Brexit royal
Wenige Tage vor dem entscheidenden EU-Gipfel gibt es schwache Signale für eine Einigung – Knackpunkt bleibt Nordirland
Mit viel Pomp hat die britische Königin Elizabeth II. nach einwöchiger Pause das Parlament in London wiedereröffnet. Die Queen stellte am Montag das Programm der Regierung von Premierminister Boris Johnson vor (Foto: Imago Images). Wie erwartet erklärte die 93-Jährige, die Umsetzung des Brexits am 31. Oktober habe für London Vorrang. „Es war immer die Priorität meiner Regierung, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU am 31. Oktober sicherzustellen“, zitierte die Königin aus Johnsons Regierungsprogramm. Die größte Überraschung: Die Monarchin verzichtete auf ihre Krone und trug stattdessen ein mit Diamanten besetztes Diadem. Grund dafür könnte sein, dass die „Imperial State Crown“, die während der Queen’s Speech auf einem Kissen vor ihr ruhte, 1,3 Kilo wiegt.
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LONDON - Ist das Ausbleiben von Neuigkeiten schon eine gute Nachricht im Brexit-Poker? Drei Tage vor dem als entscheidend gekennzeichneten EU-Gipfel gab es am Montag von den Hauptbeteiligten in London und Dublin vorsichtigen Optimismus zu hören. Man befinde sich in konstruktiven Gesprächen, es bleibe aber noch viel zu tun, hieß es am Amtssitz des britischen Premierministers in der Downing Street. Eine Vereinbarung sei „möglich“, teilte der irische Vizepremier Simon Coveney mit.
Die britische Politik ließ sich durch das Zeremoniell der sogenannten „Queen’s Speech“nur kurz von der alles überschattenden Brexit-Debatte ablenken. Elizabeth II. war am Montagvormittag in ihrer australischen Kutsche ins Oberhaus gekommen, um dort die Erklärung von Boris Johnsons konservativer Minderheitsregierung zu verlesen. Die zehnminütige Ansprache enthielt, wie angekündigt, 22 neue Gesetzesvorhaben. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus haben die meisten keine Chance auf Verwirklichung. Es handele sich um eine Farce und eine zynische Wahlkampfmaßnahme der Torys, hielt Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn dem Premierminister vor.
Anders als von der Opposition gewünscht, enthielt das Gesetzespaket keinen Hinweis auf eine zweite Volksabstimmung. Hingegen war von mehreren neuen Gesetzen die Rede, die das Land auf die Zeit nach dem Austrittstermin Ende des Monats vorbereiten sollen. Dabei gilt das avisierte Datum 31. Oktober mittlerweile selbst unter jenen Experten als unwahrscheinlich, die eine Einigung zwischen Vereinigtem Königreich und EU für möglich halten. Zur Begründung führen sie an, das Unterhaus müsse eine Reihe von Gesetzen verabschieden, um für Rechtssicherheit auf beiden Seiten zu sorgen.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte am Sonntag die Botschafter der 27 Mitgliedsländer unterrichtet und sich dabei äußerst zurückhaltend geäußert. Viele der britischen Vorschläge seien hochkomplex und keineswegs bis in alle Einzelheiten durchdacht.
Wie in den vergangenen Wochen geht es vor allem um die künftige Stellung von Nordirland. Um die innerirische Grenze offen zu halten und so den Frieden auf der grünen Insel zu sichern, will der Dubliner Regierungschef Leo Varadkar die britische Provinz in der Zollunion und wichtigen Teilen des Binnenmarktes halten. Johnson hat bei einem Treffen mit dem irischen Kollegen vergangene Woche immerhin von dem Plan abgelassen, der nordirischen Unionistenpartei DUP ein Vetorecht über die künftige wirtschaftliche Orientierung der britischen Provinz einzuordnen. Anders als von der DUP empfohlen hatten 56 Prozent der Nordiren für den EUVerbleib gestimmt; neuere Umfragen legen sogar erstmals eine Mehrheit für die Vereinigung mit der Republik im Süden nahe.
Inzwischen ist in europäischen Hauptstädten von einem Sondergipfel in der kommenden Woche die Rede. Sollte der EU-Gipfel hingegen schon in dieser Woche einen neuen Austrittsvertrag befürworten, müsste das Unterhaus am Samstag zusammentreten. Es wäre die erste Sondersitzung am Wochenende seit dem Krieg um die Falkland-Inseln im Jahr 1982. Die Opposition im Unterhaus hat nämlich den Premierminister gesetzlich dazu gezwungen, spätestens am Samstag in Brüssel um eine Verlängerung der Austrittsperiode nachzusuchen, falls nicht bis dahin eine Lösung auf dem Tisch liegt.
Johnson will deshalb versuchen, die Zustimmung des Parlaments für eine Einigung zu erreichen. Dies könnte mit den Stimmen von rund drei Dutzend Labour-Abgeordneten gelingen, die Brexit-Wahlkreise vertreten.