Kandidat
Es ist für einen kantigen Mann wie eine erstaunlich heimelige Kulisse zu Hause im Wohnzimmer. Neben seiner Frau Amy sitzt er auf einem Sofa, nur steht die biedere Kulisse in auffallendem Kontrast zu seinen dramatischen Worten. Die Herausforderungen – eine Krise der Wirtschaft, der Demokratie und des Klimas – seien nie größer gewesen als heute, sagt der schlaksige Politiker. „Entweder verzehren sie uns, oder sie geben uns die einmalige Chance, das Genie der Vereinigten Staaten von Amerika zu entfesseln.“
Mit der Videobotschaft aus dem Wohnzimmer stoppt O’Rourke ein Karussell der Spekulationen, seit er im konservativen Texas zwar eine Senatswahl verlor, aber doch deutlich knapper, als man es bei einem Demokraten für möglich gehalten hatte. Am Donnerstag sagte er, dass er sich 2020 fürs Oval Office bewerbe.
O’Rourke ist in der Lage, aus dem Stegreif druckreife, bisweilen poetische Sätze zu drechseln. Sein Thema ist der Charakter Amerikas, das Selbstverständnis einer Einwanderernation, die sich eben nicht durch eine Mauer abschotten dürfe. Zudem vermittelt er das Gefühl, Brücken über politische Gräben bauen zu können. Manche erinnert das an Barack Obama, den umjubelten Senkrechtstarter der Wahl 2008.
Mit dem Eintritt des 46Jährigen ins Kandidatenfeld der Demokraten gibt es jetzt ein Dutzend Bewerber, und O’Rourke, ab 2012 sechs Jahre lang Abgeordneter des Repräsentantenhauses, gehört auf Anhieb zu den Favoriten. Das hat auch viel mit seinem Charisma zu tun.
Forderungen wie jene nach einer staatlichen Einheitskrankenkasse oder einer Vermögenssteuer trägt er nicht mit. Er verlangt ein Verbot des Verkaufs von Schnellfeuergewehren, einen staatlich garantierten Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde und eine Einwanderungsreform, die illegal in den USA lebenden Migranten den Weg zur Einbürgerung ebnen soll. Frank Herrmann Der Demokrat Beto O’Rourke bringt sich als Präsidentschaftskandidat in Position.