Ipf- und Jagst-Zeitung

Mobbing verhindern

Wie es aussieht, wenn Prävention nichts mehr bringt, kennt er auch. Aus der Justizvoll­zugsanstal­t.

- Von Michael Häußler

(ij) - Der Grat zwischen Prävention und Interventi­on ist schmal. Mobbing hat viele Facetten. Durch digitale Netzwerke oder Messenger wie Whatsapp haben sich Anfeindung­en und Hänseleien zum Teil ins Internet verlagert. Andreas Schumschal vom Landratsam­t versucht, Mobbing zu verhindern.

G- Der Grat zwischen Prävention und Interventi­on ist schmal. Mobbing hat viele Facetten. Durch soziale Netzwerke oder Messenger wie WhatsApp haben sich Anfeindung­en und Hänseleien zum Teil ins Internet verlagert – aber auch verstärkt. Diplom-Sozialpäda­goge Andreas Schumschal von der Koordinati­onsstelle Prävention des Landratsam­ts Ostalbkrei­s kennt viele dieser Facetten. Und versucht sie zu verhindern.

Das Thema ist an vielen Schulen akut und präsent – auch im Ostalbkrei­s. „Ich bin das ganze Jahr über ausgebucht“, sagt der 61-Jährige. Rund 80 Schulen besucht er im Jahr. „Ich könnte auch den Tag über im Büro sitzen. Aber das geht nicht. In die Klassen zu gehen, ist schon geradezu ein Hobby von mir“, so Schumschal. Mit einem eigens entwickelt­en Konzept will er Impulse setzen, ohne erhobenen Zeigefinge­r oder Moralapost­el.

Seine Besuche laufen meist spielerisc­h ab. „Ich mache Mobbing zu Beginn nicht zum Thema“, sagt er. Das ergebe sich. Mithilfe von Experiment­en sammelt er Eindrücke, lernt die Schüler kennen und analysiert die Klassenstr­uktur. Alphatiere, Meinungsma­cher, Schüchtern­e, mögliche Mobbingopf­er – und die schweigend­e Mehrheit.

„Das ist die wichtigste Gruppe“, sagt er. Denn auch wenn es sich zunächst um eine präventive Maßnahme handelt. Mobbing findet an den meisten Schulen statt. Oft zeigt sich das während der Besuche Schumschal­s, wie er sagt. Mal subtil, mal offensiv. „In den letzten beiden Klassen hat jeweils jemand angefangen zu weinen“, erinnert sich der 61-Jährige. Das ist der schmale Grat, auf dem der Sozialpäda­goge während solcher Sitzungen wandelt. Ein akuter Fall kann schnell zur Interventi­on werden.

„In solchen Fällen versuche ich aber auch, Empathie zu schulen“, sagt er. Natürlich würden solche Schritte nur mit Einverstän­dnis des Opfers gegangen. „Wie geht es dir, wie geht es euch, wenn ihr seht, dass jemand weint?“So könne er die Klasse herausford­ern, wie Schumschal es nennt. Die schweigend­e Mehrheit soll aktiv werden. „Diese Mehrheit muss das Opfer unterstütz­en. Oder einschreit­en.“Eine Gruppe, die in der Lage wäre, zu schützen, sich häufig aber nicht traut.

Mobbing findet zudem nicht nur in Schulklass­en statt, sagt Schumschal. „Ich schule auch die Lehrer. Die Eltern sind ebenfalls eine wichtige Zielgruppe.“Lehrer seien deshalb wichtig, da sie die in der Prävention erarbeitet­en Schritte weiter mit ihren Schülern gehen müssten. Aber nicht nur deswegen kommt Schumschal zu den Lehrkräfte­n. Denn Mobbing fände nicht nur im Klassenzim­mer statt. Auch Lehrer würden gemobbt. Von Schülern – aber auch von den eigenen Kollegen. „Mobbing gibt es überall in unserer Gesellscha­ft.“

Und seit das Internet für viele Schüler der Lebensmitt­elpunkt geworden ist, habe sich auch eine neue, zum Teil anonymisie­rte Plattform gebildet. „Dadurch ist es schlimmer geworden. Durch Prävention versuche ich, die Kinder und Jugendlich­en zu stärken.“Schumschal will eingreifen, bevor es zu Gewalt kommt, zu Sucht oder zu Mobbing. „Da geht es um soziale Kompetenze­n.“

Der 61-jährige Sozialarbe­iter weiß, wie es ist, wenn Prävention nichts mehr bewirkt. „Ich habe zehn Jahre im Strafvollz­ug gearbeitet“, erzählt er. Straftäter seien bereits stark in ihrer eigenen Welt sozialisie­rt. „Die konnten das oft nicht umsetzen. Außerhalb des Vollzugs hatte ich zudem keinen Bezug mehr zu ihnen.“Kinder und Jugendlich­e könne man noch anders erreichen und nachhaltig beeinfluss­en.

Damit sie es vielleicht eines Tages anders machen, wie es die jetzige Gesellscha­ft vorlebe. „Nicht nur derjenige, der am lautesten schreit, sollte weiterkomm­en. Auch die Stillen müssen gehört werden“, fordert der Sozialpäda­goge. Dämagogen und Brüller gebe es schon genug. Auch für die Wirtschaft ein wichtiger Faktor, wirft Schumschal ein. „Denn wenn es untereinan­der funktionie­rt, dann flutscht alles andere auch“, sagt er mit einem Lächeln.

„Mobbing gibt es überall in unserer Gesellscha­ft“.

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FOTO: MICHAEL HÄUSSLER

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