Mobbing verhindern
Wie es aussieht, wenn Prävention nichts mehr bringt, kennt er auch. Aus der Justizvollzugsanstalt.
(ij) - Der Grat zwischen Prävention und Intervention ist schmal. Mobbing hat viele Facetten. Durch digitale Netzwerke oder Messenger wie Whatsapp haben sich Anfeindungen und Hänseleien zum Teil ins Internet verlagert. Andreas Schumschal vom Landratsamt versucht, Mobbing zu verhindern.
G- Der Grat zwischen Prävention und Intervention ist schmal. Mobbing hat viele Facetten. Durch soziale Netzwerke oder Messenger wie WhatsApp haben sich Anfeindungen und Hänseleien zum Teil ins Internet verlagert – aber auch verstärkt. Diplom-Sozialpädagoge Andreas Schumschal von der Koordinationsstelle Prävention des Landratsamts Ostalbkreis kennt viele dieser Facetten. Und versucht sie zu verhindern.
Das Thema ist an vielen Schulen akut und präsent – auch im Ostalbkreis. „Ich bin das ganze Jahr über ausgebucht“, sagt der 61-Jährige. Rund 80 Schulen besucht er im Jahr. „Ich könnte auch den Tag über im Büro sitzen. Aber das geht nicht. In die Klassen zu gehen, ist schon geradezu ein Hobby von mir“, so Schumschal. Mit einem eigens entwickelten Konzept will er Impulse setzen, ohne erhobenen Zeigefinger oder Moralapostel.
Seine Besuche laufen meist spielerisch ab. „Ich mache Mobbing zu Beginn nicht zum Thema“, sagt er. Das ergebe sich. Mithilfe von Experimenten sammelt er Eindrücke, lernt die Schüler kennen und analysiert die Klassenstruktur. Alphatiere, Meinungsmacher, Schüchterne, mögliche Mobbingopfer – und die schweigende Mehrheit.
„Das ist die wichtigste Gruppe“, sagt er. Denn auch wenn es sich zunächst um eine präventive Maßnahme handelt. Mobbing findet an den meisten Schulen statt. Oft zeigt sich das während der Besuche Schumschals, wie er sagt. Mal subtil, mal offensiv. „In den letzten beiden Klassen hat jeweils jemand angefangen zu weinen“, erinnert sich der 61-Jährige. Das ist der schmale Grat, auf dem der Sozialpädagoge während solcher Sitzungen wandelt. Ein akuter Fall kann schnell zur Intervention werden.
„In solchen Fällen versuche ich aber auch, Empathie zu schulen“, sagt er. Natürlich würden solche Schritte nur mit Einverständnis des Opfers gegangen. „Wie geht es dir, wie geht es euch, wenn ihr seht, dass jemand weint?“So könne er die Klasse herausfordern, wie Schumschal es nennt. Die schweigende Mehrheit soll aktiv werden. „Diese Mehrheit muss das Opfer unterstützen. Oder einschreiten.“Eine Gruppe, die in der Lage wäre, zu schützen, sich häufig aber nicht traut.
Mobbing findet zudem nicht nur in Schulklassen statt, sagt Schumschal. „Ich schule auch die Lehrer. Die Eltern sind ebenfalls eine wichtige Zielgruppe.“Lehrer seien deshalb wichtig, da sie die in der Prävention erarbeiteten Schritte weiter mit ihren Schülern gehen müssten. Aber nicht nur deswegen kommt Schumschal zu den Lehrkräften. Denn Mobbing fände nicht nur im Klassenzimmer statt. Auch Lehrer würden gemobbt. Von Schülern – aber auch von den eigenen Kollegen. „Mobbing gibt es überall in unserer Gesellschaft.“
Und seit das Internet für viele Schüler der Lebensmittelpunkt geworden ist, habe sich auch eine neue, zum Teil anonymisierte Plattform gebildet. „Dadurch ist es schlimmer geworden. Durch Prävention versuche ich, die Kinder und Jugendlichen zu stärken.“Schumschal will eingreifen, bevor es zu Gewalt kommt, zu Sucht oder zu Mobbing. „Da geht es um soziale Kompetenzen.“
Der 61-jährige Sozialarbeiter weiß, wie es ist, wenn Prävention nichts mehr bewirkt. „Ich habe zehn Jahre im Strafvollzug gearbeitet“, erzählt er. Straftäter seien bereits stark in ihrer eigenen Welt sozialisiert. „Die konnten das oft nicht umsetzen. Außerhalb des Vollzugs hatte ich zudem keinen Bezug mehr zu ihnen.“Kinder und Jugendliche könne man noch anders erreichen und nachhaltig beeinflussen.
Damit sie es vielleicht eines Tages anders machen, wie es die jetzige Gesellschaft vorlebe. „Nicht nur derjenige, der am lautesten schreit, sollte weiterkommen. Auch die Stillen müssen gehört werden“, fordert der Sozialpädagoge. Dämagogen und Brüller gebe es schon genug. Auch für die Wirtschaft ein wichtiger Faktor, wirft Schumschal ein. „Denn wenn es untereinander funktioniert, dann flutscht alles andere auch“, sagt er mit einem Lächeln.
„Mobbing gibt es überall in unserer Gesellschaft“.