Bauern billigen Artenvielfalt-Kompromiss
Eckpunktepapier könnte Streit um Volksbegehren lösen – Naturschützer begrüßen Einigung
G- Die Bauern im Südwesten wollen den zwischen Naturschützern und baden-württembergischer Regierung ausgehandelten Kompromiss für mehr Artenvielfalt und den eingeschränkten Einsatz von Pestiziden mittragen. Das bestätigte der Präsident des baden-württembergischen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, am Dienstag in Stuttgart. „Sofern nichts Unvorhergesehenes kommt, werden die Bauern dabei sein, wenn es um das Eckpunktepapier geht“, sagte Rukwied bei der Jahresbilanzpressekonferenz des Verbands. „Und dann hoffen wir, dass wir ab morgen gemeinsam arbeiten können.“Naturschützer sprachen von einem „tollen Signal“.
Kern dieses Eckpunktepapiers: Bis 2030 sollen 40 bis 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel als heute auf den Feldern und Äckern im Südwesten landen, und der Anteil der landwirtschaftlichen Fläche in Baden-Württemberg, die ökologisch bewirtschaftet wird, soll auf 30 bis 40 Prozent steigen. Dieser Anteil liegt heute bei etwa 14 Prozent. Die grünschwarze Landesregierung will damit den Artenschutz im Südwesten verbessern. Vor allem aber ist es eine Reaktion auf das Volksbegehren „Rettet die Bienen“, dessen umstrittene Forderungen es entschärfen soll.
Die Fronten zwischen Naturschützern auf der einen und den Bauern auf der anderen Seite waren lange Zeit verhärtet. Nun läuft alles auf den anvisierten Kompromiss hinaus, mit dem beide Seiten ihr Gesicht wahren. Das mehr als 100 Seiten lange Papier wollen Agrarminister Peter Hauk (CDU) und Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) am Mittwochabend vorstellen.
Der Trägerkreis „Rettet die Bienen“will erst am Mittwoch entscheiden, wie es weitergeht und ob die Sammlung von Unterschriften zur Durchsetzung des Volksbegehrens nicht doch fortgesetzt werde.
Rukwied stellte allerdings die Bedingungen, dass der Prozess evaluiert sowie in Referenzbetrieben wissenschaftlich untersucht werde. Die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), Brigitte Dahlbender, gab sich versöhnlich: „Damit kann der BUND leben. Wir freuen uns über die klare Aussage der Bauern.“
G- Bauernpräsident Joachim Rukwied will den Gesetzentwurf für mehr Artenschutz in BadenWürttemberg mittragen. „Ich hoffe, dass wir von sofort an gemeinsam an der Umsetzung arbeiten können“, sagte Rukwied am Rande der Jahrespressekonferenz des Landesbauernverbands in Stuttgart im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Damit scheint nach den intensiven Gesprächen zwischen Bauernverbänden und Vertretern von Umwelt- und Agrarministerium am vergangenen Freitag doch noch ein Kompromiss für das Eckpunktepapier der Landesregierung zur Weiterentwicklung des Volksbegehrens „Rettet die Bienen“möglich.
Rukwied knüpfte die Zustimmung der Bauern jedoch an zwei Voraussetzungen: Zum einen an den Aufbau eines Netzwerks von Referenzbetrieben, in denen belastbare Daten über die Auswirkungen eines reduzierten Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln erhoben werden. In diesen Referenzbetrieben müsse auf Basis wissenschaftlicher Beratung und Begleitung evaluiert werden, „was geht und was nicht“, so Rukwied. Dafür müsse die Landesregierung die notwendigen finanziellen Mittel bereitstellen.
Zum anderen an eine ergebnisoffene Überprüfung der eingeleiteten Maßnahmen zur Pestizidreduzierung in den Jahren 2023 und 2027 mit der Möglichkeit umzusteuern, falls notwendig. „Wenn das gewährleistet ist, tragen die Bauern das Eckpunktepapier der Landesregierung mit“, sagte Rukwied.
Der Bauernpräsident machte deutlich, dass man die Ziele des Gesetzentwurfs für mehr Artenschutz teile und aktiv dazu beitragen wolle, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Dass gleichzeitig aber die Realitäten in den landwirtschaftlichen Betrieben berücksichtigt werden müssten. „Die Landwirtschaft hat – genau wie die Humanmedizin – Risiken, die wir ausschalten müssen“, sagte Rukwied und nannte als Beispiel die Kirschessigfliege, die, wenn sie nicht bekämpft würde, zu einem Totalausfall der Ernte führen könne.
„Deshalb muss es nach wie vor möglich sein, dass wir in Jahren mit einer besonders hohen Bedrohung, auch einmal mehr Pflanzenschutzmittel einsetzen können, um die Qualität und Quantität der Ernte sicherzustellen“, forderte Rukwied, der damit einzelbetrieblichen Vorgaben beim Einsatz von Pestiziden eine Absage erteilte und vor den Folgen weiterer Vorgaben für die Landwirte warnte.
Außerdem appellierte Rukwied auch an das Konsumverhalten der Baden-Württemberger. „Das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema“, sagte er. Entscheidend sei, dass der Markt mitwachse. „Menschen in Baden-Württemberg müssen dann auch mal das Ökoprodukt aus der eigenen Region kaufen und nicht das Produkt aus Rumänien.“
Auch die Grünen im Landtag betonten, die Bauern gingen mit mehr Artenschutz in Vorleistung. „Wichtig ist, dass auch die Verbraucherinnen und Verbraucher mitziehen und sich für mehr regionale Lebensmittel und Bioprodukte am Gemüsestand oder an der Fleischtheke entscheiden“, sagte der agrarpolitische Sprecher der Fraktion, Martin Hahn.
„Die Bauern sind hochgradig nervös“, sagte Rukwied und verwies auf die wirtschaftliche Situation der Landwirte im Südwesten, die sich im Juni zu Ende gegangenen Wirtschaftsjahr 2018/19 weiter verschlechtert hat. Rukwied zufolge sind die Unternehmensergebnisse der landwirtschaftlichen Haupterwerbsbetriebe in BadenWürttemberg im Schnitt um 8,5 Prozent auf nur noch 34 275 Euro je Familienarbeitskraft zurückgegangen. Im bundesweiten
Schnitt ist das Minus mit 18 Prozent zwar heftiger ausgefallen, allerdings sind die Einkommen mit etwas über 38 000 Euro je Familienarbeitskraft auch deutlich höher als im Südwesten.
Die Zahlen basieren auf der Auswertung von 1627 Betrieben mit einer durchschnittlichen Größe von 75 Hektar. Die Unternehmensergebnisse müssen neben der Entlohnung der Bauern
„Menschen in Baden-Württemberg müssen dann auch mal das Ökoprodukt aus der eigenen Region kaufen und nicht das Produkt aus Rumänien.“Joachim Rukwied, Präsident des Bauernverbands im Südwesten
auch Sozialabgaben und Steuern sowie Zinsen und Tilgung abdecken.
Deutliche Unterschiede gab es in den einzelnen Sparten. Während Veredelungsbetriebe (Schweineund Ferkelzucht) sowie Ackerbauund Weinbaubetriebe ihre Ergebnisse steigern konnten, gab es im Obstbau einen dramatischen Einbruch. Um 43 Prozent lagen die Unternehmensergebnisse im Schnitt unter denen des Vorjahres 2017/ 18.
Rukwied nannte als Gründe dafür den Preisverfall infolge der Rekordernte 2018 sowie die durch den Mindestlohn anziehenden Lohnkosten. Dadurch seien die Betriebe von zwei Seiten unter Druck geraten. Der Bauernpräsident warnte angesichts dessen vor den Plänen der SPD, den Mindestlohn auf zwölf Euro anzuheben: „Das wäre für viele Obstbauern am Bodensee das Aus.“