Auch im Paradies gibt es Probleme
Expeditionskreuzfahrten durch die Südsee bedienen nicht nur Klischees
(dpa) - Die Südsee ist ein ultimatives Sehnsuchtsziel. Auf einer Expeditionskreuzfahrt lässt sich die Inselwelt besonders gut erkunden. Es ist eine Reise in eine Welt voller exotischer Klischees – und der Versuch, dahinter zu schauen.
Auf den letzten Meilen nach Mata-Utu, Hauptstadt des Königreichs Uvea und ein Teil des französischen Überseegebiets Wallis und Futuna, wird es heikel. „Die Seekarten im ganzen Riff sind nicht exakt“, sagt Kapitän Axel Engeldrum. Die Riffe seien zwar eingezeichnet, aber sie ragten weiter in die Fahrrinne hinein als dargestellt. „Untiefen in der Passage sind gar nicht markiert.“Daher ist ein lokaler Lotse an Bord. Manövrieren auf Sicht, mit Tageslicht.
Expedition durch den Südpazifik
Ein großes Kreuzfahrtschiff kann Wallis nicht erreichen. Doch die Urlauber sind unterwegs auf der „Bremen“, einem Schiff der Reederei Hapag-Lloyd Cruises mit Platz für nur 155 Gäste. Sie nehmen teil an einer Expeditionskreuzfahrt durch den Südpazifik: 17 Tage ostwärts, von Fidschi über Wallis und Futuna, Samoa und die Cookinseln nach Französisch-Polynesien. Expeditionsleiter Ole Stapelfeld macht die Passagiere am ersten Reisetag mit dem Fahrgebiet vertraut. „Die Menschen im Pazifik sind offenherzig“, sagt er. Es gebe eine „positive Distanzlosigkeit“, man begegne sich direkt, ohne Statusfragen nach dem Job. Stapelfeld weiß um das Klischeebild der Südsee. „Man muss es auch ein-, zweimal erfüllen.“Man brauche den typischen Strand und polynesische Tänze. „Aber ich möchte auch die Realität zeigen.“Man weise die Gäste auf Probleme hin: etwa Kulturverlust durch die christliche Missionierung, Überfischung und Umweltverschmutzung. Man könne nicht so tun, als sei das hier ein konfliktfreier Raum.
Der Auftakt der Kreuzfahrt liefert tatsächlich erst einmal keine Postkartenmotive. Morgens ein Badestopp an einem Hotelstrand von Fidschis Hauptinsel Viti Levu – das Meer liegt grau unter Wolken. Suva am Nachmittag – eine Verwaltungsstadt. Tag drei bringt dann die erwarteten Tänze, sensibilisiert aber auch für die großen Probleme. Auf der Insel Kioa leben Klimaflüchtlinge, deren Vorfahren die Insel einst kauften. Ihre Heimat Tuvalu geht wegen des steigenden Meeresspiegels langsam unter. Am Nachmittag gibt es auf der Nachbarinsel Rabi einen Dorfbesuch mit Begrüßungsritual. „Da haben wir die Kultur hautnah erlebt“, sagt der Kapitän später. Als individueller Tourist bekomme man das ja gar nicht zu sehen. „Das hat mich auch stolz gemacht.“
Bevor es nach Wallis geht, läuft das Kreuzfahrtschiff das kleine, unbewohnte Eiland Alofi an. Der Sandstrand ist fast blütenweiß. Allein der schwarze Rauch aus dem Schlot der „Bremen“in einiger Entfernung zur Küste wirkt etwas verstörend. Das Schiff fährt in der Südsee mit dem umweltschädlichen Schweröl. Ab Juli 2020 will die Reederei auf Expeditionsfahrten nur noch schadstoffärmeres Gasöl einsetzen.
Ankunft auf Wallis. Es geht zu einer Festungsruine und zu einem mit Wasser gefüllten Krater. Die Lava ist hier einst aus dem Schildvulkan abgeflossen, der Vulkan abgesunken und erkaltet, Meer- und Süßwasser strömten in den Krater. Der LalolaloSee könnte gut als Kulisse für einen Dinosaurierfilm herhalten, läge Wallis bloß nicht so abgelegen. Ein Schiff mit Touristen kommt hier etwa viermal im Jahr vorbei. Die Passagiere der „Bremen“genießen das Privileg, an Orte zu kommen, die kaum ein Tourist je zu Gesicht bekommt.
Überschreiten der Datumsgrenze
Auf Samoa steuert die „Bremen“die zwei Hauptinseln an: Upolu mit der Hauptstadt Apia und Savai’i. Auf Ausflügen lernen die Passagiere das komplexe Matai-Herrschaftssystem kennen und spazieren über das erkaltete Lavafeld, das der Vulkan Matavanu 1905 geschaffen hat. Nach dem eng getakteten Programm der vorangegangenen Tage haben die Urlauber danach an zwei Seetagen nun Zeit zu entspannen. Auf den mehr als 900 Meilen nach Rarotonga überquert die „Bremen“die Datumsgrenze, sodass der Mittwoch auf See gleich zweimal stattfindet. Die Frage, warum das so sein muss, sorgt an Bord tagelang für Diskussionen.
Je weiter das Schiff nach Osten fährt, desto touristischer werden die Inseln – und umso reizender die Südseebilder. Die Muri-Lagune auf Rarotonga ist schon ein Hingucker. Doch erst am Folgetag auf Aitutaki ist die Kulisse perfekt: Das Atoll ist von einem Barriereriff mit mehreren Motus umgeben – das sind kleine Inseln mit weißem Sand und Palmen, die entweder vulkanischen Ursprungs sind oder auf den Korallen wachsen. Wenn die Sonne scheint, strahlt die Lagune innerhalb des Riffs kilometerweit in einem betörenden Türkis.
Ausflugsziel des Tages ist One Foot Island. Auf dem Weg dorthin lassen sich beim Schnorcheln bunte Riesenmuscheln beobachten, auch eine Muräne zeigt sich. Doch der Höhepunkt der Kreuzfahrt folgt für viele erst noch: die Gesellschaftsinseln in Französisch-Polynesien, Raiatea, Moorea – und Bora Bora. Auf einem Bootsausflug schnorcheln die Urlauber mit Stachelrochen, beim Mittagessen sitzen sie an Tischen im Meer, sodass die Füße von Fischen umschwärmt werden. Die Farben sind so intensiv, dass die in der Luft schwebende Möwe durch die Reflexion des Wassers von unten türkis leuchtet.
Hier auf Bora Bora, ganz am Ende der Reise, verwirklicht sich endgültig das Südsee-Klischee, jedenfalls landschaftlich. Stapelfeld, der während der Kreuzfahrt versucht, ein möglichst differenziertes Bild des Reiseziels zu vermitteln, gibt zu, dass auch er gerne an einem Traumstrand liege. „Ich glaube, da haben wir alle eine Sehnsucht nach.“