Staatsanwaltschaft arbeitet am Limit
Zahl der Verfahren hat deutlich zugenommen – Hoher Ermittlungsdruck bei Haftsachen
ELLWANGEN - Mit einem „ganz massiven Zuwachs“an Ermittlungsverfahren ist die Ellwanger Staatsanwaltschaft im zurückliegenden Jahr konfrontiert gewesen. Das hat der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Freyberger bei einem Pressegespräch in Ellwangen erklärt. Für die Dezernenten sei die Belastungssituation im Jahr 2018 im Vergleich zu 2017 noch einmal gestiegen.
„Wir arbeiten weiterhin am Limit“, fasste der Leitende Oberstaatsanwalt die Lage der Ellwanger Staatsanwaltschaft zusammen. Zwar sei im vergangenen Jahr die Personalstärke um eine Stelle auf 26 Staats- beziehungsweise Amtsanwälte gestiegen. Dennoch stünden Ellwangen laut dem Personalbedarfsberechnungssystem der Justizbehörden noch vier weitere Vollzeitkräfte im Dezernentenbereich zu, sagte Freyberger. Vom Justizministerium in Stuttgart gebe es die „klare Ansage, dass man in diese Richtung gehen will“.
Im Schnitt kurze Verfahrensdauer
Mit einer Fallzahl von 20 900 Verfahren gegen bekannte Beschuldigte wurde 2018 laut Freyberger der höchste Stand seit dem Jahr 2007 erreicht. Der Leitende Oberstaatsanwalt bewertete diesen Trend als einen „ganz massiven Zuwachs“. Dank der Verstärkung beim Personal habe man das gestiegene Aufkommen noch stemmen können, aber man bekomme immer mehr Schwierigkeiten, dieser Masse noch Herr zu werden, so Freyberger. Die Zahl der Ermittlungen gegen Unbekannt ging mit 13 530 im Vergleich zu 2017 zwar etwas zurück, sei aber auf einem hohen Niveau geblieben. Eine erhebliche Steigerung gab es bei den offenen Verfahren. Zum Jahresende 2018 lag die Zahl der noch nicht erledigten Fälle bei 2377. Damit wurde der bisherige Höchststand aus dem Jahr 2017 noch einmal übertroffen. „Wir haben es nicht vollständig geschafft,
den Output genauso hoch zu halten wie den Input“, sagte Freyberger. Die Zunahme der offenen Verfahren betrachtete der Leitende Oberstaatsanwalt zwar nicht als dramatisch. Er verwies jedoch darauf, dass jeder Dezernent und jede Dezernentin pro Tag acht Verfahren erledigen müsse, um mit den neu eingehenden Fällen Schritt halten zu können. Die Belastungssituation sei 2018 im Vergleich zum Vorjahr um ein gutes Stück gestiegen. Für 2019 gehe die Entwicklung noch weiter nach oben.
Mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 41,77 Tagen ermittelte die Ellwanger Staatsanwaltschaft im Jahr 2018 schneller als der Durchschnitt im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart: Hier dauern die Verfahren im Mittel 53,27 Tage. Im laufenden Jahr liege die durchschnittliche Verfahrensdauer sogar bei 36,65 Tagen, freute sich der Leitende Oberstaatsanwalt.
Unter besonderem Druck stünden die Ermittler bei Haftsachen, erläuterte
Staatsanwalt Jens Weise. Das sei dann der Fall, wenn Tatverdächtige in Untersuchungshaft genommen werden. Da für diese noch nicht verurteilten Personen die Unschuldsvermutung gelte, dürfe der Freiheitsentzug nur bis zu sechs Monaten dauern. Gerade bei komplexen Fällen wie bandenmäßigen Delikten, Ermittlungen mit vielen Beschuldigten oder Serienstraftätern müsse zügig ermittelt werden, man dürfe aber die Gründlichkeit nicht vernachlässigen, so Weise.
Häufung von Tötungsdelikten
Eine Häufung an Kapitalverbrechen habe es im September vergangenen Jahres gegeben, sagte der Erste Staatsanwalt Armin Burger in seiner Rückschau. Am 1. September habe ein 70-jähriger Mann in Schwäbisch Gmünd seine Ehefrau getötet und sich nach der Tat nach Litauen abgesetzt. Dort hatte er sich den Behörden gestellt, worauf er nach Deutschland ausgeliefert worden sei. Wegen verminderter Schuldfähigkeit sei der Mann zu einer Haftstrafe von acht Jahren verurteilt worden.
Ein weiteres Tötungsdelikt ereignete sich am 10. September ebenfalls in Gmünd. Dabei hatte ein Mann seinen Bruder erschossen und die Pistole dann auf seine Schwester gerichtet, wobei sich aber kein Schuss löste. Der Täter wurde wegen Mordes und Bedrohung zu lebenslänglicher Haft verurteilt. Das Urteil sei noch nicht rechtskräftig.
Am 19. September habe dann ein Mann in Steinheim am Albuch seinen Nachbarn mit einem Küchenmesser erstochen. Der Täter sei wegen Totschlags und Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden, weil das Gericht das Mordmerkmal der Heimtücke nicht habe feststellen können, sagte Burger.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Andreas Freyberger zog auch eine Bilanz der Vorfälle in der Landeserstaufnahmestelle am 30. April und am 3. Mai vergangenen Jahres. Nach der gescheiterten Abschiebung eines Togoers am 30. April habe man gegen sieben Beschuldigte wegen Landfriedensbruchs ermittelt. Gegen einen Mann sei das Verfahren eingestellt worden, gegen drei weitere sei Anklage am Ellwanger Amtsgericht erhoben worden. Bei den übrigen Männern sei der Aufenthaltsort nicht bekannt, sie seien zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben.
Beim polizeilichen Einsatz in der LEA am 3. Mai sei es zu tätlichen Angriffen gegen Beamte gekommen, darüber hinaus hätten sich Verdachtsmomente wegen Diebstahls, wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie gegen das Asylverfahrensgesetz ergeben. In 23 Verfahren sei Anklage erhoben worden, vier Verfahren seien an andere Staatsanwaltschaften abgegeben worden. Derzeit gebe es im Zusammenhang mit den Vorfällen in der LEA keine offenen Verfahren bei der Ellwanger Staatsanwaltschaft, sagte Freyberger.
„Wir haben es nicht vollständig geschafft, den Output so hoch zu halten wie den Input.“Leitender Oberstaatsanwalt
Andreas Freyberger