Gemeinsame Geschichte stiftet Identität
Thomas Rathgeb, Vorsitzender Geschichts- und Altertumsverein Ellwangen
ELLWANGEN - Seit etwas über einem Jahr ist Thomas Rathgeb Vorsitzender des Geschichts- und Altertumsvereins Ellwangen. Mit dem Ellwanger Jahrbuch, aber auch mit dem Schlossmuseum ist der Verein eine wichtige Konstante im Kulturleben der Stadt. Franz Graser hat mit Rathgeb über seine Pläne für den Verein gesprochen.
Was hat Ihre Geschichtsbegeisterung geweckt, dass Sie sich in diesem Verein engagieren?
Im Prinzip bin ich familiär vorbelastet. Mein Vater war schon in dem Verein aktiv, er hatte in den achtziger Jahren das Museum ein Stück weit betreut und als Kind und Jugendlicher war ich oft mit dabei und bekam dadurch schon einen Einblick ins Schlossmuseum. Geschichte hat mich schon immer interessiert, und deswegen hat sich das irgendwann so ergeben, dass ich mich im GAV engagiert habe.
Ellwangen ist ja reich an Geschichte. Das Thema ist auch touristisch von Bedeutung. Es wird immer wieder gesagt, dass sich Ellwangen in dieser Hinsicht ein bisschen unter Wert verkaufe. Wie würden Sie das sehen?
Ich denke schon, dass wir noch mehr Potenzial haben, unser historisches Erbe zu vermarkten. Es gibt ja die Idee, im Tourismuskonzept das Thema der Fürstpropstei aufzugreifen. Das ist eine gute Idee. Ich denke auch generell, Ellwangen hat mit seinem historischen Stadtbild, der Geschichte und den Geschichten dahinter viel zu bieten und muss sich sicher nicht vor anderen Städten verstecken. Und das kann man sicher touristisch nutzen. Vor allem aber ist eine gemeinsame Geschichte durchaus auch ein identitätsstiftendes Kriterium für eine Stadt.
Wie könnte ein zeitgemäßes Profil für den Geschichts- und Altertumsverein aussehen?
Ich denke schon, dass wir wichtige Kernaufgaben haben. Wir haben ein ehrenamtliches Museum, das wir seit 1908 betreuen, und wir haben das Ellwanger Jahrbuch, quasi das Gedächtnis der Stadt mit der Chronik, auch mit der Möglichkeit zum Publizieren.
Hierzu offerieren wir eine ganze Bandbreite von Möglichkeiten. Ein historischer Verein entwickelt sich natürlich stetig weiter, je nachdem, welche Menschen sich engagieren. Wichtig ist, dass wir uns vergegenwärtigen, dass wir ein gemeinsames Interesse daran haben, das Thema Geschichte erfahrbar zu machen. Und da liegt es natürlich an den Mitgliedern, welche Themen aufgegriffen werden. Es ist ja oft so, dass sich jemand persönlich für ein Thema engagiert und das dann ausarbeitet, das kann man dann aufgreifen und weiterentwickeln. Da sind wir auch ständig im Fluss, je nachdem, wer sich mit seinen Interessen und Spezialgebieten einbringen möchte.
Sie haben zusammen mit Franz Brenner ein Buch zur Ellwanger
Fastnacht herausgegeben und verfasst. Was hat Sie an diesem Aspekt der Ellwanger Geschichte interessiert?
Das ist jetzt keine streng wissenschaftliche Publikation, es ist eher eine Sammlung von verschiedenen Dokumenten. Uns war es wichtig, mit dem Layout das Haptische dieser Dokumente mitaufzugreifen beispielsweise mit alten Anzeigen und Fotos. Man kann an den verschiedenen Veranstaltungen und Darbietungen zur Fastnacht in der jeweiligen Zeit sehr schön ablesen, was da gesellschaftlich passiert ist und wie es in der jeweiligen Zeit war: Hatte man Geld, hatte man kein Geld? Wie war die Stellung der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten? Welche politischen Themen haben eine Rolle gespielt? Ich denke, das ist nicht nur ein Buch für jemanden, der sich für die Fastnacht interessiert, sondern es ist eine kulturhistorische Betrachtung, wie sich die Fastnacht im Laufe der Zeit gewandelt hat. Das hat uns einfach fasziniert, diese Geschichten, auch die Zeitungsartikel, die ja alle in dem Buch transkribiert sind, sodass man sehen kann, wie darüber berichtet wurde und welche Rolle das damals im Alltag gespielt hat. Die tollen Bilder, die tollen Anzeigen und die Geschichten dazu – das wollten wir einem größeren Personenkreis zugänglich machen. Daher sollte es ein schönes Buch, ein Bildband sein - nicht unbedingt ein Lesebuch, sondern eher etwas zum Stöbern und Entdecken.
Vor drei Jahren wurde anlässlich einer Mitgliederversammlung des GAV ein Mitgliederschwund beklagt. Wie sieht es momentan aus? junge Menschen, die sich im Abitur mit geschichtlichen Themen beschäftigen, den Verein kennenlernen können. Mit dem „Forum Schule“im Jahrbuch, in dem es um schulische Themen geht, zeigen wir, was an den Schulen in der Stadt geschichtlich gemacht wird. Wir versuchen schon, das Thema Geschichte für jüngere Menschen erfahrbar zu machen und wir haben durchaus auch ganz junge Mitglieder, die nach ihrer Schulzeit bei uns eintreten.
Wie sieht der Dialog mit diesen jungen Menschen aus? Die Ansprache ist zum Beispiel der Schülerpreis: Man honoriert die intensive Beschäftigung mit einem lokalhistorischen Thema. Wir treffen junge Leute auch auf Veranstaltungen. Dort sieht man schon, was ankommt. Meistens haben die jungen Leute durchaus ein bestimmtes Thema, eine bestimmte Epoche, die sie interessiert.
Wie könnten Ideen aussehen, mit denen sich der GAV bei der Landesgartenschau einbringen kann? Wenn es bei der Gartenschau um die Wertschätzung unseres historischen und kulturellen Erbes geht, sind wir sicher ein Ansprechpartner, der sich einbringen kann – sei es, dass man sich an bestimmte Persönlichkeiten der Stadt oder an Orte und Gegebenheiten erinnert. Hierfür kann man bestimmte Formate entwickeln, um Geschichte erfahrbar zu machen. Bei so einem Veranstaltungsformat hat man vielleicht auch eher mit kleinen Denkmälern oder Hinweisschildern zu tun – es gibt ja durchaus Persönlichkeiten der Stadt, die man kaum mehr kennt, die aber durchaus überregional ihre Bedeutung haben. Wenn man sich das Thema Fürstpröpste anschaut, dann sind natürlich das Schloss und das Schlossmuseum ganz zentral. Je nachdem, wie das Schloss einbezogen wird, spielt natürlich der GAV mit seinem Schlossmuseum eine wichtige Rolle in der Konzeption.
Gibt es Ideen, wie sich das Schlossmuseum weiter entwickeln könnte?
Das Museum gibt es seit 1908, es hat also schon eine relativ lange Tradition. Und das Museum wurde in den vergangenen Jahren neu konzipiert, da hat ja Herr (Eberhard) Veit sich viele Gedanken gemacht, das Museum neu aufzustellen und zu gestalten. Und auch Herr (Matthias) Steuer
hat mit zahlreichen neuen Führungen ein vielfältiges Angebot entwickelt, das auch sehr gut ankommt. Man muss natürlich immer bedenken: Wir sind ein ehrenamtlich getragenes Museum. Wir haben also beschränkte Ressourcen. Aber wir sind eigentlich sehr gut aufgestellt. Unser neuer Flyer ist ganz gut nachgefragt, im letzten Jahr hatten wir über 6500 Besucher und es wurden 133 Führungen durchgeführt. Da sind wir eigentlich sehr zufrieden. Das Museum hat ja eine relativ große Bandbreite. Wir sind einerseits das Museum der Stadt mit der Stadtgeschichte, aber natürlich spielt auch die Residenz der Fürstpröpste eine große Rolle. Wir haben Schrezheimer Fayencen und Porzellane, Barockkrippen, Puppenstuben, das Thema Karl Stirner mit einer Stirner-Galerie und die Schlosskapelle. Und ich glaube, das bieten wir in verschiedenen Führungen sehr gut an. Wir haben Veranstaltungen und Vorträge, der Stiftsbund und die Stadt Ellwangen veranstalten im Thronsaal die Schlosskonzerte, und wir werden mit einem Konzert der Musikschule auf alten Instrumenten dieses Jahr auch wieder das „Klingende Schlossmuseum“anbieten. Ich denke, dass wir uns hinter staatlichen oder städtischen Museen in anderen Städten nicht verstecken müssen.
Beruflich beschäftigen Sie sich bei der Landesanstalt für Kommunikation (LfK) unter anderem mit Social Media. Wie könnte man die Themen eines Vereins wie des GAV in solchen Medien aufbereiten?
Im Moment sind wir dabei, eine neue Homepage für den Verein und das Museum zu gestalten. Mir ist zuerst einmal wichtig, dass wir mit der neuen Website mehr Kommunikationsmöglichkeiten haben und auch aktuellere Themen bearbeiten können. Und dann müssen wir uns überlegen, wie wir das Thema Social Media noch weiter aufgreifen können. Wir haben die Zielgruppe der Touristen, aber sicherlich auch Menschen aus der Region, die wir mit Social Media ansprechen können. Da müssen wir schauen, welche Optionen da sind. Denn Social Media heißt ja auch, aktuell reagieren zu können, und das ist bei einem ehrenamtlich geführten Verein auch ein bisschen schwierig. In Baden-Württemberg ist man ja gerade dabei, eine Digitalstrategie für Museen zu erarbeiten. Die großen Landesmuseen machen sich auf den Weg, um neue Konzepte zu entwickeln, die sie dann an die kleineren Museen weitergeben wollen. Da wird man sehen, was sich als praktikabel erweist. Da sehe ich erst einmal die großen Museen mit großem Etat und hauptamtlichen Mitarbeitern in der Pflicht, etwas zu machen, bevor wir als Ehrenamtliche nachziehen. Aber wir haben es durchaus im Blick und überlegen, wo wir mit unseren Möglichkeiten etwas Sinnvolles anbieten können.
Wann soll die Homepage online gehen?
In den nächsten Wochen.