Homeoffice bietet nicht nur Vorteile
Arbeitsminister Heil will Rechtsanspruch schaffen – Studie zeigt Schattenseiten
- Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat es selbst schon vorgelebt. Als die Sozialdemokratin noch Familienministerin in Berlin war, nutzte sie ab und zu schon mal einen Tag Homeoffice. Heute unterstützt sie Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD, der einen Rechtsanspruch darauf einführen will. „Ich werde ein Recht auf Homeoffice auf den Weg bringen, das die Balance von Sicherheit und Flexibilität wahrt“, kündigte Heil an.
Beim Thema Homeoffice ist Deutschland ein Entwicklungsland. Während in Skandinavien schon rund 28 Prozent zu Hause arbeiten, sind es in Deutschland erst elf Prozent. Bis zu 40 Prozent der Arbeitsplätze wären auch in Deutschland für Homeoffice geeignet, heißt es in Untersuchungen. Die Niederlande haben das Recht darauf schon 2015 eingeführt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit dem Homeoffice entfällt die Zeit der Fahrt zum Arbeitsplatz. Der Arbeitgeber spart Bürokosten, und Verkehrspolitiker hoffen auf eine Entlastung der Straßen zur Rushhour.
Vor allem aber soll Homeoffice die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern, sowohl für pflegende Angehörige als auch für Eltern. Trödelnde Kinder? Kein Problem, man kann ja etwas später anfangen. Und notfalls auch, ohne sich vorher adrett angezogen und frisiert zu haben. Elternsprechtag in der Schule? Schafft man lässig, weil man ja später weiterarbeiten kann.
Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung wollte es genau wissen und ließ untersuchen, wie sich die Arbeit zu Hause auf die Arbeitszeiten auswirkt. Das Ergebnis ist eher ernüchternd. Mütter, die im Homeoffice arbeiten, kommen wöchentlich auf drei Stunden mehr Betreuungszeit für die Kinder, machen zugleich aber eine Überstunde im Beruf. Väter, die zu Hause arbeiten, nehmen sich nicht mehr Zeit für ihre Kinder, leisten aber im Schnitt zwei Überstunden mehr als ihre Kollegen. „Einen Freizeitgewinn mit flexiblen Arbeitsarrangements gibt es weder für Mütter noch für Väter“, sagt Yvonne Lott, die Expertin für Gender und Arbeitszeit der Hans-Böckler-Stiftung.
Sie warnt: „In Betrieben, in denen die Leistungsanforderungen hoch sind, beziehungsweise eine Kultur der idealen Arbeitskraft vorherrsche, die den Job über alles stelle, könnten flexible Arrangements zu einer Ausdehnung der Arbeitszeiten führen.“Das Versprechen, „Arbeite, wann immer du willst“, sei häufig Teil einer leistungsorientierten Managementstrategie, die eher meint, „Arbeite rund um die Uhr, wenn es sein muss.“Die traditionellen Muster sind nach wie vor in Kraft. Männer leisten an Werktagen über die Woche hinweg unter zehn Stunden Kinderbetreuung, Frauen kommen auf 20 Stunden. Entsprechend nutzen Frauen das Homeoffice, um mehr Zeit für die Kinder zu haben und kommen auf 21 Stunden gegenüber 18 Stunden von berufstätigen Müttern ohne Homeoffice. Väter investieren durchschnittlich an Werktagen wöchentlich knapp 13 Stunden in Kinderbetreuung. Ob sie im Homeoffice arbeiten oder nicht, macht keinen Unterschied.
Zu Lasten der Mütter
Erholsamer für Frauen scheint ein normaler Berufsalltag zu sein. Mütter mit festen Arbeitszeiten und ohne Homeoffice schlafen im Schnitt zehn Minuten mehr als ihre Kolleginnen im Homeoffice.
„Flexibles Arbeiten geht insgesamt eher zu Lasten der Beschäftigten und ganz besonders gilt das für Mütter“, so die Studie. Allerdings hält Yvonne Lott einen rechtlichen Anspruch auf Homeoffice für wünschenswert. Der könne die Präsenskultur in Betrieben aufbrechen. „Bisher ist Homeoffice oft noch die Ausnahme und ein Privileg für Leistungsträger. Das erforderte in der Regel eine Gegenleistung, zum Beispiel längere Arbeitszeiten.“Ein Recht darauf könne helfen. Die Studie mahne allerdings auch an, dass dann Regelungen zu den Zeiten der telefonischen Erreichbarkeit getroffen werden sollten. Damit erhalte das Homeoffice einen geregelten Rahmen, auf den sich sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte stützen könnten.