Ursula von der Leyen kämpft jetzt gegen den Abstieg
Seit 13 Jahren prägt sie als Ministerin die deutsche Politik entscheidend mit, nun droht sie zu scheitern – Wie konnte das passieren?
- Die Geschichte von Ursula von der Leyens Karriere war lange Zeit die eines Aufstiegs. Ihr Weg nach oben schien unaufhaltsam. Doch das ist vorbei. Die Ministerin muss kämpfen. Erstmals geht es bei ihr nicht mehr ums weitere Vorankommen, sondern ums Bleibendürfen. Beim Gerangel um CDU-Spitze und Pole-Position fürs Kanzleramt Ende vergangenen Jahres war sie, die langjährige Anwärterin, gar nicht mehr dabei. Was ist da passiert?
Von der Leyen, die Tochter des ehemaligen niedersächsischen CDU-Ministerpräsidenten Ernst Albrecht und Mutter von sieben Kindern, begann ihre politische Karriere erst mit über 40 Jahren: Kommunalpolitik, Landesregierung, Bundeskabinett, beinahe sogar Bundespräsidentin. Sie ist die Einzige, die durchgängig in den Regierungen von Kanzlerin Angela Merkel dabei war, sie hält sich seit über 13 Jahren in den Topjobs der Bundespolitik. Sie hat die Ministerien für Familie und für Arbeit nicht nur ordentlich gemanagt, sondern aktiv geprägt: Krippenausbau, Elterngeld, Hartz-IVNeuberechnung. Von der Leyen ging stets nach demselben Prinzip vor: umkrempeln und dafür sorgen, dass es alle mitbekommen. Sie riskierte Niederlagen, machte sich Feinde, aber sie setzte sich durch.
Hier stößt sie an ihre Grenzen
Dann übernahm sie das Schicksalsressort Verteidigung, in dem schon manche Politkarriere endete. In dem Riesenapparat Bendlerblock – in dem Generäle, zivile Beamte, Rüstungsfirmen, Schulschiff-Nostalgiker und Cyberkrieger um Kurs und Einfluss ringen – stößt die „Methode von der Leyen“an ihre Grenzen.
Mit Mut und Energie hatte sie sich in die Aufgabe gestürzt. Ihr erster Vorstoß als Ministerin – mehr Teilzeitarbeit, mehr Kita-Plätze – brachte ihr Spott ein: „Windeloffensive“, „Halbtagssoldaten“. In den Kasernen aber kam das gut an. Doch als sie ein paar Jahre später in der Debatte um rechtsradikale Umtriebe und fragwürdige Ausbildungspraktiken der Bundeswehr ein „Haltungsproblem“vorhielt, war die Sympathie verspielt. Weitere Probleme kamen hinzu: Die großen Reformen drohen sich zu verhaken, ihre RüstungsStaatssekretärin gab frustriert auf. Die technischen Probleme, die von der Leyen lange ihren Amtsvorgängern anhängen konnte, sind inzwischen ihre eigenen. Und dann sind da noch das Drama um den Dreimaster Gorch Fock und die Berateraffäre.
„Die Ministerin hat ihr Haus scheinbar nicht mehr vollends unter Kontrolle“, sagt der Grünen-Verteidigungsexperte Tobias Lindner. Kontrollverlust – für jemanden wie von der Leyen wäre das die Höchststrafe. Nun ist Lindner ein gewiefter Oppositionspolitiker. Er weiß, wie er seine Angriffe setzen muss. Bedenklicher ist, dass Töne wie „Pannenministerin“, „da brauchen wir einen Neuanfang“, inzwischen auch aus den eigenen Reihen zu hören sind.
Ihr Verbündeter? Das Publikum
Dabei hat von der Leyen vieles erreicht: Den Verteidigungshaushalt hat sie von rund 32 Milliarden auf fast 43 Milliarden Euro erhöht, die Truppe wächst wieder, das mäandernde Beschaffungssystem der Bundeswehr wurde gründlich sortiert. Was sie nie geschafft hat, ist, außerhalb ihres eingeschworenen Führungszirkels Mitstreiter zu organisieren. Ihr Verbündeter war stets die Öffentlichkeit und nicht die eigene Partei. Sie saß in Talkshows, nicht in Hinterzimmern. Im Wahlkampf haben ihre CDU-Kollegen sie häufig eingeladen: Von der Leyen trifft Basis und Bürger, das funktioniert, weil sie gut erklären und anschaulich argumentieren kann. Beim Parteitag im Dezember in Hamburg aber bekam sie erneut das schlechteste Ergebnis der fünf CDU-Vizes.
Nun aber gerät auch von der Leyens Bündnis mit den Wählern ins Wanken. Denn eigentlich ist diesen das Militärische suspekt. „Wir Deutschen wollen das eigentlich alles nicht“, sagt einer, der lange im Ministerium gearbeitet hat. Tödliche Waffen sind daher nicht unbedingt der ideale Hintergrund für ein sympathisches Ministerinnen-Image. Von der Leyen meidet daher solche Bilder.
Wie geht es weiter mit der 60 Jahre alten Ministerin? Die Rückendeckung der Kanzlerin hat sie, nach allem, was man hört. Merkel ist von der Leyens offensive Art etwas suspekt – sie hegt aber durchaus Bewunderung für deren Risikobereitschaft.
Merkel aber wird allerspätestens 2021 abtreten. Es ist wahrscheinlich, dass sich die weitere Verwendung von der Leyens vorher entscheidet. Fürs Hinschmeißen ist sie nicht der Typ, für den Wechsel in eine andere, schönere, vielleicht internationale Aufgabe schon eher. In jedem Fall wird auch sie irgendwann mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet werden. Und bei der Musikauswahl gilt dann auch für von der Leyen: Wünsch’ dir was.