Wie das Land ergrünen soll
Agrarministerin Klöckner stellt Ackerbaustrategie der Bundesregierung vor
G- Die Autobahn A 13 wird kurzfristig gesperrt, weil bei stürmischem Wind der Boden von einem angrenzenden Acker geweht wird, nichts mehr zu sehen ist. Nur Staub. Das war 2018. Vergangenheit. Die Natur kommt zurück.
Auf einst eher monotonen Äckern gibt es Hecken, Blühstreifen, Halt für den Boden. Es summt und brummt. 20 Prozent der bundesweiten landwirtschaftlichen Fläche ist ökologisch bewirtschaftet. Kleine Roboter kurven auf den Feldern, analysieren Boden und Zustand der Pflanzen. Die Supermärkte bieten Dinkel- und Buchweizenbrötchen, Hafermilch und Getreidekaffee aus der Region an. Das Angebot ist vielfältig und für die Kunden ist nicht mehr nur Geiz geil, die Bauern kommen gut über die Runden. So sieht das Land im Jahr 2035 aus. Zumindest stellt es sich CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner so vor.
Am Ende eines Jahres, in dem die Interessen von Bauern und Naturschützern aufeinandergeprallt sind wie selten zuvor, steht die Agrarpolitik an einem Wendepunkt. Am Donnerstag hat die Ministerin ihre Ackerbaustrategie 2035 vorgestellt. Untertitel: „Perspektiven für einen produktiven und vielfältigen Pflanzenbau“. Gleich auf den ersten Seiten beschreibt sie ihr Bild von einer Landwirtschaft in 15 Jahren. Sie wirbt um mehr „Respekt und Wertschätzung“für die Arbeit in Stall und auf dem Feld, denn sie sei „Grundlage unseres Lebens“. Darum betreffe die Ackerbaustrategie auch „nicht nur die Landwirte, sondern alle“. Mit ihr sollten Zielkonflikte angesprochen und mögliche Lösungen zur Diskussion gestellt werden.
Der Ackerbau ist für die knapp 270 000 landwirtschaftlichen Betriebe, die es bundesweit noch gibt, entscheidende Einkommensquelle. In Deutschland wird mehr als die Hälfte der Gesamtfläche – insgesamt 16,7 Millionen Hektar – landwirtschaftlich genutzt. Davon sind etwa 70 Prozent Ackerland und 28 Prozent Dauergrünland. Wie lassen sich also Erträge sichern und das Klima, die Gewässer, die biologische Vielfalt und die Bodenqualität besser schützen? Die Böden, so sagt Klöckner, stünden
„unter Leistungsdruck“. Landwirte wurden jahrelang – die Hungerjahre der Nachkriegszeit waren prägend – mit Subventionen angespornt, immer mehr, immer billiger zu produzieren. Klöckner rechnet vor: „Heute ernährt ein Landwirt 155 Menschen mit Lebensmitteln, 1900 waren es gerade einmal zehn.“Nur leiden mittlerweile die Felder vielerorts an zu viel Chemie und Gülle, an zu wenig Humus, geringer Vielfalt. Schwere Landmaschinen verdichten Böden zudem, wo noch keine Hightech-Reifen ihren Druck verringern. In ihrer knapp 70 Seiten umfassenden Strategie – verteilt auf zwölf Handlungsfelder und 50 Maßnahmen – schlägt Klöckner neue Wege vor. Drei Beispiele:
Sie will weg von Einerlei, davon, dass der Großteil der Äcker nur mit Winterweizen, Mais, Wintergerste und Winterraps bestellt wird. So soll künftig jeder Betrieb fünf Kulturpflanzen auf den Feldern von Jahr zu Jahr wechselnd anbauen, darunter können dann auch Dinkel, Hafer, Erbsen, Ackerbohnen sein. Die Vermarktung dafür soll gefördert werden.
Zweitens soll Humus aufgebaut werden. Denn je höher der Anteil, desto länger und mehr Wasser, Nährstoffe und auch Kohlenstoff speichern die Böden. Anders gesagt: Sie bunkern Treibhausgase, verlangsamen den Klimawandel. Reste der Ernte, Stoppeln, Stroh, Blätter, sollen dazu zum Beispiel auf dem Acker bleiben.
Klöckner setzt drittens auf die Züchtung neuer Pflanzen, die Dürre besser vertragen, mit weniger Pflanzenschutzmitteln auskommen. Sie schließt dabei auch das in der Bundesregierung umstrittene CrisprVerfahren ein, die sogenannte Genschere. Man müsse, meint sie, „das enorme Innovationspotenzial nutzen.“Darüber hinaus solle Dünger effizienter, von Pflanzenschutzmitteln weniger eingesetzt werden. Helfen könnten dabei Drohnen, die Daten liefern, wie die Gewächse gedeihen und ob es ihnen an etwas mangelt.
Verbindlich ist die Strategie allerdings nicht, finanzielle Zusagen gibt es auch nicht. In der Strategie heißt es nur, es sollten „Vorschläge zum Umbau der Agrarförderung“erarbeitet werden, etwa zu „einer angepassten Entlohnung ackerbaulicher Gemeinwohlleistungen“.
Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, fand dennoch lobende Worte: „Wir begrüßen diese Strategie. Denn sie zeigt Perspektiven und Optionen zur Weiterentwicklung des Ackerbaus auf, die auch wir als zielführend und zukunftsfähig erachten.“Christoph Heinrich aus dem Vorstand des Umweltverbandes WWF hingegen kritisierte: „Die Landwirte lässt man wieder einmal im Ungewissen. Eine notwendige Planungssicherheit, wird ihnen nicht gegeben.“Klöckner versteht die Strategie tatsächlich nur als „Grundlage für einen breiten öffentlichen Diskussionsprozess“.