Lektionen aus dem Anschlag von Halle
Was die Regierungsparteien planen, um Rechtsterrorismus zu bekämpfen
BERLIN (dpa) - Der rechtsterroristische Anschlag von Halle hat das Land aufgeschreckt – und eine Debatte über die Konsequenzen ausgelöst. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mahnte erneut die von ihm geforderte Stärkung der Sicherheitsbehörden und neue Kompetenzen an. Vertreter jüdischer Verbände sorgen sich um die Sicherheit von Synagogen. Der Stand der Diskussion:
● Mehr Kompetenzen für Sicherheitsbehörden: Seehofer dringt auf eine Stärkung der Sicherheitsbehörden. Der Minister wirbt für neue Stellen bei Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz und neue Auskunftspflichten für soziale Netzwerke wie Facebook: Anbieter sollen verpflichtet werden, Straftaten und IP-Adressen mitzuteilen, über die Nutzer identifiziert werden können. Darüber sei er sich mit Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) im Prinzip einig, sagt er.
● Online-Spieleplattformen: „Wir sehen, dass Rechtsextremisten das Internet und auch Gaming-Plattformen als Bühne für ihre rechtswidrigen Inhalte missbrauchen“, erklärte Seehofer am Sonntag. Ein Interviewsausschnitt, den die ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“auf Twitter verbreitete, hatte zuvor eine Kontroverse ausgelöst. Dort sagte der Minister: „Viele von den Tätern oder den potenziellen Tätern kommen aus der Gamerszene“, die „stärker in den Blick“zu nehmen sei. Nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden nutzen Islamisten, Nationalisten und andere Extremisten auch Spieleplattformen, um sich unbeobachtet im Internet zu vernetzen. Der Attentäter von Halle, der Deutsche Stephan B., inszenierte seine Tat wie ein Computerspiel. Sein Manifest liest sich wie eine Anleitung dazu.
● Beobachtung der AfD: Politiker anderer Parteien werfen der AfD vor, sie bereite einen Nährboden für Taten wie in Halle – was die Partei von sich weist. Unter anderem SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt rufen nach einer Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz. Die Entscheidung müssten aber Verfassungsschützer in Bund und Ländern treffen, nicht die Politik.
● Aufklärung über Antisemitismus: Judenfeindlichkeit soll stärker zum Thema in den Schulen werden. Die Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten, die Kultusministerkonferenz und der Zentralrat der Juden haben dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet. „Das Problemfeld Antisemitismus wird bald in den Schulen stärker als bisher auf der Höhe der Zeit behandelt werden können“, sagt der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU).
● Härtere Strafverfolgung: Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, verlangt ein strengeres Vorgehen der Justiz nach Angriffen und Angriffsversuchen. Es sei eine „Verschiebung der roten Linie“zu beobachten, auf Worte folgten Taten, sagt er. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte der „Welt am Sonntag“, die Strafgesetze seien vorhanden, sie müssten aber konsequent angewandt werden. Als Vorbild nennt Lambrecht die bayerische Staatsanwaltschaft. Die habe sich „auf die Fahne geschrieben, dass es bei antisemitischen Straftaten grundsätzlich keine Verfahrenseinstellungen wegen Geringfügigkeit oder geringer Schuld gibt“.