„Bin auf der Suche nach Menschen, die auch Bock haben“
Was Trainer Michael Warm bei den Volleyballern des VfB Friedrichshafen vorhat
FRIEDRICHSHAFEN - Bei der Volleyball-EM im Sommer versuchte es Michael Warm mit einem Trick: Vor dem ersten Spiel seiner Österreicher gegen den haushohen Favoriten Belgien schickte der Trainer seine Spieler mit der Devise auf den Platz, einfach Spaß zu haben. Man habe ja nichts zu verlieren. Österreich verlor 0:3.
Wenn am Samstag der VfB Friedrichshafen am ersten Bundesligaspieltag in der ZF-Arena Aufsteiger Eltmann (19.30/sporttotal.tv) empfängt, werden die Rollen umgekehrt sein: Michael Warm, 51, trainiert schließlich seit wenigen Wochen auch den deutschen Rekordmeister und amtierenden Vizemeister VfB Friedrichshafen. Theresa Gnann und Filippo Cataldo haben mit ihm gesprochen.
Herr Warm, acht von 13 Spieler und zwei von drei Trainern sind neu beim VfB. Wegen der EM hatten sie zudem nicht einmal zwei Wochen, um das Team auf die Saison vorzubereiten. Wie baut man in dieser Zeit eine Mannschaft zusammen?
Spielerisch hakt es noch in allen Bereichen, doch das ist normal. Unser erstes Ziel muss sein, Stabilität in das System zu bekommen und bis dahin jeden Punkt mitzunehmen, den wir kriegen können. Die Hierarchie in der Mannschaft hat sich schnell herauskristallisiert.
Wie?
Wenn zehn Leute gemeinsam am Tisch sitzen, sehen Sie sehr schnell, wem sofort zugehört wird. Nikola Gjorgiev und Markus Steuerwald sind zwei starke Persönlichkeiten, die beiden sind unsere Kapitäne. Die anderen sortieren sich gerade. Tomas Krisko zum Beispiel ist Kapitän der slowakischen Nationalmannschaft, hat bei uns aber noch nicht so eine dominante Rolle angenommen.
Wie teilen sich der Diagonalangreifer Gjorgiev, der zuletzt in Japan spielte, und VfB-Urgestein Steuerwald die Aufgaben auf ?
Markus darf das Amt als Libero auf dem Platz nicht ausüben. Er arbeitet also eher nach innen. Nikola redet viel, beschäftigt sich sehr viel mit Volleyball, begreift Macht als Verantwortung, nicht als Recht. Er strahlt eine natürliche Autorität aus. Stelian zum Beispiel ...
Friedrichshafens Trainerlegende und Ihr Mentor Stelian Moculescu.
... ist auch ein Mensch, der einen Raum betritt und alle erst mal aufblicken lässt. Das ist Charisma. Bei der Kapitänsfrage habe ich eine etwas andere Idee als mein Vorgänger Vital Heynen. Bei Vitals Nationalteams durfte jeder mal Kapitän sein. Die stärkste Persönlichkeit ist in seinem System der Trainer. Ich finde, dass es für eine Mannschaft wichtig ist, wenn sie auch einen Anführer in ihren Reihen hat. Wir Trainer können ja nicht spielen.
Sie betonen Ihre Unterschiede zu Vital Heynen. Wie äußern sich diese in Ihrer Art, Volleyball spielen zu lassen?
Hier wurde in den vergangenen drei Jahren ein sehr einfach strukturiertes und genormtes, in sich aber perfektioniertes System gespielt. Der VfB hat wie eine Maschine gespielt, war kaum zu schlagen. Doch die Grenzen hat man in der Champions League und in der Finalserie gesehen. Ganz ehrlich: mich hätte es überrascht, wenn der VfB den Titel geholt hätte.
Was schwebt Ihnen vor?
Im Angriff wollen wir ein intuitiveres und situativeres System entwickeln.
Das müssen Sie erklären!
Was Volleyball so schwierig macht, sind die extrem engen Zeitabstände, um sich zu entscheiden. Die Spieler müssen alle gleichzeitig eine Situation erfassen und gemeinsam auf die intelligenteste Lösung fürs Team kommen. Wenn einer etwas anderes spielt, funktioniert das nicht mehr. Nun kann man vor einem Spielzug ausmachen, was man für eine Variante spielt. Das ist für den Zuspieler einfacher, aber klappt oft eben nicht, weil ja noch ein Gegner auf dem Platz steht. Oder wir müssen die Spieler dahin bringen, dass sie Szenarien im Spiel erkennen und gemeinsame Lösungen haben. Die Spieler müssen nicht wie eine Maschine agieren, sondern ein bisschen mehr spielen lernen.
Ist Friedrichshafen noch eine Volleyballstadt? Die Zuschauerzahlen sind eher rückläufig, der finanziel- le Rückstand zu Berlin steigt, andere Clubs haben aufgeholt ...
Interessant ist: In Deutschland kennt man Friedrichshafen meines Erachtens nicht wegen ZF oder Zeppelin oder dem See, sondern wegen Volleyball. Doch in der Stadt selbst merkt man das gar nicht so. Daran müssen wir arbeiten. Klar ist: Gottgegeben ist hier gar nichts! Wir dürfen uns hier nicht auf den tollen Erfolgen der Vergangenheit ausruhen. Ich arbeite daran, die Impulse zu setzen, damit wir unsere eigene Geschichte schreiben. Wenn alle, die mit Volleyball in Friedrichshafen zu tun haben, miteinander arbeiten, haben wir ein gewaltiges Potential.
Wie wollen Sie besser werden?
Ich bin überzeugt: Begeisterung ist ansteckend. Das eigene Handeln ist ansteckender als die Analyse dessen, was andere gemacht haben. Im Moment bin ich auf der Suche nach Menschen, die auch Bock haben.
Heynen bezeichnete sich gerne als passionierter Gegen-die-WändeRenner. Am Ende wirkte es ein wenig so, als ob die Wände ihm hier ein wenig zu dick gewesen wären.
Ich habe da andere Hobbies. Die Frage ist, ob hinter der Wand etwas ist, was ich unbedingt haben möchte. Wenn das so ist, überlege ich mir lieber, wie ich über die Wand klettern oder um sie herum- oder vielleicht auch durch sie gehen kann, um den Schatz zu erreichen.