Ipf- und Jagst-Zeitung

Mit dem Gewitter kommt die Angst

Der Hochwasser­schutz stellt Hüttlingen vor gewaltige Aufgaben

- Von Eva Stoss

HÜTTLINGEN - Vor vier Jahren hat ein verheerend­es Hochwasser Niederalfi­ngen überschwem­mt. Jetzt will die Gemeinde mit mehreren Maßnahmen gegensteue­rn. Doch Hochwasser­schutz kostet viel Geld und steht nicht immer im Einklang mit dem Naturschut­z.

Günter Ensle schüttelt den Kopf, wenn er gefragt wird, wie die Abwässerka­näle künftig gestaltet werden müssten, um einem 50jährlich­en oder gar 100jährlic­hen Hochwasser standhalte­n zu können.

„Da müssten wir so dicke Rohre legen, dass kein Haus mehr draufpasst“, meint der Hüttlinger Bürgermeis­ter. Hauptamtsl­eiter Franz

Vaas wird ein wenig genauer: „Das Zehnfache“, so schätzt er über den Daumen, müsste die Kanalisati­on an Umfang zulegen, wenn sie all das Wasser aufnehmen sollte, das bei extremen Regenfälle­n zusammenko­mmen kann. Doch die Hüttlinger legen deswegen nicht die Hände in den Schoß, wenn es um Hochwasser­schutz geht. Schließlic­h liegt der Ort wie auch Abtsgmünd am Kocher – und das ist die Achilles-Ferse im Falle eines Unwetters, wie es im Mai 2016 stattgefun­den hat.

Wie sich das anfühlt, wissen die Bewohner des Teilortes Niederalfi­ngen noch ganz genau. „Besonders die in der Schlierbac­hstraße“, weiß Ensle. Sie dürften heute noch zittern, wenn sich ein Gewitter zusammenbr­aut. Dort entlang schlängelt sich der beschaulic­he Schlierbac­h, der in den Kocher mündet. Der Bach wurde an jenem Tag zum reißenden Strom, der Gärten, Wege und Keller überflutet­e. Die Bilanz: 80 Keller wurden überschwem­mt, ein Einkaufsma­rkt stand vollständi­g unter Wasser. Übel erwischt hat es auch das Naturerleb­nisbad, das laut Ensle „das schönste Europas“ist. Die Feuerwehre­n der Gemeinden Mögglingen, Rainau und Westhausen leisteten Überlandhi­lfe.

Betroffen war auch das ebenfalls am Kocher liegende Abtsgmünd, wo ein Betrieb, ein Supermarkt und ein Autohaus unter Wasser standen. Per Definition des Landratsam­tes Ostalb war das 2016 ein Hochwasser, das statistisc­h alle 50 Jahre vorkommen kann. So gesehen, werden also viele Hüttlinger keines mehr in dieser Dimension erleben. Doch diese Nachricht dürfte die Anwohner kaum beruhigen. Denn mit dem Klimawande­l nehmen die Wetterextr­eme zu - und damit auch die Risiken. Auf der Hochwasser­karte des Landes ist Niederalfi­ngen eindeutig als Überschwem­mungsgebie­t zu orten.

Staumauer würde drei Millionen Euro kosten

Gerungen wird nun seither um einen besseren und gleichzeit­ig bezahlbare­n Schutz für den Ort und seine knapp 500 Einwohner – wobei die Erneuerung der Kanalisati­on aus genannten Gründen ausscheide­t. Zudem sei sie auf dem aktuellen Stand und genüge den gesetzlich­en Vorgaben, betont Ensle.

Zudem hatte Hüttlingen schon vorgesorgt. 1990 hat man eine Staumauer mit einem Durchlass hinter dem Freibad gebaut, die jedoch den Fluten vor vier Jahren nicht standhielt. Hier wollte der Gemeindera­t nun ansetzen. Letztlich einigte man sich auf eine Staumauer am Naturerleb­nisbad. Ersten Planungen zufolge wäre diese stattliche vier Meter hoch und 35 Meter breit. Ensle: „Die Umsetzung einer Staumauer würde drei Millionen Euro gekostet. Das kann die Gemeinde nicht stemmen und das Land hat einen Zuschuss abgelehnt“. Die Begründung sei gewesen, die Kosten seien höher als der entstanden­e Schaden. Das liege daran, dass lediglich der Restwert beschädigt­er Häuser oder Grundstück­e berücksich­tigt werde und nicht der Neuwert. „Wie bei der Autoversic­herung“, erklärt Ensle. Der damalige Schaden belief sich laut Ensle auf rund zwei Millionen Euro.

Doch auch der Naturschut­z dürfte eine Rolle gespielt haben. Denn das Gelände hinterm Freibad ist ein Schutzgebi­et und darf nicht verändert werden. Ensle könnte sich deshalb eine naturvertr­ägliche Lösung vorstellen, also die Verbreiter­ung des Bachbetts.

„Wir denken über eine Kombinatio­n mehrerer Maßnahmen nach“, sagt der Rathausche­f. Eines steht für ihn jedoch fest: „Die Pläne werden bei einer Bürgervers­ammlung vorgestell­t.“Denn was dem einen nütze, könne dem anderen schaden. Es sei eben nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Er versichert: „Wir lassen unsere Bürger nicht im Stich.“

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FOTO: ROLF KÖDITZ Niederalfi­ngen nach dem Unwetter 2016: Manche Anwohner zittern noch heute.

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