Käsefehde ohne Ende
Anwohnern stinkt die Produktion im Haus – Das beschäftigt erneut ein Gericht
(dpa) - Manuela Kragler stinkt es ganz gewaltig. Denn der Geruch einer Käseproduktion in ihrem Wohnhaus kriecht durch Fenster, über mehrere Stockwerke, sogar durch Steckdosen, sagt sie. Derartige olfaktorische Belastungen aus dem Tölzer Kasladen im oberbayerischen Bad Heilbrunn beschäftigen seit Längerem die Gerichte. Eines entschied nun: Die Anwohner dürfen ihrem Ärger öffentlich Luft machen. Weiterhin Aufkleber mit einer geruchsbelästigten Nase an den Laden zu kleben, untersagte das Gericht den Anwohnern allerdings.
Die Nachbarin darf weiterhin sagen, „dass es eine Geruchsbelästigung gibt und dass sie es als stinkend empfindet“, erläuterte Ulrike Fürst, Sprecherin des Landgerichts München II am Dienstag. „Das ist eine Meinungsäußerung.“Für Aufkleber am Laden gilt das allerdings nicht. Die fand Inhaber Wolfgang Hofmann regelmäßig an seinem Geschäft. Immer wieder habe er die von den Scheiben gekratzt – und schließlich auf Unterlassung geklagt. „Das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der 58-Jährige.
Schon bald nach dem Einzug des Kasladens in einen früheren Supermarkt 2016 klagten Hausbewohner vor dem Amtsgericht. Denn neben dem Verkauf im Geschäft lagern und reifen in den hinteren Räumen in Regalen fein säuberlich gestapelt zwei bis drei Tonnen Käse. Rund 200 Sorten werden hier verpackt und verschickt. Der Käsehandel samt Käsereifung sei kein Supermarkt und die Nutzung somit nicht erlaubt, argumentierten die Nachbarn. „Wir haben erst versucht, eine gütliche Einigung zu erreichen. Aber Herr Hofmann hat das Problem des Gestanks von Anfang an negiert“, sagt Hausbewohnerin und Prozessgegnerin Manuela Kragler. Der Käsegeruch ziehe durch das gesamte Haus.
„Man hätte diskutieren können, ob Lüftungsanlagen eingebaut werden.“Doch stattdessen eskalierte der Streit immer mehr. „Ich bin dazu übergegangen, auf nonverbale Art zu kommunizieren, dass es uns Hausbewohnern
stinkt“, sagt die Goldschmiedin, die eigentlich gern Käse isst. So sei es zu den Nasen-Zetteln gekommen.
2017 wurden Landratsamt und Gemeinde auf den Streit aufmerksam. Hofmann musste eine Nutzungsänderung beantragen. Der Bauausschuss der Gemeinde kam zur Ortsbegehung samt Schnüffelprobe. „Es war ein deutlicher säuerlicher Geruch zu erkennen“, sagt Andreas Mascher, Geschäftsleiter der Gemeinde Bad Heilbrunn. Die Anwohner
hätten glaubhaft versichert, dass das vorher nicht der Fall gewesen sei.
„Aber Käse riecht nicht säuerlich“, wehrt sich Hofmann. „Das ist Silage. Es gibt hier drei landwirtschaftliche Betriebe, die mit Silage füttern.“Die Nachbarn, glaubt der gelernte Koch, hätten den Geruch manipuliert – indem sie hinter einem Sicherungskasten alten Käse versteckten. Dass es im Käseladen selbst nach Käse rieche, sei logisch. „Wenn Sie in einen Parfümladen gehen, riecht es nach Parfüm, und wenn Sie in einen Blumenladen gehen, riecht es nach Blumen.“
Käsegeruch liegt in der Herstellung begründet. Damit Käsesorten reifen und ihren typischen Geschmack entwickeln, wird die Masse mit Bakterien oder Schimmelpilzen versetzt. Je älter ein Käse, desto intensiver riecht er. Käseliebhaber schätzen gerade diesen, mit dem Geruch einhergehenden, kräftigen Geschmack.
Der Bauausschuss kam nach der Geruchsprobe zu der Entscheidung, dass eine Nutzung des Ex-Supermarkts für den Kasladen samt Reifung nicht genehmigt werden kann. „Man hat den Anwohnern darüber auch nicht zumuten können, dass es so bleibt“, sagt Mascher. Hofmann klagte gegen die Nutzungsuntersagung, scheiterte aber vor dem Verwaltungsgericht München. Hier ist – wie auch vor dem Amtsgericht – das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hofmann hat Rechtsmittel eingelegt. Wie es weitergeht: offen. Noch läuft der Kasladen. Und das Urteil um die Aufkleber der Anwohnerin ist auch noch nicht rechtskräftig.