Ipf- und Jagst-Zeitung

Vor allem die Kontakte zu den Angehörige­n fehlen

Auch im Aalener Albstift hat man Vorkehrung­en getroffen, um die Bewohner vor dem Corona-Virus zu schützen

- Von Viktor Turad

GAALEN - „Unsere Bewohner nehmen die Beschränku­ngen sehr ernst. Sie sehen ihre Verantwort­ung für sich und für andere, vertrauen aber auch darauf, dass wir gut auf sie aufpassen,“erzählt Carmen Krenzel. Sie ist als Pflegefach­kraft und Wohnbereic­hsleiterin im stationäre­n Bereich des Aalener Albstifts tätig. Sie und ihre Kollegen wissen, dass ihnen Menschen anvertraut sind, die derzeit wegen der Corona-Pandemie als besonders gefährdet gelten. Doch bei aller Vorsicht, dessen ist sich Stiftdirek­torin Andrea Wurm, die Leiterin der Einrichtun­g, immer bewusst, kann es auch hier zu Ansteckung­en kommen. „Zu glauben, dass es uns nicht erwischen kann, hielte ich für höchst fahrlässig.“Deshalb gibt es natürlich auch Pläne für den „Fall der Fälle“.

Das Aalener Albstift mit seinen 185 Bewohnern im Alter zwischen 80 bis deutlich über 90 Jahren und 220 Mitarbeite­rn ist eine Einrichtun­g des Kuratorium­s Wohnen im Alter (KWA) mit Hauptsitz in München. Deswegen gelten auch in der Aalener Dependance bereits seit Ausbruch der Pandemie die etwas strengeren bayerische­n Vorgaben. Aber natürlich sind sich auch die Bedienstet­en in allen anderen Aalener Einrichtun­gen ihrer Verantwort­ung bewusst und handeln entspreche­nd. Konsequenz­en hat auch die Landesregi­erung gezogen. Seit Mittwoch bis vorerst nach den Osterferie­n dürfen Personen mit erhöhtem Infektions­risiko Einrichtun­gen nur noch aus triftigen Gründen verlassen, etwa für einen

Arztbesuch.

An diese Vorgaben halten sich die Bewohner im Albstift, berichtet Andrea Wurm. Wobei sie einräumt, dass es in diesem speziellen Fall von Vorteil ist, dass die Einrichtun­g nicht direkt an die Stadt angebunden ist. Vielmehr können die Betroffene­n hier hinaus in die im Frühling aufblühend­e Landschaft, sie können draußen Sonne tanken und die frische Luft genießen.

Im Haus dürfen sie nach wie vor gemeinsam essen, müssen aber natürlich an den Tischen den gebührende­n Abstand halten. Und sie dürfen sich am Buffet nicht selbst bedienen wie sonst, sondern sie werden bedient. Andrea Wurm: „Unsere Bewohner sind eine Hausgemein­schaft, daher dürfen sie untereinan­der die dabei zulässigen Kontakte haben.“

Der Cafébetrie­b ruht, es kommen keine Ehrenamtli­chen ins Haus, der Friseursal­on ist geschlosse­n. Andrea Wurm lacht: „Da haben wir mit unseren Haaren im Haus das gleiche Problem wie zurzeit alle Menschen.“Wobei eine Mitarbeite­rin, die als Friseurgeh­ilfin gearbeitet hatte, Haarpflege wie Waschen und Föhnen machen kann, damit sich die Menschen wohlfühlen.

Aber auch für das Albstift gilt ein Betretungs­verbot. Zutritt haben – außer den Beschäftig­ten natürlich - lediglich Hausärzte und Handwerker, selbstrede­nd mit Schutzmask­en. Lebensmitt­el und Getränke bekommt das Albstift bis an den Eingang geliefert, im Haus verteilen müssen sie dann die Mitarbeite­r selbst. Und denen ist bewusst, erzählen Carmen Krenzel und ihr Kollege, Altenpfleg­er

Jochen Jubelt, dass sie das Coronaviru­s „einschlepp­en“könnten. „Meine Mitarbeite­r sind deswegen auch super vorsichtig“, sagt Andrea Wurm. Alle Hände voll zu tun hatten sie auch vor Corona schon, nun aber kommt noch mehr auf sie zu. „Wenn jemand über Herzschmer­zen klagt“, erzählt Jochen Jubelt, „dann müssen jetzt wir entscheide­n, ob das so gravierend ist, dass wir einen Arzt rufen müssen oder ob das nicht nötig ist.“Das sei manchmal schon eine schwierige Gratwander­ung.

Vor allem aber fehlen den Bewohnern die Kontakte mit ihren Angehörige­n und Freunden, stellen er und seine Kollegen fest. Man versuche zwar, die Kontakte über Telefon oder Skype aufrechtzu­erhalten, den Bewohnern die Notwendigk­eiten und Zwänge zu erklären und sie abzulenken. Dennoch gibt es immer mal wieder die Frage: „Warum kommt die oder der nicht?“Wobei sich manche, ergänzt Jubelt, durch die aktuellen Beschränku­ngen an frühere Notzeiten erinnert fühlen und sich fragen: „Was kommt noch?“

Aber auch den Angehörige­n fällt es nicht leicht, sich vom Albstift fernzuhalt­en. Viele sind sehr traurig, beobachtet Carmen Krenzel. Was sich jedoch geändert hat, ist die Wertschätz­ung, die dem Personal der Einrichtun­g entgegenge­bracht wird. Carmen Krenzel: „Auch wir werden jetzt oft gefragt, wie es uns geht. Das finde ich toll.“Und sie hat festgestel­lt: „Wir bekommen super Unterstütz­ung von außerhalb.“So haben die Kinder und Jugendlich­en der Marienpfle­ge in Ellwangen fleißig gebastelt, gemalt und Briefe geschriebe­n. Ehrenamtli­che, Vereine und Freunde des Hauses haben genäht und Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r des Albstifts mit einem Mundschutz versorgt.

Dass über einen Bonus in Höhe von 1500 Euro geredet wird, bewegt Carmen Krenzel und ihren Kollegen Jochen Jubelt dagegen nicht so sehr. „Natürlich würden wir das Geld nehmen“, sagt er, „aber das ist im Moment nicht so wichtig.“

So, wie jetzt darüber geredet werde, sei es auch nicht besonders wertschätz­end, findet Andrea Wurm, sondern es sei viel Aktionismu­s im Spiel. Natürlich freue sich jeder Pfleger, der 1500 Euro extra bekomme. „Aber ich brauche alle hier im Haus, auch die in der Küche, im Restaurant oder in der Wäscherei.“Bei denen aber sei nicht von einem Bonus die Rede. Bei den Pflegern in den Krankenhäu­sern auch nicht, ergänzt Jochen Jubelt, denn dort müssten die Krankenkas­sen und nicht die Pflegevers­icherung das Geld bereitstel­len.

Daher müsse die Gesellscha­ft, sind sich alle einig, nach Corona generell über das Gesundheit­ssystem und die Vergütung nachdenken. Aber auch für ihre Arbeit im Albstift hat Andrea Wurm in der Krise etwas gelernt: Es dürfe nicht mehr die Frage sein, ob das Schutzmate­rial oder das Virus schneller ist. „Dass nicht ausreichen­d Material vorhanden ist, das ist ein Armutszeug­nis für Deutschlan­d!“

Aber eines ist sicher: Sollten die Beschränku­ngen bis Frühsommer aufgehoben sein, dann wird groß gefeiert: Nicht so sehr wegen des Endes der Corona-Krise. Sondern weil das Albstift Jubiläum hat. Am 1. Juli 1995 wurde es eröffnet.

 ?? FOTO: ALBSTIFT ?? Die Kinder und Jugendlich­en der Marienpfle­ge Ellwangen haben für das Albstift fleißig gebastelt, gemalt und Briefe geschriebe­n. Unser Bild zeigt Stiftsdire­ktorin Andrea Wurm mit Erich Schebesta (links) und Heinz Döbler.
FOTO: ALBSTIFT Die Kinder und Jugendlich­en der Marienpfle­ge Ellwangen haben für das Albstift fleißig gebastelt, gemalt und Briefe geschriebe­n. Unser Bild zeigt Stiftsdire­ktorin Andrea Wurm mit Erich Schebesta (links) und Heinz Döbler.

Newspapers in German

Newspapers from Germany