China spaltet die EU
Ärger um Italiens Interesse an der „Neuen Seidenstraße“
(AFP/dpa) - Chinas Staatschef Xi Jinping hat eine fünftägige Europareise mit einem Besuch in Rom begonnen. Xi landete am Donnerstag in der italienischen Hauptstadt. Sein Aufenthalt genießt besondere Aufmerksamkeit, weil sich Rom Chinas umstrittener Initiative zum Aufbau einer „Neuen Seidenstraße“anschließen will. Dazu will die Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte als erstes Mitglied der Gruppe der wichtigen Industrienationen (G7) am Samstag eine Absichtserklärung unterschreiben.
Peking will im Rahmen des geostrategischen Vorhabens Milliarden in Häfen, Straßen, Bahnstrecken, Telekom-Netze oder Flughäfen investieren. So sollen neue Wirtschaftsund Handelskorridore nach Europa und Afrika entstehen. Viele EU-Partner und die USA haben Bedenken. Sie kritisieren mangelnde Transparenz und unfaire Wettbewerbsbedingungen.
- Wenn der chinesische Staatschef nach Italien reist, um für die neue Seidenstraße zu werben, muss natürlich Marco Polo herhalten. „Der berühmte Entdecker hat die erste Welle des China-Fiebers ausgelöst“, ließ Xi Jinping in einen Gastbeitrag in der italienischen Zeitung „Corriere della Sera“schreiben. Jetzt soll sich Italien von einer neuen Welle der Begeisterung für Fernost anstecken lassen: Am Donnerstagabend ist Xi in Italien angekommen, um bis Samstag mit Ministerpräsident Giuseppe Conte über eine engere Zusammenarbeit zu verhandeln.
Trotz der romantischen Gedankenverbindung zu dem Venezianer Marco Polo geht es dabei um harte Fragen des geopolitischen Einflusses. Denn Italien wird am Samstag voraussichtlich der Seidenstraßeninitiative beitreten. Das entspricht einem Tritt gegen das Schienbein von Europapolitikern in Brüssel und anderen Hauptstädten des Kontinents. „Peking versucht, eine einheitliche EU-Position gegenüber China zu verhindern“, sagt Bernhard Bartsch, Asien-Experte bei der Bertelsmann-Stiftung. „In Italien ist das nun bereits gelungen.“
Italien wäre das erste Land aus dem Klub der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen G7, das Mitglied der Seidenstraßeninitiative wird. Es wäre auch das erste Kernland der EU, das einen den Pakt mit China abschließt. Diese Neuausrichtung kommt zur Unzeit, denn die EU versucht gerade, eine gemeinsame Chinapolitik zu formulieren. Derzeit erwägt der europäische Rat beispielsweise eine Regel, nach der öffentliche Aufträge nur dann an chinesische Firmen vergeben werden können, wenn China sich in gleichem Maße für europäische Anbieter öffnet. „China will nun kleinere oder wirtschaftlich schwächere Mitgliedsstaaten dazu bringen, aus der gemeinsamen Linie auszuscheren“, sagt Bartsch. „China spielt damit auch sehr geschickt auf der Klaviatur EU-kritischer Stimmungen in vielen Ländern.“
Einfallstor für Spionage
Xi nannte zu Wochenbeginn noch ausdrücklich „Häfen, Logistik, Schiffbau, Transport, Energie, und Telekommunikation“als Bereiche der neuen Zusammenarbeit. „Telekommunikation“– das hieße auch, dem Elektronikkonzern Huawei freie Hand beim Netzausbau zu geben. In anderen Ländern, darunter Deutschland, wächst derweil das Misstrauen gegenüber chinesischer Technik. Diese kann schließlich Einfallstor für Spionage sein. Bei diesem Gedanken wird offenbar auch den Akteuren in Rom mulmig. Italienische Sicherheitsinteressen gehen vor, versicherte die Regierung. Dem Vernehmen nach sollen die Netze nun von dem Abkommen ausgenommen sein.
Der Symbolwert des Schritts ist dennoch enorm. Die Seidenstraßeninitiative ist eine persönliche Idee von Staatschef Xi. Seit sechs Jahren jettet er um den Globus und vermarktet das Projekt – mit großem Erfolg. Über 100 Länder haben bereits verschiedene Verträge im Zusammenhang im Rahmen der „Belt and Road Initiative“(BRI) unterschrieben. Dabei geht es nicht in erster Linie um Handelsrouten, sondern um Infrastrukturinvestitionen und um Marktöffnung. Je mehr Staaten mitmachen, desto mehr Legitimation hat der bisher noch sehr lose Bund.
In Europa berüchtigt sind die Ereignisse beim China-Osteuropa-Gipfel 2013 in der rumänischen Hauptstadt Bukarest. Die osteuropäischen Staaten empfingen den chinesischen Premier Li Keqiang als Ehrengast – und der wiederum hat die Gelegenheit genutzt und sich schamlos am Rand der EU eingekauft. China verfügt nach Jahren des Exporterfolgs über Reserven in Höhe von drei Billionen Euro, die es nun nutzt, um weltweit Infrastrukturprojekte zu finanzieren. Bestes Beispiel ist eine Schnellbahnstrecke von Athen über Belgrad nach Budapest, natürlich mit chinesischen Zügen, nicht dem TGV oder ICE. Griechenland, Serbien und Ungarn stehen damit bereits auf der Empfängerliste chinesischer Kredite und gehören fest zum Seidenstraßenprojekt. In Zeiten des Handelskriegs mit den USA sind solche Bündnisse für Xi enorm wertvoll. Der Effekt ist bereits spürbar. Griechenland hat vor zwei Jahren eine EU-Erklärung zur Menschenrechtslage in China torpediert.
Auch Italien erliegt nun offenbar den Verlockungen des chinesischen Geldes. Der Zustand der Infrastruktur ist dort ein politisches Streitthema: Im August ist in der Hafenstadt Genua eine Betonbrücke eingestürzt; auch der Rest des Straßennetzes altert. Zugleich hängt die Wirtschaft in der Rezession fest.
Mahnende Worte kamen von der Spitze des italienischen Staates: Italiens Präsident Sergio Mattarella sagte in einem Interview mit chinesischen Medien, die Intensivierung der Beziehungen zwischen Italien und China müsse in einem „möglichst offenen und transparenten Rahmen“geschehen.