Angeklagter
Die türkische Justiz hat erstmals Haftbefehl gegen einen deutschen Politiker wegen Beleidigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erlassen. Ein Amtsgericht in der Hauptstadt Ankara entschied am Dienstag auf Antrag von Erdogans Anwälten, der deutsch-türkische Grünen-Politiker Memet Kilic solle per Festnahme zu einer Aussage in der Türkei gezwungen werden. In dem Prozess wird Kilic vorgeworfen, Erdogan in einem Interview beleidigt zu haben. Kilic, der in Heidelberg als Anwalt arbeitet, sagte der „Schwäbischen Zeitung“, er solle zum Staatsfeind erklärt und „zur Zielscheibe gemacht werden“. Kilic hatte vor zwei Jahren der Internetzeitung „ABC Gazetesi“gesagt, Erdogan habe der Türkei einen „untragbaren“Schaden zugefügt. Die dafür verantwortlichen türkischen Politiker seien für ihn „Vaterlandsverräter“, sagte er. Die Staatsanwaltschaft fordert wegen dieser Aussagen bis zu sechs Jahren Haft sowie den Entzug von Kilic’ Anwaltsdiplom. In dem Prozess, der am Dienstag begann, tritt Erdogan als Nebenkläger auf. Eine Vernehmung in Deutschland habe das Gericht abgelehnt, sagte Kilic, der die Prozesseröffnung von Deutschland aus verfolgte. Am nächsten Prozesstag am 26. Februar wolle sein Anwalt erneut versuchen, eine Aussage in der Bundesrepublik zu ermöglichen. Eine Auslieferung an die Türkei muss Kilic wegen seines deutschen Passes nicht befürchten. Kilic, 52, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft hat, saß von 2009 bis 2013 im Bundestag und ist weiter politisch aktiv, unter anderem als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Migration und Flucht der Grünen in BadenWürttemberg. Er sagte der „Schwäbischen Zeitung“, der Prozess ziele unter anderem darauf, ihn wirtschaftlich zu ruinieren. Seine Zulassung in Deutschland basiere auf seinem türkischen Anwaltsdiplom, ohne das er in Deutschland nicht mehr arbeiten dürfte. Die deutschen Behörden weigerten sich, ihm eine deutsche Zulassung zu geben. Zudem habe ihn das türkische Generalkonsulat Karlsruhe ohne Begründung von seiner Dolmetscher-Liste gestrichen. Susanne Güsten