Entwarnung für Omira-Bauern
Rund 1600 Landwirte können sich auf die fast vollständige Rückzahlung ihrer Molkerei-Anteile freuen
HORGENZELL - Vor allem Erleichterung hat die Stimmung in der Horgenzeller Festhalle geprägt. Erleichterung darüber, dass die Zahl, auf die rund 1600 Milchbauern so lange hatten warten müssen, der 100 so nahe kam: 97. Mehr als 97 Prozent des von den Landwirten eingezahlten Kapitals liegt als Guthaben auf dem Konto der Omira Oberland-Milchverwertung (OOMV). Das ist das Ergebnis des Kassensturzes, den OOMV-Geschäftsführer Erich Härle den ehemaligen Besitzern der Ravensburger Traditionsmolkerei am Freitagvormittag vorgestellt hat. „Das hätten wir uns nicht träumen lassen, dass wir auf diesen Anteil kommen“, sagte Aufsichtsratschef Ewald Kostanzer der „Schwäbischen Zeitung“. „Viele Bauern hatten ja Angst, dass das ganze Kapital kaputt ist.“
Hintergrund für die Freude Kostanzers sind die Umstände und die Folgen, die sich aus dem Notverkauf der schwer angeschlagenen Molkerei vor gut zwei Jahren für die damals mehr als 2000 Omira-Bauern ergeben haben. Die Landwirte hatten das Unternehmen, das wegen der einseitigen Ausrichtung auf Milchpulver in Schieflage geraten war, für rund 27 Millionen Euro an den französischen Konzern Lactalis verkauft. Ziel des Deals war es, das von den Bauern in die Gesellschaft eingebrachte Kapital zu retten, das sich damals auf etwa 25 Millionen Euro belief.
Weil der Verkauf der Molkerei an einen für die Landwirte sehr günstigen Milchliefervertrag geknüpft war, stellte sich das Geschäft für die Bauern als lukrativ dar, bis im Dezember 2018 der Schock folgte. Lactalis verklagte die OOMV auf 23,5 Millionen Euro – unter anderem wegen einer angeblich arglistigen Täuschung aufgrund eines Milchumrechnungsfaktors. Ein Vorwurf, den Experten von Anfang an als „hanebüchen“bezeichneten. Die OOMV wies die Klage zurück und die Parteien einigten sich im Juni darauf, dass die Landwirte nicht 23,5 Millionen Euro, sondern nur 400 000 Euro zahlten.
Nach dieser Einigung gab Lactalis auch den noch nicht gezahlten Teil des Kaufpreises in Höhe von zehn Millionen Euro frei, was der OOMV endlich die Möglichkeit eröffnete, einen Schlussstrich zu ziehen, um zu schauen, wie hoch das Guthaben der Gesellschaft ist. Das ist nun klar: Auf dem OOMV-Konto liegen 18,5 Millionen Euro – aus dem Verkaufspreis mussten unter anderem Strukturkosten und Anwälte bezahlt, aber auch Bauern ausbezahlt werden. Dem steht der Wert der Anteile der Bauern von etwas mehr als 19 Millionen Euro gegenüber.
Bei ihrer außerordentlichen Gesellschafterversammlung haben die Landwirte beschlossen, jetzt elf der 18,5 Millionen Euro auszuzahlen. Der Rest werde vorerst für mögliche Risiken und den laufenden Geschäftsbetrieb als Reserve zurückgehalten, wie Kostanzer bestätigte. Diesem Vorschlag von OOMV-Chef Härle stimmten 98,7 Prozent der anwesenden Stimmrechte zu. „Natürlich wird auch in der nächsten Versammlung darüber zu reden sein, ob wir einen weiteren Teil auszahlen“, erklärte Kostanzer.
Über das Verhältnis zum französischen Konzern Lactalis, an den die OOMV die von den Bauern produzierte Rohmilch verkauft, sagte Härle: „Da ist alles im grünen Bereich.“In der nächsten Woche treffe er den Europa-Chef des Unternehmens, um mit ihm Milchzutaten zu besprechen. Das Verhältnis habe sich entspannt.
Morten Felthaus, der in Deutschland die Geschäfte für Lactalis führt, wollte dagegen nichts zu seinem Vertragspartner sagen. Auch die Fragen der „Schwäbischen Zeitung“nach den Gerüchten über eine mögliche Verlagerung der Frischeproduktion von Ravensburg nach Neuburg an der Donau, nach den beim Kauf versprochenen Investitionen und danach, ob die Molkerei Omira profitabel sei, blieben unbeantwortet.
Diese Fragen waren den Landwirten in Horgenzell auch nicht wichtig, sie waren erleichtert, dass der allergrößte Teil ihres investierten Kapitals gesichert ist. Gesichert nicht zuletzt dadurch, dass die Bauern standhaft geblieben und bei der Klage im vergangenen Winter eben nicht eingeknickt sind. „Wir haben die Nerven bewahrt“, sagte Härle. „Das war schon aufreibend, kein Spaziergang.“Es ging ja immerhin auch um 23,5 Millionen Euro.