Der Patron von Rust
Er hat den Europapark zu einer Weltmarke gemacht – Roland Mack feiert 70. Geburtstag
RUST
- Wer den märchenhaften Aufstieg des Europaparks vom regionalen Vergnügungsbetrieb zum weltweit größten saisonalen Freizeitpark verstehen will, der geht am besten ganz zurück zu den Anfängen: Ende der 1960er-Jahre sucht Franz Mack, Chef der gleichnamigen Traditionsfirma für Karussells und Zirkuswagen, einen Standort, um seine Modelle ausstellen und vorführen zu können. Er fliegt zusammen mit seinem Sohn Roland, damals MaschinenbauStudent, in die USA, um Anregungen in den Freizeitparks zu sammeln. „Da haben wir Feuer gefangen“, berichtet Roland Mack. Er feiert am heutigen Samstag mit 500 Gästen seinen 70. Geburtstag. Laudator ist Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.
Wenn Roland Mack sich zurück erinnert, dann kommt er immer wieder auf die dunklen Stunden seines Lebens zu sprechen: Nach ihrer Rückkehr aus den USA überlegen und tüfteln Vater und Sohn lange, bis schließlich der Plan reift, in Rust einen Park „als lebendiges Schaufenster“für die Fahrgeschäfte zu bauen. Alle raten ab, doch Franz Mack, gelernter Wagenbau-Meister und ein eher knorriger Schwarzwälder, lässt sich nicht beirren. Die StandortWahl fällt 1972 auf Rust nördlich von Freiburg. Und damit beginnen auch die Probleme.
Die Macks, die seit 1780 einen guten Namen in der Branche haben, stoßen mit ihrer Vision auf eine Front der Ablehnung: Die Banken verweigern reihenweise Kredite, die Behörden melden reihum Bedenken an, die Suche nach Pächtern für die Gastronomiebetriebe endet ergebnislos, Zeitungen sehen „den Pleitegeier über Rust kreisen“, Misstrauen überall, auch in der Bevölkerung. „Und die Branchenkenner“, erinnert sich Roland Mack, „die haben sich kaputtgelacht.“Ein Freizeitpark „in dieser gottverlassenen Gegend, in diesem Schnakenloch“? Da sei die Pleite vorprogrammiert, lauten unisono die Prognosen.
Ausgerechnet in der entscheidenden Phase stirbt Franz Macks Kompagnon, der den Park betreiben sollte. Und so kommt es, dass Roland, der älteste Sohn, einspringen muss. Er hat gerade sein Studium abgeschlossen, geheiratet und im familieneigenen Schaustellergeschäft in Waldkirch als „leitender Schweißfach-Ingenieur“zu arbeiten begonnen. Er klingt bitter, wenn er heute feststellt: „Am Schluss sind der Vater und ich alleine mit unserer Idee dagestanden.“Doch die Macks trotzen allen Widerständen, finden auch noch eine Bank und übernehmen die Gastronomie-Buden mangels Interessenten kurzerhand selbst. 1973 beginnt der Bau, am 12. Juli 1975 wird der Europapark eröffnet.
Wenn Roland Mack diese Geschichte erzählt, wird deutlich, wie sehr sie sein Leben geprägt hat, und man ahnt, dass sie enorme Antriebskräfte und Motivation in ihm freigesetzt haben muss, es allen zu zeigen. Das erklärt zum
Teil auch die ziemlich einzigartige Erfolgsgeschichte des Europaparks:
Schon in der ersten (verkürzten) Saison kommen 250 000 Besucher, 1978 wird bereits die Millionengrenze geknackt. Schnell ist klar, dass der Europapark nicht nur als Ausstellungsgelände dienen, sondern ein eigener Geschäftszweig werden soll. Von Jahr zu Jahr bricht er neue Rekorde. Die Besucherzahl steigt auf zuletzt jährlich rund 6,5 Millionen, die Zahl der Mitarbeiter auf 4150 in der Saison plus 220 in Waldkirch, der Umsatz auf rund 400 Millionen Euro. Seit Beginn haben mehr als 120 Millionen Menschen den Park besucht.
1995 – Franz Mack ist skeptisch – wird das erste Hotel eröffnet, demnächst sind es sechs mit 5800 Betten. Campingplatz und Tipizelte eingerechnet gibt es 7800 Übernachtungsmöglichkeiten. Der Europapark ist damit nicht nur das größte Hotelresort an einem Standort in Deutschland, sondern mit 63 Lokalen, darunter ein Sterne-Restaurant, auch der größte Gastronomiebetrieb bundesweit. 2018 wird der Park zum fünften Mal in Folge zum besten Freizeitpark der Welt gekürt.
All diese Rekorde wären ohne Roland Mack kaum denkbar. Der gelernte Maschinenbauer hat sich als Multitalent erwiesen, dem alles gelingt, was er anpackt. Er ist Gesicht und Seele des Parks zugleich und vereint viele Rollen in sich: Visionär, Ideengeber, Perfektionist, Netzwerker, Antreiber, Menschenfänger. Sein Vorbild, das wird immer wieder klar, ist der Vater. Dessen Arbeitswoche habe sieben Tage gehabt, am Sonntag sei er zum Mittagessen und manchmal zum Kaffeetrinken vom Büro heimgekommen – oft habe er gesagt: „Net soviel schwätze – schaffe!“
Daran hat sich Roland Mack von Anfang an gehalten. Lange wohnte er am Rande des Parks und war praktisch immer im Dienst. „Bei mir vermischen sich Arbeit und Privates“, sagt er, „die Arbeit ist mein Hobby. Ich bin noch keinen Tag ungern ins Geschäft gegangen.“Der Weg führe ihn stets an Dornröschen und Schneewittchen vorbei. Man muss ihn beobachtet haben, wenn er – wie früher sein Vater – mit dem Golfcart durch den Park fährt. Hier ist sein Reich, sein ganzes Leben. Die Augen blitzen zufrieden, blicken nur dann streng, wenn er Unkorrektheiten entdeckt. Da kann es schon mal sein, dass er anhält, um einen Schnipsel Papier aufzuheben. Charmant gibt er Besuchern Auskunft, je nach Bedarf auf Deutsch, Englisch oder Französisch, um mit prüfendem Blick weiterzufahren.
„Ich bin ein Menschenfreund“, sagt Roland Mack, „das habe ich vielleicht von meiner Mutter.“Der Herrscher des Märchen- und Abenteuerlands kann mit allen, von der Bundeskanzlerin bis zum Bauarbeiter. Und es gibt keine Anzeichen, dass ihm die Höhenflüge zu Kopf gestiegen sind. Roland Mack wirkt geerdet, mit beiden Beinen auf dem Boden. Was steckt hinter dem Erfolg? Leidenschaft und ein untrügliches Gespür für die Zeichen der Zeit, kalkulierte Risikobereitschaft, und nicht zuletzt Disziplin und Beharrungsvermögen, notfalls Härte.
Wenn er sich ein Ziel gesetzt hat, lässt Roland Mack nicht locker. „Wir haben alles ohne Subventionen gemacht“, betont er immer wieder. Aber um beispielsweise die Autobahnzufahrt zum Park durchzusetzen, hat er so lange gekämpft, geworben und als Lobbyist Klinken geputzt, bis Bund und Land einlenkten und zahlten.
Trotzdem ist ihm nicht alles gelungen. Der Verkehr ist immer noch ein Problem. „Bei der Bahn bewegt sich nichts“, klagt Mack. Also brachte er – wieder so eine Vision – als Teillösung eine zwei Kilometer lange Seilbahn vom Elsass über den Rhein direkt vor den Park ins Gespräch. Der Aufschrei der Naturschützer war aber so groß, dass die Macks das Projekt „auf Halde legten“– vorerst.
Fragt man Roland Mack, ob er im Nachhinein etwas anders machen würde, kommt die Antwort schnell und kurz: „Ne!“Fragt man ihn nach seinen Schwächen, überlegt er eine Weile und sagt: „Meine Ungeduld!“Sein Sohn ergänzt: „Er kann manchmal ganz schön anstrengend sein!“Mitarbeiter beschreiben ihn als „fordernd, aber immer menschlich“. Sein Credo als Chef: „Die Arbeit muss Spaß machen, sonst kann man keine guten Leistungen bringen!“
Das Leben des Roland Mack ist ein einziger Gipfelsturm. Er hat beruflich alles erreicht, er ist seit 45 Jahren mit der gleichen Frau, einer früheren Stewardess, verheiratet. Sie haben drei Kinder (zwei Söhne, 40 und 38 Jahre, und eine Tochter, 29 Jahre), die alle in der Führung mitarbeiten. Ebenso wie der jüngere Bruder Jürgen. Auch da spielt das Glück mit. Der heute 61-Jährige ist eher introvertiert, zurückhaltend und überlässt seinem großen Bruder gern die große Bühne, die dieser durchaus genießt.
Die Erfolgsgeschichte von Rust soll weitergehen: Michael, der älteste Sohn, hat den Kauf eines Filmstudios in Hannover durchgesetzt, um selber Animationen produzieren zu können. Der Vater war skeptisch, erinnerte sich an die Diskussionen mit seinem Vater damals – und stimmte trotz leichtem Bauchweh zu. Noch nie ist etwas über Streitigkeiten im Familienbetrieb nach außen gedrungen. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass eine solche Konstellation nicht ohne Konflikte abgeht, zumal auch Jürgen Mack eine Frau und einen Sohn hat.
Roland Mack ist auch Kristallisationspunkt der Familie, er fühlt sich als siebte Generation dem Erbe seiner Vorfahren verpflichtet. „Wir sind Treuhänder des Familienunternehmens und verpflichtet, das weiterzugeben“, lautet sein Mantra. Und so hat Roland Mack eine „Familien-Verfassung“initiiert, die präzise Vereinbarungen und Regelungen festlegt. Mit dabei war ein Mediator, was zeigt, dass das Verfahren nicht einfach war.
Roland Mack ist 70, aber kein bisschen müde, im Gegenteil: Ende November soll die bisher größte Attraktion des Parks eröffnen: „Rulantica“, eine Wasserwelt, so groß wie sechs Sportplätze, plus das sechste Hotel. Die Investitionen belaufen sich auf 180 Millionen Euro. „Eine gewisse Anspannung hat man da schon“, räumt Mack ein. Aber man könne sich keinen Stillstand leisten. Zwar kämen 80 Prozent der Besucher wieder, aber der Park brauche jedes Jahr eine Million neue Besucher.
Der Patron hat auch im 45 Kilometer entfernten Waldkirch schon die Weichen gestellt, die Produktion auf große Achterbahnen und andere Park-Attraktionen umgestellt. Sie werden in die ganze Welt exportiert, bis in die USA und nach Australien. Zwei Gesellschafter hat er ausbezahlt. Mack rides, wie das Unternehmen jetzt heißt, gehört wieder zu 100 Prozent der Familie.
Roland Mack bleibt bis auf Weiteres geschäftsführender Gesellschafter, aber er hat auch den Rückzug im Kopf. „Ich habe immer selbst entschieden, ich möchte auch den Übergang selbst entscheiden!“, sagt er. Zuletzt wurde eine Familienstiftung gegründet. Damit sind Abspaltungen oder Einzelgänge ausgeschlossen. Roland Mack will sich auch nach der Übergabe an die achte Generation das letzte Wort vorbehalten. Die neunte Generation wächst bereits heran: Roland Mack hat bisher vier Enkel.
„Bei mir vermischen sich Arbeit und Privates.“
Roland Mack