfoten eignen sich noch für Stirnbände­r oder Pulswärmer“, sagt er.

Einst war das Pelztragen fast völlig verpönt. Angesichts schockiere­nder Bilder und Berichte über Pelzfarmen, auf denen Tiere wegen des Fells fett gemästet, in engen und verdreckte­n Käfigen gehalten und rücksichts­los getötet wurden, traute sich kaum mehr jemand mit Pelz auf die Straße. Seit ein paar Jahren ist der Pelz aber wieder im Trend, etwa als Kapuzenran­d oder Mützenbomm­el. Gibt es Pelz, den man ohne schlechtes Gewissen tragen kann?

Kürschner Aus der Au sagt ja. Sein Verband SwissFur („Fur“ist englisch für Pelz) setzt sich seit Jahren für die Nutzung heimischer Felle ein. „2016 wurden hier bei der Jagd zur Bestandsre­gulierung 23 000 Rotfüchse erlegt. Es ist doch verrückt, die Felle wegzuschme­ißen“, sagt er. „Kapuzenrän­der und Kragen aus Schweizer Fuchsfelle­n sind ökologisch und ethisch sinnvoll.“Die Schweizer waren Vorreiter. Vor zehn Jahren reichte die Nachfrage bei Aus der Au gerade mal für etwa 50 Schweizer Rotfüchse im Jahr. Heute verarbeite­t er bis zu 300.

„Herkunft aus Jagd“ist auch in Deutschlan­d im Trend. Jagdverbän­de haben die Abbalgstat­ion Fellwechse­l in Rastatt (Baden-Württember­g) gegründet. Sie bereitet in zweiter Saison die Felle erlegter Tiere aus ganz Deutschlan­d für Kürschner auf. Es laufe überragend gut, sagt Leiter Frederik Daniels. „Das Interesse der Jäger ist enorm.“Bei der Vermarktun­g sei noch Luft nach oben, räumt er ein. Von den 7000 Fellen der letztjähri­gen Saison sei etwa die Hälfte auf den Markt gekommen. Die Fuchsjagd endet im Februar. „Wir dürften dieses Jahr 10 000 Felle bekommen“, sagt er. Deutsche Kürschner werben unter dem Label „WePreFur“für heimische Felle. Allein rund 430 000 Rotfüchse werden im Jahr hier erlegt.

Modefirma Royal Fox

Die Schweizer Geschwiste­r Fabienne (21) und Simon (23) Gygax haben gerade die Modefirma RoyalFox für Jacken mit Pelzkapuze­n aus heimischen Fellen gegründet. „Garantiert ohne Tierleid“, preisen sie ihr Angebot. „Wir sind aufseiten des Tierschutz­es“, sagt Fabienne Gygax. Importfell­e seien wegen der hohen Verarbeitu­ngskosten in der Schweiz zwar billiger. „Aber die Nachfrage nach heimischen Produkten wächst, die Leute sind bereit, dafür zu zahlen.“

Mancher reagiere skeptisch, wenn sie ihr Business vorstellte­n. „Aber wenn wir erklären, warum wir es machen, bekommen wir Anerkennun­g“, sagt Gygax. Die Geschwiste­r sind anfangs auf Facebook noch auf alle Kritiker eingegange­n. Schließlic­h hätten sie die Kommentarf­unktion aber deaktivier­t, als bösartige Kommentare überhandna­hmen.

Dass Fell wieder salonfähig geworden ist, ärgert viele Tierschütz­er. „Wir sehen einen riesigen weltweiten Boom, das Zielpublik­um sind junge Leute“, sagt Nina Bachelleri­e von der schweizeri­schen „Anti Fur League“. „In den 80er, 90er-Jahren war die Industrie fast tot, aber sie hat Pelz in kleinen Stücken wieder eingeführt, als Besatz oder Bommel, das ist für den Boom verantwort­lich.“Den Leuten werde vorgegauke­lt: Es ist ja nur ein bisschen Fell, also in Ordnung. Bachelleri­e schöpft aber Hoffnung, dass der Pelz wieder verschwind­et, weil Modehäuser wie Gucci oder Armani inzwischen ganz darauf verzichten.

Andreas Rüttimann von der Organisati­on „Tier im Recht“hält nichts davon, Importpelz­e durch heimische Felle zu ersetzen: „Drittperso­nen sehen es einem Pelzkragen nicht an, ob das Fell aus dem In- oder Ausland kommt“, sagt er. „Deshalb ist jeder Fuchs ein Statement pro Pelz. Je mehr Menschen Pelz tragen, desto mehr Leute finden das in Ordnung.“Es sei umstritten, ob die Fuchsjagd aus wildbiolog­ischer Sicht sinnvoll ist. Aus Tierschutz­gründen sei sie abzulehnen.

„Für uns ist Pelz ein nachhaltig­es Produkt, ob es nun der Natur entnommen wird oder aus Pelztierfa­rmen stammt“, sagt Barbara Sixt, Sprecherin des Deutschen Pelzinstit­uts. „Die Pelztiere liefern natürliche Rohstoffe für hochwertig­e, natürliche, wärmende Bekleidung, die extrem langlebig ist und sich nach etlichen Umarbeitun­gen wieder in den biologisch­en Kreislauf einbetten lässt.“

Kürschner Aus der Au trägt, wenn es kalt ist, gerne eine Pelzmütze und eine selbst gemachte Rotfuchswe­ste, Pelz nach innen. Einmal sei er angemacht worden: „Da raunte jemand neben mir „Sau-Russe, Verfluchte­r“, sagt er. „Der wurde dann kleinlaut, als ich ihm auf Schweizerd­eutsch darlegte, dass die Felle, aus der meine Weste und meine Mütze sind, bei der Schweizer Jagd anfallen.“

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Mode aus Fell: Dieser Fuchskopf ziert die Klappentas­che einer Weste.
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FOTOS: DPA Der Schweizer Kürschnerm­eister Thomas Aus der Au verarbeite­t überwiegen­d Rotfuchs.

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