Kujat weiter im Amt bei Heckler & Koch
Heckler & Koch-Mehrheitsaktionär Heeschen gerät wegen dubioser Geschäfte immer mehr ins Zwielicht
(dpa) - Beim Oberndorfer Waffenhersteller Heckler & Koch hat sich der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, an der Spitze des Aufsichtsrats behaupten können. Ein Antrag auf Abberufung des 77-Jährigen scheiterte am Donnerstag deutlich. Dies war jedoch keine Überraschung, weil der Mehrheitseigentümer Andreas Heeschen zum Ex-Militär hielt. Auf Wunsch von Heeschen, der am Donnerstag in Rottweil nicht anwesend war, war Kujat erst im Juli in den Aufsichtsrat gewählt worden. Die Luxemburger Finanzholding CDE, die beim Waffenhersteller die Mehrheit übernehmen will, wollte Kujat aus dem Gremium drängen.
G- „Ich bin erschüttert!“Ein Kleinaktionär konnte es kaum fassen, was er auf der außerordentlichen Hauptversammlung des Oberndorfer Waffenkonzerns Heckler & Koch (HK) am Donnerstag erlebte. Zum ersten Mal wurde das ominöse Geschäftsgebaren von Mehrheitsaktionär Andreas Heeschen in allen Einzelheiten öffentlich. Heeschen war, so berichten Teilnehmer, am vergangenen Freitag überraschend zu einer Betriebsversammlung erschienen. Er habe sich gesellig, ja väterlich als Gönner der Firma gegeben. Die Hauptversammlung aber mied er einmal mehr.
Harald Kujat, der frühere Bundeswehr-Generalinspekteur, nahm zwar teil, sagte aber kein Wort und überließ die Sitzungsleitung seinem Stellvertreter Martin Sorg. Der 78-jährige Kujat war vor einem Jahr in Abwesenheit zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt worden.
Zum Auftakt der Hauptversammlung hagelte es eine geschlagene Stunde lang Fragen. Vor allem die Kritischen Aktionäre, die nur 0,03 Prozent der Aktien halten, nutzten die Gelegenheit – ebenso aber auch Vertreter der in Luxemburg ansässigen Finanzholding Compagnie de Développement de l’Eau (CDE), die 5,1 Prozent des HK-Stammkapitals hält und hinter der der französische Investor Nicolas Walewski steht. Er will Heeschen als Mehrheitsaktionär ablösen. Und gestern wurde deutlich, dass er diesem Ziel immer näherkommt.
Die Geschäftsleitung von Heckler & Koch benötigte eine fast zweistündige Pause, um Antworten auf all die komplexen Fragen zu finden. Dann aber ließen sie an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und listeten peinlich die Nebengeschäfte von Heeschen auf, die den Waffenhersteller an den Rand des Ruins brachten.
Chronologie des Scheiterns
Zunächst kam heraus, dass der Mehrheitsaktionär bereits vor vier Jahren zehn Millionen seiner Aktien an die CDE verpfändet hatte. Das war bisher nicht einmal Insidern bekannt. Walewski hat seit Langem beantragt, das Aktienpaket übertragen zu bekommen. Gelingt ihm das, hätte die CDE die Mehrheit an der deutschen Waffenschmiede.
Allerdings fehlt hierzu noch die Zustimmung der Bundesregierung – bei Eigentümerwechseln in der Rüstungsbranche hat Berlin eine Art Veto-Recht. Ein entsprechendes Signal könnte im Februar oder März kommen.
Nicht minder fassungslos nahmen die Aktionäre zur Kenntnis, was sie dann erfuhren. Heeschen, der die Aktienmehrheit im Jahr 2002 übernahm, gründete eine Beteiligungsgesellschaft von Heckler & Koch, machte sich zum Geschäftsführer, kaufte mit Krediten des Waffenherstellers Firmen aller Art auf – von Gartenbaubetrieben bis hin zu Schiffsunternehmen – und erlitt in den meisten Fällen Schiffbruch, sprich Insolvenz. Insgesamt kostete das Heckler & Koch mindestens 139 Millionen Euro.
Wie aus den Ausführungen des Vorstandschefs Jens Bodo Koch hervorging, wurde zum Beispiel ein 16Millionen-Euro-Kredit an einen
Wertpapierhändler, der in der Finanzkrise 2008/09 in Schieflage geriet, „in voller Höhe wertberichtigt“. Auch ein 2-Millionen-Darlehen an eine Geschäftsflugzeugfirma wurde wertberichtigt, die Investition in das später insolvente Gartengeräteunternehmen Wolf Garten war ebenfalls ein Flopp. Sogar in einen Diamantenhändler investierte die H&K Beteiligungsgesellschaft im vergangenen Jahrzehnt – dies immerhin ohne Verlust für die Firma aus dem Schwarzwald.
Zu Beginn der Ära Heeschen im Jahr 2002 hatte der Waffenkonzern 2,5 Millionen Schulden, im Jahr 2015 waren es dann, so berichtete die Geschäftsführung, 295 Millionen Euro.
Der aktuelle Schuldenstand liege bei 226,8 Millionen Euro – bei einem Eigenkapital von minus 117 Millionen Euro.
Am Rande der Hauptversammlung wurde aus inoffiziellen Kreisen auch bekannt, dass es nicht Heeschen, sondern ebenfalls die CDE war, die in den vergangenen Jahren 130 Millionen Euro zugeschossen hatte, um Heckler & Koch vor der Pleite zu bewahren.
Heeschen hält derzeit knapp 16 Millionen der insgesamt 27 Millionen Aktien und damit eine Mehrheit von rund 57 Prozent. Damit brachte er am Donnerstag auch seine Anträge durch – und jene von CDE zu Fall. Ergebnis: Der Aufsichtsrat wird um ein Mitglied erweitert: Heeschen. Er ließ auch voreilend ausrichten, dass er die Wahl annehme.
Die Bezüge steigen auf 100 000 Euro pro Jahr für den Vorsitzenden – Harald Kujat – (bisher 50 000 Euro), 87 000 Euro für den Stellvertreter (bisher 43 000 Euro) und 75 000 für die übrigen Mitglieder (bisher 23 000 Euro).
Die von der CDE geforderte Abwahl des Heeschen-Kandidaten Kujat scheiterte. Die Finanzholding monierte, dass der Ex-General keine Wirtschaftserfahrung habe und zu alt sei. Die Geschäftsordnung von Heckler & Koch sieht vor, dass ein Aufsichtsratsmitglied in der Regel nicht älter als 70 Jahre sein soll. Ein Muss ist das aber nicht.
Doch die Vertreter von CDE ließen keinen Zweifel daran, dass sie das nicht hinnehmen wollen. Sie legten „Widerspruch“ein und „rügten“, dass nicht alle ihre Fragen beantwortet seien. Die Zeichen deuteten an diesem denkwürdigen Donnerstag darauf hin, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis die CDE die Macht übernimmt. Die HK-Geschäftsführung um Vorstandschef Koch hielt sich zwar zurück, betonte aber, dass es im Sinne des Unternehmens sei, einen „finanzstarken Mehrheitsaktionär“zu haben.