Von der Höflichkeit der Eidgenossen
Vor Gott sind die Menschen vielleicht alle gleich, aber vor den Menschen eben nicht. Das muss aber nichts Schlechtes heißen, denn anders kann sehr unterhaltsam sein. Nehmen wir zum Beispiel den Eidgenossen. Er gehört zum Allerhöflichsten, was das internationale Staatswesen je hervorgebracht hat – sieht man einmal von seiner Rolle als Fahrzeuglenker auf deutschen Autobahnen ab.
Der Schweizer reagiert empfindsam auf allzu rustikale Ansprache. Das im Schwäbischen übliche „Ich krieg zwei Butterbrezeln“wäre im
Schweizerischen ein kleiner Skandal. Denn einerseits kennt der Eidgenosse keine eigenen Butterbrezeln im engeren Sinne und andererseits eröffnen Schweizer die Formulierung eines Wunsches stets mit einer Entschuldigung. Daher lautet die korrekte Bestellung der Backwaren etwa so: „Entschuldigen Sie bitte, könnte ich vielleicht eventuell zwei Butterbrezeli bekommen, wenn’s keine Umstände macht, bitte?“
Diese Engelszungenhaftigkeit ist gewiss auch der Grund dafür, dass die Beurteilung schweizerischer Bundesbeamten zu 96 Prozent „sehr gut“oder „gut“ausfällt – eine wichtige Voraussetzung, um vom jährlichen Lohnzuwachs zu profitieren. Die „Neue Zürcher Zeitung“berichtet unter der Überschrift „Das Wunder von Bern“, wo die meisten Beamten sitzen, davon und lässt milde Zweifel anklingen, ob dem denn wirklich so sein könnte. Allein dieser Umstand ist zutiefst unschweizerisch, weil dies die nötige Höflichkeit vermissen lässt. Gewiss sind die vier Prozent im Außendienst auf deutschen Autobahnen unterwegs.