Ein Flickenteppich aus Fahrverboten
Umwelthilfe bei Luftreinhaltung zufrieden – Verein sieht aber noch viel zu tun
G- Mit den bisherigen Ergebnissen im Kampf für saubere Stadtluft ist der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Jürgen Resch, zufrieden. „Wo Fahrverbote bestehen und kontrolliert werden, gehen die Messdaten herunter“, sagt der streitbare Umweltschützer. Im kommenden Jahr erwartet der Verein in den meisten der 39 besonders belasteten Städte eine „saubere Luft“. Dafür hat Resch die Kommunen mit einer wohl einzigartigen Klagewelle überzogen und vor Gericht jedes Mal gewonnen.
Nur in München biss er sich die Zähne aus, allerdings nicht an der Justiz, sondern an der Landesregierung. Die hatte ein Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofes schlicht ignoriert. Theoretisch könnte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dafür bald ins Gefängnis kommen. Die DUH will per Zwangshaft ein Fahrverbot in der Landeshauptstadt durchsetzen. An diesem Donnerstag wird der Europäische Gerichtshof (EuGH) verkünden, ob dieses Mittel gegen Amtsträger angewendet werden darf. Auch ein hohes persönliches Bußgeld pro Tag wäre ein denkbarer Hinweis der Richter. Ernsthaft rechnet freilich niemand mit einem Ministerpräsidenten hinter Gittern.
Resch hat für seinen Kampf für saubere Luft viel Kritik einstecken müssen. Der Blick auf die Fakten zeigt jedoch, dass die Umwelthilfe damit eine breite Debatte über die notwendige Verkehrswende zumindest mit in Gang gesetzt hat. „Die Kommunen unternehmen große Anstrengungen, um die Grenzwerte einzuhalten und die Luftqualität in belasteten Stadtgebieten zu verbessern“, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Kommunale Fahrzeugflotten würden umgerüstet, saubere Busse und Transporter angeschafft. Das Ziel sei, Fahrverbote zu vermeiden.
Selbst der autofreundliche ADAC findet kein böses Wort zur DUH. Ob Fahrverbote ausnahmsweise sinnvoll seien, müsse vor Ort in den Luftreinhalteplänen abgewogen werden, teilt der Club auf Anfrage mit und fordert einen Mix aus Hardwarenachrüstungen für ältere Diesel, einen besseren Nahverkehr oder eine intelligente Verkehrssteuerung.
Bereit zu Kompromissen
Und auch Resch ist heute für Kompromisse zugänglich. Statt harter Gerichtsentscheidungen stehen momentan Verhandlungen mit den
Städten im Vordergrund. Zunächst gelang der DUH mit Wiesbaden eine Einigung auf Anstrengungen zur Luftreinhaltung. Kürzlich verständigte er sich auch mit Essen. Dieses Modell könnte auf neun weitere Städte in Nordrhein-Westfalen übertragen werden. Reden statt klagen, lautet die neue Devise.
Doch von einem Ende des Konfliktes kann noch keine Rede sein. Noch immer hängen Klagen auf Fahrverbote an, werden Diesel von einzelnen Straßenzügen ausgesperrt. Derzeit beginnt Berlin mit der Umsetzung von Fahrverboten. Zwei von acht Straßen sind schon gesperrt. Für die anderen fehlen – in ganz Berlin – die Verkehrsschilder. In Hamburg und Darmstadt dürfen schmutzige Diesel ebenfalls auf zwei Straßen nicht fahren, in Stuttgart gilt dies flächendeckend. Offen ist der Verbotsbeginn laut ADAC noch in Bonn, Mainz, Köln, Gelsenkirchen und Frankfurt.
Die Bemühungen der Städte für Investitionen für eine bessere Luftqualität stoßen auch an Grenzen. Fördermittel des Bundes werden gar nicht vollständig abgerufen. Die Förderichtlinien hätten erst Mitte dieses Jahres vorgelegen, klagt Dedy, „außerdem ist die Marktsituation bei Elektrobussen aktuell sehr schwierig“. Anders gesagt: Es gibt kaum welche. Axel Friedrich, Autoexperte im Dienste der Umwelthilfe, kritisiert „abstruse Vorschriften“bei der Förderung. So müssten Elektrobusse garantiert vier Jahre lang eingesetzt werden. Die Verkehrsverträge mit den Busbetreibern liefen jedoch nur zwei Jahre, nennt er ein Beispiel.
Enttäuscht wurde bisher auch die Hoffnung auf die Nachrüstung älterer Diesel mit modernen Abgasreinigungsanlagen, dem so genannten SCR-Kat. Zwar hat das Kraftfahrtbundesamt die ersten Systeme zugelassen, vor allem für 60 Modelle von VW und einige von Daimler, BMW und Volvo. Zwischen 3100 Euro und 3500 Euro kosten sie für die drei letztgenannten Hersteller. Auf den Kosten bleiben die Autofahrer bislang sitzen, was den ADAC erzürnt. „Alle Hersteller sind aufgefordert, sich an den Kosten der Nachrüstung zu beteiligen“, fordert der Autoclub, freilich vergebens. Ob sich der Aufwand lohnt, müsse jeder Dieselbesitzer selbst entscheiden, etwa wenn Fahrverbote oder Wertverlust drohen. „Für die Umwelt hat er in jedem Fall etwas getan“, stellt der ADAC fest.