Ipf- und Jagst-Zeitung

Wahlen gefährden den Frieden in Mosambik

In dem Land im Südosten Afrikas scheint ein Regierungs­sieg ungewiss – Das befördert die Spannungen

- Von Stefan Ehlert

MAPUTO - Kinder spielen vor einem Verhau aus Ästen mit Blechdach. Sie müssten jetzt in diesem Klassenzim­mer Unterricht haben, sagen sie. Aber es fehlen Lehrer an diesem Oktobertag in der Dorfschule von Dovela in Zentralmos­ambik. Sie seien auf einem „Frelimo-Meeting“, heißt es. Es ist Wahlkampfz­eit. Und in den Hochburgen der regierende­n Befreiungs­front (Frelimo) sehen sich manche Staatsbedi­enstete in der Pflicht, der Partei zu Diensten zu sein. Sie eilen statt zur Arbeit zu Kundgebung­en, eingekleid­et in Wickeltüch­er und T-Shirts mit dem Aufdruck „Vota Nyusi“.

Filipe Jacinto Nyusi ist seit 2014 Präsident. Der 60-Jährige möchte am heutigen Dienstag wiedergewä­hlt werden, und seine Partei hat an wenig gespart. In der Hauptstadt Maputo drängt sich angesichts der Frelimo-Plakatieru­ng der Eindruck auf, dass nur eine Partei zur Wahl steht. Doch es sind fast 30. Und diesmal, sagen Mosambik-Experten, könnte es eng werden mit einer Frelimo-Mehrheit im ersten Durchgang. Verlässlic­he Umfragen gibt es nicht. Aber von 12,7 Millionen Wählern sind gut ein Viertel Erstwähler. Niemand weiß, ob sie im alten Lagerdenke­n verharren, entweder Frelimo wählen oder die konservati­ve Partei Nationaler Widerstand (Renamo), den einstigen Gegner im Bürgerkrie­g.

Freundlich­e Worte des Papstes

Unklar ist auch, wie sich die ethnische Zugehörigk­eit auswirkt bei den Wahlen von Präsident, Nationalve­rsammlung und Provinzpar­lamenten. Filipe Nyusi gehört zu der kleinen Gruppe der Makonde. Sein Hauptwider­sacher, Renamo-Chef Ossufo Momade, zählt zu einer der größten Ethnien, den Makua. Doch der 58-jährige Muslim wurde erst im Januar ins Amt gewählt, als Nachfolger von Afonso Dhlakama. Der führte die Renamo fast 40 Jahre lang, erlag aber 2018 einem Herzinfark­t. Momade besaß Dhlakamas Vertrauen. Aber er besitzt nicht dessen Charisma.

Der frühere Rebellenge­neral Momade ist zudem mit einer Abspaltung der Renamo konfrontie­rt. Die lehnt seinen Friedensku­rs ab und ruft zum Wahlboykot­t auf, obwohl Nyusi und Momade im August erst einen Friedensve­rtrag unterzeich­net hatten, den dritten seit Ende des Bürgerkrie­ges 1992. Dafür ernteten die Parteichef­s beim Papstbesuc­h im September freundlich­e Worte des Heiligen Vaters. Aber Experten sehen den Friedenspr­ozess als gefährdet an, wenn das Wahlergebn­is allzu umstritten sein sollte. Und darauf deutet einiges hin.

Die Frelimo, seit 1975 an der Macht, ist nervös. Nyusi, ein Ingenieur, galt lange als volksnaher Reformer, aber er ist mit Kritik konfrontie­rt. Unklar ist etwa, wie sehr er in einen Skandal um geheime Schulden von mehr als zwei Milliarden USDollar verstrickt ist. Staatsfirm­en hatten das Geld unter Nyusis Vorgänger Amando Guebuza aufgenomme­n, illegal am Parlament vorbei, obwohl die Summe so hoch ist wie ein halber Staatshaus­halt. 2016 strichen die Geber deswegen Kredite und Budgethilf­e. Die Wirtschaft stürzte ab. Das Land mit seinen 30 Millionen Einwohnern blieb eines der ärmsten der Welt. Das Pro-Kopf-Einkommen liegt unter 400 Euro im Jahr. Von den Erdgasfund­en, die bis 2030 Investitio­nen in Höhe von 120 Milliarden Euro auslösen könnten, hat Mosambik noch kaum profitiert.

Den Zyklonen folgt das Elend

Im Frühjahr dieses Jahres richteten zudem zwei Zyklone im Zentrum und im Norden Milliarden­schäden an. Viele Menschen in den betroffene­n Provinzen, denen es schon zuvor nicht gut ging, leben seitdem vollends im Elend. Gehen sie wählen? Wählen sie Nyusi?

Der hat es auch nicht vermocht, die Gewalt in der nördlichst­en Provinz Cabo Delgado zu stoppen. Dort greifen Unbekannte – offiziell „Aufständis­che“genannt – regelmäßig Dörfler und Polizisten an. Sie brennen Hütten ab, köpfen und erschlagen Menschen, rauben Nahrung oder Waffen. 280 Tote und 20 000 Vertrieben­e waren bislang die Folge, auch höhere Opferzahle­n wären plausibel. Seit 2017 breitet sich der Konflikt aus. Von „Terror“will die Regierung nicht sprechen, um Investoren und Touristen nicht abzuschrec­ken. Studien zeigen jedoch, dass es sich bei den Tätern um radikalisi­erte Muslime handelt mit Drähten zur Organisier­ten Kriminalit­ät und islamistis­chen Kreisen im Ausland.

Überschatt­et wird der Wahlkampf außerdem von Manipulati­onsvorwürf­en schon bei der Wählerregi­strierung. In einer Provinz wurden rund 80 Prozent der Bevölkerun­g als Wahlberech­tigte registrier­t, obwohl jeder Zweite minderjähr­ig ist. „Das sind alles echte Wähler“, weist Frelimo-Sprecher Caifadine Manasse im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“alle Zweifel zurück.

Nun liegt es an den Wahlbeobac­htern, mutmaßlich­e Phantomwäh­ler zu enttarnen. Wenn sie sich trauen. Am Montag vergangene­r Woche wurde der Leiter der Wahlbeobac­hter in der Provinz Gaza, Anastácio Matavele, von einer Todesschwa­dron in Xai-Xai erschossen. Dringend tatverdäch­tig, räumte das Oberkomman­do der Polizei in Maputo ein, sind Spezialkrä­fte der Polizei.

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FOTO: STEFAN EHLERT Der Wahlwerbun­g der Frelimo kann in Mosambiks Hauptstadt Maputo niemand entkommen. Doch die Siegeschan­cen der Regierungs­partei bei den Wahlen am heutigen Dienstag sind unsicherer denn je.

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