Vor allem die Kontakte zu den Angehörigen fehlen
Auch im Aalener Albstift hat man Vorkehrungen getroffen, um die Bewohner vor dem Corona-Virus zu schützen
GAALEN - „Unsere Bewohner nehmen die Beschränkungen sehr ernst. Sie sehen ihre Verantwortung für sich und für andere, vertrauen aber auch darauf, dass wir gut auf sie aufpassen,“erzählt Carmen Krenzel. Sie ist als Pflegefachkraft und Wohnbereichsleiterin im stationären Bereich des Aalener Albstifts tätig. Sie und ihre Kollegen wissen, dass ihnen Menschen anvertraut sind, die derzeit wegen der Corona-Pandemie als besonders gefährdet gelten. Doch bei aller Vorsicht, dessen ist sich Stiftdirektorin Andrea Wurm, die Leiterin der Einrichtung, immer bewusst, kann es auch hier zu Ansteckungen kommen. „Zu glauben, dass es uns nicht erwischen kann, hielte ich für höchst fahrlässig.“Deshalb gibt es natürlich auch Pläne für den „Fall der Fälle“.
Das Aalener Albstift mit seinen 185 Bewohnern im Alter zwischen 80 bis deutlich über 90 Jahren und 220 Mitarbeitern ist eine Einrichtung des Kuratoriums Wohnen im Alter (KWA) mit Hauptsitz in München. Deswegen gelten auch in der Aalener Dependance bereits seit Ausbruch der Pandemie die etwas strengeren bayerischen Vorgaben. Aber natürlich sind sich auch die Bediensteten in allen anderen Aalener Einrichtungen ihrer Verantwortung bewusst und handeln entsprechend. Konsequenzen hat auch die Landesregierung gezogen. Seit Mittwoch bis vorerst nach den Osterferien dürfen Personen mit erhöhtem Infektionsrisiko Einrichtungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen, etwa für einen
Arztbesuch.
An diese Vorgaben halten sich die Bewohner im Albstift, berichtet Andrea Wurm. Wobei sie einräumt, dass es in diesem speziellen Fall von Vorteil ist, dass die Einrichtung nicht direkt an die Stadt angebunden ist. Vielmehr können die Betroffenen hier hinaus in die im Frühling aufblühende Landschaft, sie können draußen Sonne tanken und die frische Luft genießen.
Im Haus dürfen sie nach wie vor gemeinsam essen, müssen aber natürlich an den Tischen den gebührenden Abstand halten. Und sie dürfen sich am Buffet nicht selbst bedienen wie sonst, sondern sie werden bedient. Andrea Wurm: „Unsere Bewohner sind eine Hausgemeinschaft, daher dürfen sie untereinander die dabei zulässigen Kontakte haben.“
Der Cafébetrieb ruht, es kommen keine Ehrenamtlichen ins Haus, der Friseursalon ist geschlossen. Andrea Wurm lacht: „Da haben wir mit unseren Haaren im Haus das gleiche Problem wie zurzeit alle Menschen.“Wobei eine Mitarbeiterin, die als Friseurgehilfin gearbeitet hatte, Haarpflege wie Waschen und Föhnen machen kann, damit sich die Menschen wohlfühlen.
Aber auch für das Albstift gilt ein Betretungsverbot. Zutritt haben – außer den Beschäftigten natürlich - lediglich Hausärzte und Handwerker, selbstredend mit Schutzmasken. Lebensmittel und Getränke bekommt das Albstift bis an den Eingang geliefert, im Haus verteilen müssen sie dann die Mitarbeiter selbst. Und denen ist bewusst, erzählen Carmen Krenzel und ihr Kollege, Altenpfleger
Jochen Jubelt, dass sie das Coronavirus „einschleppen“könnten. „Meine Mitarbeiter sind deswegen auch super vorsichtig“, sagt Andrea Wurm. Alle Hände voll zu tun hatten sie auch vor Corona schon, nun aber kommt noch mehr auf sie zu. „Wenn jemand über Herzschmerzen klagt“, erzählt Jochen Jubelt, „dann müssen jetzt wir entscheiden, ob das so gravierend ist, dass wir einen Arzt rufen müssen oder ob das nicht nötig ist.“Das sei manchmal schon eine schwierige Gratwanderung.
Vor allem aber fehlen den Bewohnern die Kontakte mit ihren Angehörigen und Freunden, stellen er und seine Kollegen fest. Man versuche zwar, die Kontakte über Telefon oder Skype aufrechtzuerhalten, den Bewohnern die Notwendigkeiten und Zwänge zu erklären und sie abzulenken. Dennoch gibt es immer mal wieder die Frage: „Warum kommt die oder der nicht?“Wobei sich manche, ergänzt Jubelt, durch die aktuellen Beschränkungen an frühere Notzeiten erinnert fühlen und sich fragen: „Was kommt noch?“
Aber auch den Angehörigen fällt es nicht leicht, sich vom Albstift fernzuhalten. Viele sind sehr traurig, beobachtet Carmen Krenzel. Was sich jedoch geändert hat, ist die Wertschätzung, die dem Personal der Einrichtung entgegengebracht wird. Carmen Krenzel: „Auch wir werden jetzt oft gefragt, wie es uns geht. Das finde ich toll.“Und sie hat festgestellt: „Wir bekommen super Unterstützung von außerhalb.“So haben die Kinder und Jugendlichen der Marienpflege in Ellwangen fleißig gebastelt, gemalt und Briefe geschrieben. Ehrenamtliche, Vereine und Freunde des Hauses haben genäht und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Albstifts mit einem Mundschutz versorgt.
Dass über einen Bonus in Höhe von 1500 Euro geredet wird, bewegt Carmen Krenzel und ihren Kollegen Jochen Jubelt dagegen nicht so sehr. „Natürlich würden wir das Geld nehmen“, sagt er, „aber das ist im Moment nicht so wichtig.“
So, wie jetzt darüber geredet werde, sei es auch nicht besonders wertschätzend, findet Andrea Wurm, sondern es sei viel Aktionismus im Spiel. Natürlich freue sich jeder Pfleger, der 1500 Euro extra bekomme. „Aber ich brauche alle hier im Haus, auch die in der Küche, im Restaurant oder in der Wäscherei.“Bei denen aber sei nicht von einem Bonus die Rede. Bei den Pflegern in den Krankenhäusern auch nicht, ergänzt Jochen Jubelt, denn dort müssten die Krankenkassen und nicht die Pflegeversicherung das Geld bereitstellen.
Daher müsse die Gesellschaft, sind sich alle einig, nach Corona generell über das Gesundheitssystem und die Vergütung nachdenken. Aber auch für ihre Arbeit im Albstift hat Andrea Wurm in der Krise etwas gelernt: Es dürfe nicht mehr die Frage sein, ob das Schutzmaterial oder das Virus schneller ist. „Dass nicht ausreichend Material vorhanden ist, das ist ein Armutszeugnis für Deutschland!“
Aber eines ist sicher: Sollten die Beschränkungen bis Frühsommer aufgehoben sein, dann wird groß gefeiert: Nicht so sehr wegen des Endes der Corona-Krise. Sondern weil das Albstift Jubiläum hat. Am 1. Juli 1995 wurde es eröffnet.