Vatikan schafft Geheimhaltung bei Missbrauch ab
Staatliche Behörden sollen jetzt informiert werden – Opfervereinigungen und Kirchenrechtler loben die Ankündigung des Pontifex
G(dpa) - Papst Franziskus schafft im Kampf gegen Missbrauch in der katholischen Kirche das umstrittene „päpstliche Geheimnis“ab. Künftig dürfen somit Informationen aus Kirchenprozessen zu sexueller Gewalt gegen Kinder und zu Vertuschung der Taten an staatliche Behörden gehen. Opfer und Kirchenrechtler sprachen am Dienstag von einer „überfälligen“Entscheidung und dem bedeutendsten Schritt seit dem Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan im Februar.
Zudem veröffentlichte der Vatikan eine Änderung beim Alter von Kindern, die Opfer von pornografischen Darstellungen werden: Bisher wurden Besitz und Verbreitung solcher Bilder als schwerste Straftaten gezählt, wenn die Kinder bis zu 14 Jahre alt waren. Nun wurde diese Altersgrenze auf 18 Jahre hochgesetzt.
Der Vatikan nannte die neuen Regelungen am Dienstag – dem 83. Geburtstag von Franziskus – bahnbrechend. „Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung des Papstes epochal und kommt genau zum richtigen Zeitpunkt“, sagte der Erzbischof von Malta, Charles Scicluna, einer der engsten Berater des Papstes beim Thema Missbrauch. Immer wieder habe es große Hindernisse bei der Aufklärung gegeben. „Das Opfer hatte keine Gelegenheit, zu wissen, was genau aus seiner Anzeige wurde, weil es ein ,päpstliches Geheimnis‘ gab.“Die Zusammenarbeit mit dem Staat werde erleichtert. Bistümer können Akten an Strafverfolgungsbehörden weiterreichen. Für die Öffentlichkeit werden sie nicht einsehbar sein.
Bisher standen Opfer vor verschlossenen Türen. Keiner habe Einblicke in kircheninterne Prozesse gehabt, erklärte Magnus Lux von der Laienbewegung Wir sind Kirche. Die Entscheidung habe eine große Tragweite. Der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster sprach von einem „substanziell positiven“Schritt, der die Beweisaufnahme sehr erleichtere. Die Frage sei, wie es vor Ort umgesetzt wird. Bischöfe
könnten sich aber nicht mehr so leicht hinter dem päpstlichen Geheimnis verstecken und versuchen, Aufklärung zu verhindern. Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, nannte es einen richtigen Schritt im „langen Prozess der Kirche, der von vielen Seiten als notwendig angesehen wurde“.
„Lange haben Betroffenenvertreter aus aller Welt gefordert, das päpstliche Geheimnis in Fällen von sexuellem Kindesmissbrauch durch Priester aufzuheben“, sagte Matthias Katsch von der Opfervereinigung Eckiger Tisch. „Die Entscheidung des Vatikan ist also ein überfälliger Schritt.“Es sei nun wichtig, dass weitere Schritte zur Transparenz gemacht würden – „auch im Hinblick auf die Tausenden von Missbrauchsakten, die in vatikanischen Kammern und Palästen lagern“.