Ipf- und Jagst-Zeitung

Ein Flickentep­pich aus Fahrverbot­en

Umwelthilf­e bei Luftreinha­ltung zufrieden – Verein sieht aber noch viel zu tun

- Von Wolfgang Mulke

G- Mit den bisherigen Ergebnisse­n im Kampf für saubere Stadtluft ist der Chef der Deutschen Umwelthilf­e (DUH), Jürgen Resch, zufrieden. „Wo Fahrverbot­e bestehen und kontrollie­rt werden, gehen die Messdaten herunter“, sagt der streitbare Umweltschü­tzer. Im kommenden Jahr erwartet der Verein in den meisten der 39 besonders belasteten Städte eine „saubere Luft“. Dafür hat Resch die Kommunen mit einer wohl einzigarti­gen Klagewelle überzogen und vor Gericht jedes Mal gewonnen.

Nur in München biss er sich die Zähne aus, allerdings nicht an der Justiz, sondern an der Landesregi­erung. Die hatte ein Urteil des bayerische­n Verwaltung­sgerichtsh­ofes schlicht ignoriert. Theoretisc­h könnte Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) dafür bald ins Gefängnis kommen. Die DUH will per Zwangshaft ein Fahrverbot in der Landeshaup­tstadt durchsetze­n. An diesem Donnerstag wird der Europäisch­e Gerichtsho­f (EuGH) verkünden, ob dieses Mittel gegen Amtsträger angewendet werden darf. Auch ein hohes persönlich­es Bußgeld pro Tag wäre ein denkbarer Hinweis der Richter. Ernsthaft rechnet freilich niemand mit einem Ministerpr­äsidenten hinter Gittern.

Resch hat für seinen Kampf für saubere Luft viel Kritik einstecken müssen. Der Blick auf die Fakten zeigt jedoch, dass die Umwelthilf­e damit eine breite Debatte über die notwendige Verkehrswe­nde zumindest mit in Gang gesetzt hat. „Die Kommunen unternehme­n große Anstrengun­gen, um die Grenzwerte einzuhalte­n und die Luftqualit­ät in belasteten Stadtgebie­ten zu verbessern“, sagt Helmut Dedy, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städtetags. Kommunale Fahrzeugfl­otten würden umgerüstet, saubere Busse und Transporte­r angeschaff­t. Das Ziel sei, Fahrverbot­e zu vermeiden.

Selbst der autofreund­liche ADAC findet kein böses Wort zur DUH. Ob Fahrverbot­e ausnahmswe­ise sinnvoll seien, müsse vor Ort in den Luftreinha­lteplänen abgewogen werden, teilt der Club auf Anfrage mit und fordert einen Mix aus Hardwarena­chrüstunge­n für ältere Diesel, einen besseren Nahverkehr oder eine intelligen­te Verkehrsst­euerung.

Bereit zu Kompromiss­en

Und auch Resch ist heute für Kompromiss­e zugänglich. Statt harter Gerichtsen­tscheidung­en stehen momentan Verhandlun­gen mit den

Städten im Vordergrun­d. Zunächst gelang der DUH mit Wiesbaden eine Einigung auf Anstrengun­gen zur Luftreinha­ltung. Kürzlich verständig­te er sich auch mit Essen. Dieses Modell könnte auf neun weitere Städte in Nordrhein-Westfalen übertragen werden. Reden statt klagen, lautet die neue Devise.

Doch von einem Ende des Konfliktes kann noch keine Rede sein. Noch immer hängen Klagen auf Fahrverbot­e an, werden Diesel von einzelnen Straßenzüg­en ausgesperr­t. Derzeit beginnt Berlin mit der Umsetzung von Fahrverbot­en. Zwei von acht Straßen sind schon gesperrt. Für die anderen fehlen – in ganz Berlin – die Verkehrssc­hilder. In Hamburg und Darmstadt dürfen schmutzige Diesel ebenfalls auf zwei Straßen nicht fahren, in Stuttgart gilt dies flächendec­kend. Offen ist der Verbotsbeg­inn laut ADAC noch in Bonn, Mainz, Köln, Gelsenkirc­hen und Frankfurt.

Die Bemühungen der Städte für Investitio­nen für eine bessere Luftqualit­ät stoßen auch an Grenzen. Fördermitt­el des Bundes werden gar nicht vollständi­g abgerufen. Die Fördericht­linien hätten erst Mitte dieses Jahres vorgelegen, klagt Dedy, „außerdem ist die Marktsitua­tion bei Elektrobus­sen aktuell sehr schwierig“. Anders gesagt: Es gibt kaum welche. Axel Friedrich, Autoexpert­e im Dienste der Umwelthilf­e, kritisiert „abstruse Vorschrift­en“bei der Förderung. So müssten Elektrobus­se garantiert vier Jahre lang eingesetzt werden. Die Verkehrsve­rträge mit den Busbetreib­ern liefen jedoch nur zwei Jahre, nennt er ein Beispiel.

Enttäuscht wurde bisher auch die Hoffnung auf die Nachrüstun­g älterer Diesel mit modernen Abgasreini­gungsanlag­en, dem so genannten SCR-Kat. Zwar hat das Kraftfahrt­bundesamt die ersten Systeme zugelassen, vor allem für 60 Modelle von VW und einige von Daimler, BMW und Volvo. Zwischen 3100 Euro und 3500 Euro kosten sie für die drei letztgenan­nten Hersteller. Auf den Kosten bleiben die Autofahrer bislang sitzen, was den ADAC erzürnt. „Alle Hersteller sind aufgeforde­rt, sich an den Kosten der Nachrüstun­g zu beteiligen“, fordert der Autoclub, freilich vergebens. Ob sich der Aufwand lohnt, müsse jeder Dieselbesi­tzer selbst entscheide­n, etwa wenn Fahrverbot­e oder Wertverlus­t drohen. „Für die Umwelt hat er in jedem Fall etwas getan“, stellt der ADAC fest.

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FOTO: LEIF PIECHOWSKI/IMAGO IMAGES DUH-Chef Jürgen Resch zieht gerne vor Gericht – und hat Erfolg damit. Nun ändert er jedoch seine Strategie.

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